Dame Vivian Hunt
Die Managing Partnerin von McKinsey & Company in Grossbritannien und Irland ist eine führende Figur innerhalb des Unternehmens für Leadership und Diversity. Vivian Hunt hat Publikationen wie «Why Diversity Matters» und «Delivering through Diversity» mitverfasst. Die Powerlist Foundation hat sie zu einer der zehn einflussreichsten Menschen afrikanischer Abstammung in England gekürt. Und von der «Financial Times» wurde sie als eine der «European Women to Watch» bezeichnet und kürzlich als eine der 30 einflussreichsten Personen der Stadt London genannt. Vivian Hunt ist Alumna des Harvard College und hat ihren MBA an der Harvard Business School erworben. Im Jahr 2018 wurde sie wegen ihrer Leistungen für die Wirtschaft und die Frauen in der Wirtschaft zur Dame Commander des Order of the British Empire geadelt.
Im Jahr 2015 haben Sie den wegweisenden Bericht «Why Diversity Matters» verfasst. Was hat sich seither verändert?
Das Bewusstsein für Inclusion & Diversity in der Wirtschaft ist gewachsen. Unser Bericht scheint Unternehmen und Institutionen zu motivieren, Richtlinien festzulegen und Veränderungen zu initiieren. Früher gaben typischerweise soziale Gerechtigkeit, die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften oder die Gestaltung eines für Mitarbeitende branchenüblichen Umfelds den Anstoss dafür. Heute betrachten Unternehmen Inclusion & Diversity immer mehr als Wettbewerbsvorteil.
Dies klingt vielversprechend.
Ja, aber es geht nur langsam vorwärts. Bis zum Jahr 2017 haben die 346 Unternehmen, die wir 2015 in unserem Bericht ausgewertet haben – hauptsächlich mit Sitz in den USA und in Grossbritannien –, die durchschnittliche Frauenquote bei Führungskräften nur um 2 Prozentpunkte auf 14 % erhöht. Die ethnische und kulturelle Diversity ist nur um 1 Prozentpunkt auf 13 % gestiegen. Zudem sind viele Unternehmen unsicher, wie sie Inclusion & Diversity am effektivsten in einem Business Case umsetzen können, um ihre Wachstumsund Wertschöpfungsziele zu erreichen.
Ist dies der Grund, weshalb Sie 2018 den Folgebericht «Delivering through Diversity» veröffentlicht haben?
Das Ziel des Updates bestand darin, eine klarere Sicht auf den Status quo zu bieten, aber auch aufzuzeigen, welche Ansätze und Massnahmen wirklich funktionieren. Unternehmen bauen verstärkt eigene Business Cases auf und möchten die Wirkung bezüglich Produktivität, Innovation und Kundenbindung präziser messen. Der neue Bericht betrachtet diese Business Cases von innerhalb der Organisation und demonstriert, wie die Unternehmen Wachstum und Geschäftsergebnis aktiv beeinflussen können.
Ähnlich wie 2015 haben wir Diversity definiert als einen höheren Anteil an Frauen sowie an ethnisch und kulturell unterschiedlichen Individuen. Wir haben einen grösseren Datensatz mit über 1000 Unternehmen in 12 Ländern analysiert. Die Wahrscheinlichkeit für eine finanzielle Outperformance haben wir anhand von zwei Faktoren gemessen: die Rentabilität mit der durchschnittlichen EBIT-Marge und die Wertschöpfung mit der durchschnittlichen wirtschaftlichen Ergebnismarge. Wir haben dann 17 Unternehmen untersucht, die alle wichtigen Regionen und mehrere Branchen repräsentieren, um ein präziseres Bild zu erhalten, wo in einem Unternehmen Diversity wichtig ist. Für uns interessant war insbesondere, wie führende Unternehmen das Potenzial von Inclusion & Diversity erfolgreich genutzt haben, um ihre Wachstumsziele zu erreichen, und welche Lehren andere Unternehmen daraus ziehen können.
Ihre jüngsten Forschungsergebnisse bestätigen also den Zusammenhang zwischen Diversity und Geschäftsverlauf?
