Die auf EU-Ebene ausgearbeitete Verordnung über Zentralverwahrer (CSDR) wird die europäischen Zentralverwahrer dazu zwingen, Massnahmen zur Vermeidung von gescheiterten Abwicklungsanweisungen zu ergreifen, und entsprechende Prozesse zu definieren. Diese umfassen Geldbussen, sowie notwendige Eindeckungs- und Andienungsverfahren, die die Handelsteilnehmer dazu verpflichten, entweder Finanzinstrumente zu liefern oder, wenn das nicht möglich ist, Entschädigungen zu zahlen.
Damit können potenzielle Liquiditätsrisiken vermieden werden, die aufgrund fehlgeschlagener Abwicklungsanweisungen auftreten können. Zentralverwahrer verhängen Geldbussen, wenn Transaktionen am geplanten Abrechnungstag nicht abgeschlossen werden. Die am 1. Februar 2021 in Kraft tretende Verordnung sieht vor, dass die Verursacher von systematisch gescheiterten Abwicklungen nun gesetzlich verpflichtet sind, entsprechende Geldbussen zu zahlen. Die Komplexität dieser Verordnung zeigt sich in mehreren Facetten. Lassen Sie mich zwei der unmittelbarsten Herausforderungen hervorheben:
- Meldung über gescheiterte Abwicklungen und die Berechnung von Geldbussen
- Prozess zur Durchführung von Eindeckungsgeschäften
Die grösste Herausforderung für die Branche besteht darin, auf die Informationen in der richtigen Granularität zugreifen zu können. Diese ist erforderlich, um die Finanzinstrumente bewerten zu können, die im Rahmen der Verordnung möglicherweise nicht abgewickelt werden. Während z.B. die Depotbanken zwar Geldbussen von Zentralverwahrern erhalten, können Sie nicht so einfach auf die Referenz- und Preisdaten zugreifen, die für die Berechnung der Geldbussen durch die Zentralverwahrer verwendet wurden. Dazu gehören grundlegende Informationen wie die Ermittlung der Marktbewertung eines bestimmten Instruments, sowie der Schlusskurs des relevantesten Marktes in der EU.
Was macht eine Depotbank um an die Preisinformationen zu kommen? Normalerweise basieren die Preisinformationen auf dem Tagesschlusskurs. Einige Handelsplätze bieten diese Informationen jedoch nicht einmal an. Und ohne sie ist es schwierig, das genaue Handelsvolumen zu ermitteln. Sicherlich nicht rechtzeitig, um das Handelsvolumen mit einem anderen Handelsplatz zu vergleichen, an dem das Instrument ebenfalls gelistet oder gehandelt wird.
Illiquidität macht es noch schlimmer
Und hier könnte sich eine Büchse der Pandora öffnen – nicht nur für Depotbanken, sondern auch für alle anderen, die an der Transaktionskette eines Instruments im Rahmen der Verordnung beteiligt sind. Gescheiterte Abwicklungen und daraus resultierende Sanktionen sind natürlich weniger wahrscheinlich für beispielsweise liquide Aktien oder aktienähnliche Instrumente wie ETFs oder Optionsscheine. Bei den illiquiden Instrumenten sieht das natürlich anders aus. Versuchen Sie z.B., den Marktwert anhand des Schlusskurses einer Anleihe zu ermitteln. Es kann Wochen oder sogar Monate dauern, bis die Anleihe überhaupt gehandelt wird. Ohne genauen Liquiditätsstand ist es fast unmöglich, den richtigen Sanktionssatz zuzuweisen.
Was kann die Finanzbranche als Ganzes tun, um sicherzustellen, dass nicht gegen die im Februar nächsten Jahres in Kraft tretende Verordnung verstossen wird? Neun Monate werden wie im Flug vergehen. Das bedeutet, dass die Branche gezielt Informationen sammeln muss, um die Auswirkungen des Handels in einem «CSDR-konformen» regulatorischen Umfeld, zu testen.
- Zentralverwahrer benötigen qualitativ hochwertige Referenz- und Preisdaten, um finanzielle Entschädigungen oder Sanktionen berechnen zu können.
- Depotbanken und andere Marktteilnehmer, die möglicherweise an einem CSDR-relevanten Handel beteiligt sind, müssen die Zentralverwahrer um eine detaillierte Analyse der Instrumente «in-scope» von CSDR bitten.
So wenig Zeit und noch so viel zu tun. Dies sollte die Branche animieren, ihre Vorbereitungen zu beschleunigen. Schliesslich will sich kein EU-Finanzinstitut den unvermeidlichen Folgen mangelnder Vorbereitung stellen.
Heiko Stuber
Im Unternehmen seit 2012 ist Heiko Stuber Senior Proposition Manager für Referenzdaten in der Geschäftseinheit Financial Information von SIX. In seiner Funktion ist er dafür verantwortlich, Markttrends und Kundenanforderungen im Zusammenhang mit Regulierung zu identifizieren Er definiert Lösungen mit dem Ziel, die Kundenrisiken zu minimieren, wie z.B., für CSDR, MiFID II, SFTR, AIFMD, usw. Heiko Stuber nimmt regelmässig als Experte an Arbeitsgruppen der Regulierungsbranche teil (z.B. Initiativen von ECSDA, PIMFA) und ist als Redner bei Branchenveranstaltungen (z.B. Post Trade 360 °) unterwegs.
Vor seinem Eintritt bei SIX hat Heiko Stuber als Principal Consultant und Project Manager für internationale Banken, Rohstoffhandelsunternehmen und Energieversorger umfangreiche Erfahrung im Bereich Investment Banking gesammelt. Darüber hinaus hat er die Analyse von Handels- und Geschäftsprozessen für börsennotierte Instrumente und OTC-Derivate sowie Projekte im Bereich Energie- und Rohstoffhandel geleitet.