USD 18 Millionen in vier Jahren, so lautet der lukrativste NHL-Vertrag von Jonas Hiller. Der Ostschweizer Eishockeygoalie schafft 2007 den Sprung in die amerikanische Profiliga, die beste Eishockeyliga der Welt. 2011, als er zum All-Star- Game eingeladen wird, dem Anlass für die besten Spieler der Saison, ist Roger Federer der einzige Schweizer Sportler, der mehr verdient.
Was den sportlichen Erfolg angeht, kann die Fussballerin Lara Dickenmann mehr als mithalten mit dem heute 38- jährigen Jonas Hiller: 2-mal gewinnt die Innerschweizerin die Champions League, 15-mal stemmt sie den Pokal für eine nationale Meisterschaft (Rekord), 8-mal wird sie zur besten Schweizer Fussballspielerin gewählt (Rekord), 135-mal spielt sie in der Nationalmannschaft (Rekord) und erzielt dabei 53 Tore. Und ihr Verdienst? «Rund CHF 130’000 in meinem besten Jahr», sagt die heute 34-Jährige.
Am Anfang ist die Investition
Lara Dickenmann und Jonas Hiller gehören zur kleinen Elite der Schweizer Sportler, die sich in der internationalen Weltspitze etablieren konnten. Ebenso aussergewöhnlich: Beide sprechen offen über ein Thema, das in der Schweiz als grosses Tabu gilt, das Geld. Zu Beginn verursachte die Karriere von Jonas Hiller keine grossen Kosten: Die teure Goalieausrüstung gehört dem Club, er muss nur Schlittschuhe, Maske und Stock mitbringen. «Die Schweizer Vereine fördern den Nachwuchs», erklärt er, «da sie später an einem Transfer partizipieren können.» In Nordamerika sei das anders, da fehlen Anreize, die Jugend zu unterstützen. Ein «Eishockeykind» könne dort schnell USD 15’000 und mehr kosten: «Die Ausrüstung, Hallenmiete, Reisen – alles bezahlen die Eltern.»
Mit 16 Jahren wechselt Jonas Hiller ins Sport-Gymnasium Davos und belastet jetzt das Familienbudget erheblich – rund CHF 30’000 kostet das Internat pro Jahr. Noch dazu stagniert die Karriere: Zwar hat er den Sprung in die Schweizer Profiliga geschafft, er ist im Kader des HC Davos, doch sitzt er drei Jahre lang nur auf der Ersatzbank. «Meine Eltern waren etwas beruhigt, da ich nach dem Schulabschluss die Matura im Sack hatte und ein Jahresgehalt von CHF 15’000 erhielt», sagt Jonas Hiller, «aber damit ich vom Sport leben konnte, musste ich Stammspieler werden.»
Jonas Hiller schaffte es bis ins All-Star-Game der amerikanischen Profiliga NHL.
In der aktuellen Sonderausstellung «Sport & Geld» zeigt das Schweizer Finanzmuseum die jährlichen Kosten für Anfänger verschiedener Disziplinen auf. Die Bandbreite ist gross. Reiten schlägt mit CHF 24’000 zu Buche, Fussball ist mit CHF 340 kein teurer Sport. Das bestätigt auch Lara Dickenmann. «Zudem glaubten meine Eltern, dass ich das Interesse schnell verlieren werde, gleich wie zuvor beim Schwimmunterricht oder beim Ballett.» Sie kaufen der Tochter günstige Schuhe, die restliche Ausrüstung «erbt» sie von ihrem Vater – einem ehemaligen Spieler des FC Zürich. Die Mitgliederbeiträge im SC Kriens sind moderat.
Der sportliche Erfolg stellt sich ein
Obwohl damals nur wenige Frauen vom Fussball leben können, sagt Lara Dickenmann im Jahr 2000 in einem Video: «Ich will Profi werden.» Sie ist gerade einmal 15 Jahre alt, aber eine Schnellstarterin: Mit dem FC Sursee, ihrem zweiten Club, gewinnt sie drei Schweizer Meistertitel, spielt für die Nationalmannschaft und schiesst beim ersten Einsatz gegen Frankreich gleich ein Tor.
Ich musste alle zwei Wochen einen Check über USD 50’000 einlösen.