Ja, das ist so. Bereits vor vier Jahren haben wir den statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen der grösseren Diversity in einem Team von Führungskräften und der finanziellen Outperformance aufgezeigt. Dieser Zusammenhang besteht auch im nun aktualisierten, erweiterten globalen Datensatz. Bei Unternehmen, die statistisch gesehen im Bereich Gender Diversity auf der Führungsebene im oberen Quartil liegen, ist es um 21 % wahrscheinlicher, dass sie die anderen bezüglich Wirtschaftlichkeit übertreffen. Um 27 % wahrscheinlicher ist es, dass sie eine höhere Wertschöpfung erzielen.
Es geht aber nicht nur um Gender Diversity, oder?
Bei Unternehmen, die bezüglich ethnischer und kultureller Diversity unter den Führungskräften im oberen Quartil liegen, ist es um 33 % wahrscheinlicher, dass sie bezüglich Wirtschaftlichkeit branchenweit führend sind. Die Tatsache, dass die Beziehung zwischen Diversity und Leistung auch weiterhin stark ist, weist darauf hin, dass es sich lohnen kann, unterschiedlichste Persönlichkeiten einzubeziehen. Die unzähligen Formen von Diversity – auch weit über den Gender-Begriff hinaus, so zum Beispiel Neurodiversität, sexuelle Orientierung, Alter oder internationale Erfahrung – können ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal gegenüber anderen Unternehmen darstellen.
Dennoch haben wir festgestellt, dass die ethnische und kulturelle Diversity in Teams von Führungskräften noch immer relativ klein ist. Zudem hat sich gezeigt, dass Frauen auf der Führungsebene zweimal häufiger eine Stabsposition besetzen als eine Linienposition. Letztere sind aber in der Regel stärker mit der Ertragsgenerierung verknüpft und führen eher zu einer CEO-Position.
Diversity kann ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal gegenüber anderen Unternehmen darstellen.
Was geschieht mit Unternehmen, die nicht versuchen, dies zu ändern?
Unsere aktualisierten Daten zeigen, dass Unternehmen, die bezüglich Diversity statistisch gesehen im unteren Quartil liegen, weiterhin einen hohen Preis dafür bezahlen. Generell erreichen die Unternehmen, die bezüglich Gender sowie bezüglich ethnischer und kultureller Diversity im unteren Quartil liegen, mit 29 % tieferer Wahrscheinlichkeit eine überdurchschnittliche Wirtschaftlichkeit als alle übrigen Unternehmen in unserem Datensatz. Kurz gesagt: Diese Unternehmen sind alles andere als führend – sie hinken den anderen regelrecht hinterher.
Diversity und Wirtschaftlichkeit scheinen miteinander in Beziehung zu stehen. Woran liegt das?
Unsere Daten haben gezeigt, dass eine erhöhte Anzahl Frauen in Teams auf Führungsebene am stärksten und durchwegs positiv mit der Wahrscheinlichkeit einer finanziellen Outperformance korreliert. Die Forschung verweist auf eine kleine Anzahl wichtiger Punkte, die diese Korrelation erklären. Dazu gehören Verbesserungen beim Zugang zu Talenten, bei der Entscheidungsfindung, bei der Innovation und der Nähe zu den Konsumenten sowie bei der Mitarbeiterbindung. Der Punkt mit den Talenten fällt sofort ins Gewicht: Inclusion & Diversity hochzuhalten, sollte für ein Unternehmen zentral sein, wenn es Talente anziehen, ihnen Entwicklungsmöglichkeiten bieten und sie an sich binden will. Das gilt vor allem bei besonders leistungsstarken Talenten, die das Unternehmen braucht, um im Wettbewerb bestehen zu können.
