Dr. Thomas Wellauer
Der Verwaltungsratspräsident von SIX war bis Juni 2019 COO und Mitglied der Konzernleitung von Swiss Re. Nach seinen Anfängen bei McKinsey & Company wechselte er 1997 als CEO zur Winterthur-Versicherung, die im selben Jahr von Credit Suisse übernommen wurde. Bei Credit Suisse war er Mitglied der Konzernleitung und zuletzt für Credit Suisse Financial Services verantwortlich. Vor seinem Wechsel zu Swiss Re bekleidete er Positionen als Head Performance Improvement Program bei Clariant (2003–2006) und als Head Corporate Affairs sowie Mitglied der Konzernleitung bei Novartis (2006–2010). Thomas Wellauer besitzt einen Doktortitel in Chemieingenieurwissenschaften der ETH Zürich und einen Abschluss in Wirtschaftswissenschaften der Universität Zürich.
Herr Wellauer, wie schwierig ist es heute für Unternehmen, profitabel zu wirtschaften?
Unternehmen brauchen ein Höchstmass an Planungssicherheit, um Risiken zu minimieren und profitabel zu wirtschaften. Die politische und rechtliche Sicherheit ist dafür ein wichtiger Faktor. Aktuell ist diese vielerorts aber nicht mehr in dem Masse gegeben, wie noch vor Kurzem. Das Risiko für staatliche Eingriffe in Bereiche, die bisher den Märkten überlassen waren, hat sich deutlich erhöht. Zudem hat sich die wirtschaftliche Lage für viele Unternehmen durch die Covid-19-Krise dramatisch verschärft.
Können Sie uns Beispiele für den von Ihnen erwähnten Sicherheitsverlust nennen?
Momentan ist der Übergang von einer mono- zu einer multipolaren Weltordnung beobachtbar. China fordert die bisher dominierenden USA heraus und versucht, die führende politische, militärische und wirtschaftliche Macht zu werden – weit über Asien hinaus. Gleichzeitig möchte Russland zu seiner früheren Grösse und Bedeutung zurückkehren und scheut sich nicht, militärische Mittel einzusetzen.
Entsprechend sehen die USA – und Europa in deren Kielwasser – ihre führende Position und ihren Wohlstand gefährdet, sind es aber nicht mehr gewohnt, herausgefordert zu werden. All dies führt zu Verunsicherung und Verwerfungen, die auch unsere Wirtschaft belasten.
SIX ist ein echter Wettbewerbsvorteil für den Schweizer Finanzplatz.
Was heisst das für die Schweiz?
Der Konkurrenzkampf unter den Volkswirtschaften nimmt immer mehr zu. Alle Akteure versuchen, ihre Vormachtstellung zu sichern. Entsprechend tendieren verschiedene Märkte dazu, sich abzuschotten. In diesem Spannungsfeld ist eine gut geführte Aussen- und Handelspolitik für die Wirtschaftskraft unseres Landes zentral – zugunsten offener Märkte. Wir konnten dies eindrücklich bei der Diskussion um die Börsenäquivalenz sehen.
Wenn wir von den Börsen sprechen, jüngst hat SIX die spanische Börsen- und Finanzmarktinfrastruktur- Gruppe BME übernommen. Was waren die Gründe?
Die Börsen- und Finanzmarktinfrastruktur-Branche konsolidiert sich seit 20 Jahren. Zum einen gibt es Akteure, die sich auf das traditionelle Handelsgeschäft konzentrieren. Diese streben ein zentralisiertes Modell an und fokussieren sich auf Kostensynergien, indem sie verschiedene Plattformen zusammenlegen.
Zum anderen gibt es Akteure, die sich strategisch an einer Expansion und Diversifizierung entlang der Wertschöpfungskette und der Anlageklassen ausrichten. Mit der Übernahme von BME hat SIX einen weiteren Schritt in diese Richtung gemacht. BME bringt Grössenvorteile in allen Teilen unseres Wertschriftengeschäfts. Nach der Übernahme ist SIX nun die Nummer drei der europäischen Börsen und Finanzmarktinfrastruktur-Branche.
Welche Schwerpunkte setzen Sie als neuer Verwaltungsratspräsident von SIX?
SIX leistet einen substanziellen Beitrag für einen effizienten und transparenten Finanzplatz und bildet damit die Grundlage für eine florierende Wirtschaft. Die Börse ist quasi der Transmissionsriemen zwischen der Real- und der Finanzwirtschaft. Unser diversifiziertes Geschäftsmodell mit Handel, Nachhandel sowie Daten- und Bankdienstleistungen unter einem Dach hat sich auch in schwierigen Zeiten wie der Covid-19-Krise als sehr widerstandsfähig erwiesen.
Ich glaube, SIX ist ein echter Wettbewerbsvorteil für den Schweizer Finanzplatz. Diesen wollen wir noch deutlicher herausstreichen, indem wir auch in Zukunft die Wettbewerbsfähigkeit unserer Kunden stärken. In Zeiten des Wandels ist es besonders wichtig, die Markteffizienz und -stabilität zu sichern, früh in neue Technologien zu investieren, die Geschäftsmodelle laufend anzupassen – und selbstverständlich profitables Wachstum anzustreben.
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