Jonas Hiller
Nach dem Erlangen der Matura geht sie mit einem Sportstipendium in die USA, wo sie in Ohio internationale Wirtschaft studiert. Vor allem aber jagt sie dem Ball nach. «Ich hatte nur Fussball im Kopf», sagt die Spielmacherin, «an einen normalen Job verlor ich keine Gedanken – doch meine Ausbildung, die wollte ich abschliessen», was sie mit einem Bachelor auch tut.
Jonas Hiller kehrt nach einer Leihsaison bei Lausanne HC als Stammgoalie zum HC Davos zurück und gewinnt sogleich die nationale Meisterschaft. Er gehört nun auch der Nationalmannschaft an, gewinnt einen weiteren Schweizer Meistertitel und schafft den Sprung in die USA zu den Anaheim Ducks, einem Club in der Nähe von Los Angeles.
Sein erster Vertrag garantiert dem damals 25-Jährigen ein Salär von rund USD 650’000. «Das Verrückte ist», sagt Jonas Hiller, «dass ich meinen Lohn per Check erhielt.» Die nordamerikanischen Teams bezahlen die Lohnsumme in Tranchen, verteilt über die 180 Tage, die eine Saison dauert. «Ich musste alle zwei Wochen einen Check über USD 50’000 einlösen.»
Investing in Sports
Investieren in Sport
- Ein Stück Fussballclub
Vereine wie Juventus Turin, Borussia Dortmund oder Ajax Amsterdam sind an der Börse kotiert. Der Index STOXX Europe Football umfasst alle Fussballclubs, die an europäischen Börsen notiert sind.
- Ein Pferd im Stall
Wer sich an den Kosten für ein Rennpferd beteiligt, verdient an Preisgeldern und Verkaufserlösen mit. In England zum Beispiel bringt Highclere Thoroughbred Racing Ltd. Investoren mit Rennställen zusammen.
- ETFs für E-Sports
Computerspiele als Wettkampf – auch in E-Sports kann man investieren. Der VanEck Vectors Video Gaming and eSports ETF zeichnet die Wertentwicklung der Branche nach.
- Die Fan-Blockchain
Teamsports.io will die Distributed- Ledger-Technologie in den Fussball bringen. Fans sollen nicht nur Teilhaber an einem Fussballclub sein, sondern auch dessen Geschicke mitbestimmen.
- Spitzenrendite mit Spitzensport?
Ab EUR 1 Million erhält man Zugang zum Sports Investment International Fonds von Donner & Reuschel. Der Fonds investiert unter anderem in Medienrechte und Immobilien des Spitzenfussballs.
- Für die Fanbasis
Verschiedene strukturierte Produkte beziehen sich auf Basiswerte aus der Welt des Sports. Die Zürcher Kantonalbank zum Beispiel bietet ein Tracker- Zertifikat für Fussballfreunde an, UniCredit führt ein Zertifikat für Sportausrüstungen.
Eine Vermögensverwaltung kümmert sich bis heute um das verdiente Geld – nach einer gemeinsam festgelegten, eher konservativen Strategie und mit breiter Diversifizierung. «Ich wollte sicher sein», sagt Jonas Hiller, «dass nach meiner Karriere nicht plötzlich alles weg ist, weil ich zu viel Risiko nahm.»
Lara Dickenmann landet 2009 fast schon «per Zufall» beim aufstrebenden Olympique Lyonnais. Der Trainer hatte mal ein gegnerisches Team von Lara Dickenmann betreut und erinnert sich an sie. Nach einem Probetraining bekommt sie sofort einen Vertrag. Gleich in ihrer ersten Saison erreicht Lyon den Halbfinal der europäischen Champions League, in der zweiten den Final, in der dritten gewinnt das Team den prestigeträchtigsten Clubwettbewerb der Welt – heute ist Lyon Rekordtitelhalter.
Hätte ich einen anderen Weg gewählt als den Fussball, wäre mein Verdienst wohl höher ausgefallen.
Lara Dickenmann
Die «Schweizer Fussballikone» (TAZ) verdient in dieser Zeit EUR 3000 pro Monat und muss dem Geld oft nachrennen. Bei der Vertragsunterschrift versicherte man Lara Dickenmann, ihr Lohn sei netto, später muss die damals 22-Jährige die Steuern doch selbst bezahlen. In der Ausstellung des Schweizer Finanzmuseums ist nachzulesen, dass die französische Liga heute im Durchschnitt die höchsten Saisonlöhne im europäischen Frauenfussball zahlt (EUR 42’188), gefolgt von der deutschen Bundesliga (EUR 37’060). Zum Vergleich: Der durchschnittliche Jahreslohn bei den Männern des FC Barcelona lag 2019 bei EUR 12,3 Millionen.
