Bargeld bleibt aber weiterhin verbreitet und populär – in welchem Ausmass werden die Ergebnisse der derzeit durchgeführten Zahlungsmittelumfrage zeigen.
Starke Schwankungen beim Bargeldumlauf in Krisenzeiten
Über die vergangenen 100 Jahre nahm der Bargeldumlauf zwar kontinuierlich zu. Die Wachstumsraten variierten über die Zeit aber beträchtlich, da der Bargeldumlauf von verschiedenen Faktoren getrieben wird. Einerseits wächst er mit dem Wirtschaftswachstum. Andererseits erhöht sich die Bargeldnachfrage in Phasen tiefer Zinsen, da sich die Opportunitätskosten der Bargeldhaltung reduzieren. Darüber hinaus kann eine Stärkung des Frankens die Nachfrage nach Schweizer Bargeld erhöhen. Dämpfend wirkt hingegen die Verbreitung neuer Zahlungstechnologien. Speziell in Krisenzeiten bzw. Phasen grosser Unsicherheit steigt der Bargeldumlauf jeweils stark an. So wurden bei der Verschärfung der Finanzkrise 2008 und während der Staatschuldenkrise 2011–2012 sehr hohe Wachstumsraten verzeichnet (siehe Grafik 1). In Krisenzeiten kann der Bargeldumlauf nicht nur über die klassischen Faktoren, sondern auch durch die Flucht in sichere Anlagen bzw. eine vorsorgliche Bargeldhaltung von Konsumenten und Unternehmen beeinflusst werden.
Anstieg des Bargeldumlaufs seit September 2019
Nach einer Phase tiefer Wachstumsraten begann der Bargeldumlauf mit der Aussicht auf längerfristig tiefe Zinssätze und mit dem Erstarken des Frankens seit September 2019 wieder anzusteigen (siehe Grafik 1). Nach Ankündigung der ausserordentlichen Lage gemäss Epidemiengesetz durch den Bundesrat im März 2020 nahmen die Wachstumsraten weiter zu. Während die grossen Notenstückelungen stärker nachgefragt wurden, liess sich ein Nachfragerückgang bei kleineren Stückelungen und Münzen feststellen.
Beim Münzumlauf wurden gar die tiefsten Wachstumsraten seit 2002 verzeichnet. Dies dürfte unter anderem darauf zurückzuführen sein, dass insbesondere kleine Notenstückelungen und Münzen überproportional oft in der Gastronomie eingesetzt werden. Ausserdem dürften auch Hygienebedenken zur Reduktion der Bargeldnutzung geführt haben. Ob Bargeld beim Coronavirus als möglicher Ansteckungsträger eine Rolle spielt, kann allerdings bis heute nicht nachgewiesen werden.
Zeitweise starker Rückgang der Bancomatbezüge
Nach Bekanntgabe der ausserordentlichen Lage gingen auch Transaktionen mit Zahlungskarten – also Bargeldbezüge und Kartenzahlungen – stark zurück. So halbierten sich im Vergleich zu den Vormonaten die täglichen Bancomatbezüge während der Schliessung vieler Läden, Märkte, Restaurants, Bars sowie Unterhaltungsund Freizeitbetriebe. Mit den Lockerungen Ende Mai erholten sich diese wieder und lagen Ende Juni nur noch leicht unter dem Niveau von Anfang Jahr (siehe Grafik 2). Der durchschnittlich bezogene Bargeldbetrag stieg während der Krise zeitweise um fast die Hälfte an. Dies dürfte einerseits darauf zurückzuführen sein, dass Konsumenten aufgrund der tieferen Mobilität weniger häufig, dafür jeweils einen höheren Bargeldbetrag bezogen. Andererseits deutet der Anstieg auf ein stärkeres Bedürfnis nach einer Reserve in Form von Bargeld hin. Seit Anfang Juni hat sich dieser Durchschnittsbetrag weitestgehend wieder normalisiert. Auch die Verwendung von unbaren Zahlungsmitteln reduzierte sich krisenbedingt, erhöhte sich aber seit den Lockerungsmassnahmen gar über das Vorkrisenniveau. Kartenzahlungen erholen sich demnach schneller als Bargeldbezüge.
Bargeld weiterhin verbreitet und populär
In der Schweiz ist Bargeld weiterhin verbreitet und populär, was sich nicht zuletzt in der Entwicklung des Bargeldumlaufs sowie der Bargeldbezüge zeigt und auch durch die Ergebnisse der letzten Zahlungsmittelumfrage bestätigt wurde. Trotz der Verbreitung alternativer Bezahlformen ist Bargeld als Zahlungsmittel keineswegs verdrängt worden. Sowohl Bargeld als auch Buchgeld haben im Zahlungsverkehr eine wichtige volkswirtschaftliche Funktion. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) bezieht keine Position für das eine oder andere Zahlungsmittel. Sie hat vielmehr im Rahmen ihres Mandats sowohl die Bargeldversorgung sicherzustellen als auch das Funktionieren bargeldloser Zahlungssysteme zu erleichtern und zu sichern. Massgebend für die SNB sind daher die Zahlungsgewohnheiten der Bevölkerung und der Wirtschaft. Die langfristigen Auswirkungen der Coronakrise auf das Zahlungsverhalten in der Schweiz können noch nicht abgeschätzt werden. Die derzeit im Auftrag der SNB durchgeführte Zahlungsmittelumfrage wird jedoch wichtige Hinweise dazu liefern.
Team Marktanalyse Bereich Bargeld, Schweizerische Nationalbank
Opportunitätskosten
Opportunitätskosten entsprechen dem entgangenen Nutzen, der sich aus einer Handlungsalternative ergeben würde und durch die gewählte Alternative nicht realisiert werden kann. Beispielsweise kann Geld auf verschiedene Arten gehalten bzw. investiert werden. Das Halten von Bargeld wirft im Gegensatz zu alternativen Instrumenten keinen Zins ab. Dadurch wird auf den Ertrag einer alternativen Anlage verzichtet – es entstehen Opportunitätskosten. Die Höhe der Opportunitätskosten entspricht je nach Anlagehorizont den entgangenen Zinsen auf Sparkonten oder Staatsanleihen. Je tiefer also das allgemeine Zinsniveau und die Verzinsung der Alternativen, desto tiefer sind entsprechend die Opportunitätskosten der Bargeldhaltung.
Mehr zur Zahlungsmittelumfrage 2020 der SNB.
Dieser Artikel ist ein Auszug aus dem Magazin clearit, der Schweizer Fachzeitschrift für den Zahlungsverkehr. Abonnieren Sie das kostenlose Magazin und verpassen Sie in Zukunft keine Ausgabe mehr.
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