Die Forschung zeigt, dass auf Inclusion & Diversity basierende Gruppen qualitativ bessere Entscheidungen treffen, und dies oft schneller, stärker auf Fakten basierend und ohne Gruppendenken. Sie greifen auf verschiedene Erfahrungen, Perspektiven sowie kreativere Ansätze zurück, um komplexe Probleme zu lösen. Durchmischte Gruppen sind oft innovativer und bedienen Konsumenten mit verschiedenen Bedürfnissen besser. Ein weiterer Vorteil tritt durch die jüngsten, stark mediatisierten Fälle von Gender- und Rassendiskriminierung hervor: Für viele Unternehmen geht es bei Inclusion & Diversity auch um den Erhalt der Betriebsbewilligung.
Wir haben erlebt, wie Führungskräfte und Manager ihre Standpunkte komplett änderten, als wir ihnen die Daten vorlegten.
Wirtschaftlichkeit als entscheidender Faktor – müsste da nicht allen voran die Finanzbranche die Bedeutung von Inclusion & Diversity erkennen?
Finanzdienstleister weisen in unserem Daten- satz die höchste durchschnittliche Vertretung von Frauen in Teams auf Führungsebene auf. Sie sind auch führend, wenn es um die Vertretung von Frauen im gesamten Unternehmen geht – eine wichtige Voraussetzung für eine bessere Vertretung von Frauen auf den höheren Ebenen. Die Finanzbranche weist jedoch gleichzeitig das langsamste Wachstum bei der Anzahl Frauen in Teams auf Führungsebene auf. Das deutet auf eine Stagnation hin. Die Bemühungen müssen angekurbelt werden.
Schauen wir, wie schnell und in welchem Umfang Unternehmen bei Inclusion & Diver- sity voranschreiten, ergibt sich ein heterogenes Bild. Branchenspezifische sowie geografische und kulturelle Unterschiede führen zu unterschiedlichen Ausgangslagen. Wir haben aber auch festgestellt, dass Unternehmen, die rasch Fortschritte erzielen, branchenübergreifend und in verschiedenen Teilen der Welt gemeinsame Eigenschaften haben. Allen voran gehört dazu die Tatsache, dass sie Inclusion & Diversity als Priorität innerhalb ihres Kerngeschäfts behandeln.
Wie schwierig ist es, Inclusion & Diversity zu einer Priorität innerhalb des Kerngeschäfts zu machen? Oft fallen die damit verbundenen Entscheidungen ja unbewusst.
Genau aus diesem Grund hat sich ein grosser Teil unserer Forschungsarbeit darum gedreht, Fakten zu schaffen. Wir haben erlebt, wie Führungskräfte und Manager ihre Standpunkte komplett änderten, als wir ihnen Daten zu den Unterschieden zwischen Männern und Frauen bei der Leistungsbewertung, bei der Unterstützung durch die Geschäftsführung, beim Erleben täglicher Mikroaggressionen oder bei der Förderung vorlegten.
Ich denke, dass Unternehmen immer mehr die Vorteile schätzen lernen werden, die ihnen Inclusion & Diversity bringt. Das wird zu einer Kultur führen, die wirklich auf Einbeziehung basiert. Die Unternehmenskultur hat sich als eine der entscheidenden Voraussetzungen erwiesen, um die Ziele bezüglich Inclusion & Diversity zu erreichen. Die anderen Voraussetzungen beinhalten ein sichtbares Commitment der Führungskräfte, die Ausrichtung auf die Geschäftsstrategie und die Wirkungsmessung getroffener Massnahmen.
Mitarbeitende von SIX ausgezeichnet
Tamsin Hobley aus der Geschäftseinheit Financial Information von SIX wurde bei den Women in Technology and Data Awards von WatersTechnology zum «Vendor Professional of the Year» gekürt. Die Jury würdigt jedes Jahr Frauen aus der Gemeinschaft der Technologie- und Datenanbieter, die für Innovation und herausragende Leistungen innerhalb ihrer Unternehmen stehen. Tamsin Hobley hat sich in ihren zehn Jahren bei SIX vom Sales Executive zum Head Sales UK & Ireland entwickelt. Während dieser Zeit hat sie Kunden erfolgreich dabei geholfen, die Herausforderungen bezüglich Regulierung und Data Governance zu meistern.
Mit dem Award will WatersTechnology gezielt die Präsenz von Frauen in technologischen und datengetriebenen Branchen fördern.
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