1 Mann oder 833 Frauen
«Ich bin eine miese Verhandlerin», sagt Lara Dickenmann, «vor allem am Anfang der Karriere hatte ich Angst, ein Club könne das Angebot wieder zurückziehen, und schlug jeweils sofort ein.» Heute verhandelt ein Agent für sie. Wichtiger als der Lohn sind ihr sowieso andere Dinge, beispielsweise die Teamzusammensetzung, der Trainer oder die längerfristigen Ziele des Clubs. Lara Dickenmann ist realistisch: «Hätte ich einen anderen Weg gewählt als den Fussball», sagt sie, «wäre mein Verdienst wohl höher ausgefallen.»
2015 läuft der Vertrag in Lyon aus, Lara Dickenmann ist frei, einen neuen Club zu wählen. Bei den Männern wäre das eine Traumsituation, ein Spieler dieses Formats könnte ein stattliches Handgeld aushandeln – nicht aber bei den Frauen, wo Transfergelder noch immer die Ausnahme sind. Ein Transfer im Männerfussball hat 2019 im Durchschnitt USD 475’328 eingebracht. Wie das Schweizer Finanzmuseum ausgerechnet hat, hätte dieser Betrag fast für sämtliche 833 Transfers im Frauenfussball gereicht (USD 652’032).
Lara Dickenmann ist mehrfach bis in den Final der Champions League gesprintet – und hat diesen auch zweimal gewonnen.
Beim neuen Club, dem VfL Wolfsburg in der deutschen Bundesliga, verdient Lara Dickenmann sogar weniger als zuvor, doch sie will «unbedingt noch einmal etwas Neues ausprobieren». Trotz dem im Vergleich zum Männerfussball überschaubaren Gehalt legt sie jeden Monat etwas auf die Seite. Um Geldangelegenheiten kümmert sich ihr Vater. Nachdem eine Verletzung seine Fussballerlaufbahn frühzeitig beendet hatte, machte er Karriere in der Vermögensverwaltung. «Wir haben ausführlich besprochen, wie ich investieren möchte», sagt Lara Dickenmann, «nun setzt er diese Strategie für mich um.»
Nach sieben Jahren in Kalifornien wechselt Jonas Hiller für zwei Jahre nach Kanada zu den Calgary Flames, dann, mit der Erfahrung aus 437 NHL-Partien, kommt er zurück in die Schweiz zum EHC Biel-Bienne. Das Ende ist der wohl unglamouröseste Moment in der Karriere von Jonas Hiller: Kurz vor den Play-offs wird der Eishockeybetrieb in der Schweiz wegen Covid-19 eingestellt.
Die Erfahrungen weitergeben
Und jetzt, ab in den Liegestuhl? Nein. Jonas Hiller ist an verschiedenen Unternehmen beteiligt und hat das Präsidium der Eishockey-Spielergewerkschaft übernommen. Er will sich für seine Berufskollegen einsetzen; die Spielerverträge standardisieren, den Arbeitseinstieg nach der Karriere erleichtern, den jungen Talenten klarmachen, wie wichtig die Vorsorge ist, allenfalls sogar einen Mindestlohn etablieren.
Lara Dickenmann tritt 2019 aus der Nationalmannschaft zurück, ihr Vertrag bei Wolfsburg läuft noch bis 2021. Dieses Jahr gewinnt sie das Double und erreicht in der Champions League den Final. Berufsbegleitend schliesst sie einen Management-Master mit Fokus Sport ab.
Letzte Station einer erfolgreichen Karriere: In Biel fing Jonas Hiller seine letzten Pucks.
Wenn sie die Schuhe einst an den Nagel hängt, will sie im Schweizer Frauenfussball tätig werden, der 2020 sein 50-Jahr-Jubiläum feiert. Die genaue Rolle ist Lara Dickenmann noch nicht klar, «Hauptsache, ich kann die Entwicklung vorantreiben». Seit sie beim SC Kriens – wohlgemerkt in einer Knabenmannschaft – begann, habe sich die Situation für die Frauen zwar stark verbessert, aber «der Frauenfussball muss als Business Case funktionieren. Es muss möglich sein, dass nicht nur Spielerinnen und Trainer, sondern auch die Vereine damit Geld verdienen».
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