Heute ist viel die Rede von künstlicher Intelligenz. Was ist künstliche Intelligenz? Wie würden Sie sie definieren?
Künstliche Intelligenz (KI) hat ihre Anfänge in den Fünfzigerjahren und war lange Zeit in erster Linie Gegenstand wissenschaftlicher und industrieller Forschungsprojekte. Vor allem das menschliche Gehirn und relevante kognitive Funktionen lieferten die Inspiration dazu. Damals basierten die wichtigsten KI-Ansätze auf Logik und Computerprogrammen. KI, die aus Daten lernt, entwickelte sich langsamer und hatte ihren Durchbruch erst, als erheblich mehr Speicher- und Rechenressourcen verfügbar wurden und auch die Datenmengen enorm wuchsen.
Vereinfacht gesagt handelt es sich bei KI um den Versuch, Computern beizubringen, aus Beispielen zu lernen, ihre Aktionen entsprechend anzupassen und menschliche Aufgaben auszuführen. Maschinelles Lernen (ML) ist ein Teilbereich der KI. Hier lernen Computer ohne explizite Programmierung mithilfe von Algorithmen aus Daten.
Terrence Sejnowski schrieb in seinem Buch «Deep Learning Revolution»: «Daten sind das neue Öl. Lernalgorithmen sind Raffinerien, die Informationen aus Rohdaten extrahieren; mit Informationen kann Wissen geschaffen werden; Wissen bringt Verstehen; und Verstehen führt zu Weisheit.» Aber von Rohdaten bis zu einem «weisen» Computer ist es ein langer Weg, und wir stehen gerade erst am Anfang. Die Fortschritte auf diesem Gebiet sind jedoch ebenso faszinierend wie die Möglichkeiten, von ihnen zu profitieren.
Was ist Betrugserkennung? Wie funktioniert sie?
Betrugserkennung ist ein Prozess, mit dem Anomalien in Daten festgestellt und damit nicht autorisierte Finanzaktivitäten (also nicht genehmigte Zahlungstransaktionen) verhindert werden sollen.
Die Anomalien werden für gewöhnlich durch Anwendung regelbasierter Modelle erkannt (z. B. eine bestimmte Anzahl Transaktionen innerhalb einer bestimmten Zeit, über einen bestimmten Betrag, in einer bestimmten Handelskategorie, oder Swipe-Transaktionen aus bestimmten Ländern). In den letzten Jahren sind ML-Modelle zunehmend interessanter geworden, weil sie aus historischen Betrugsmustern (beispielsweise aus dem Gesamtbetrag in den letzten 24 Stunden, kombiniert mit der Gesamtzahl an Transaktionen) lernen und diese künftig erkennen können.
Generell durchläuft jede Zahlung mit einer Debitkarte zu ihrer Legitimierung den Betrugserkennungsprozess. Dabei wird sie nach bestimmten Regeln und unter Umständen auch anhand eines ML-Modells überprüft.
Welche wesentlichen Herausforderungen gibt es bei der Betrugserkennung? Wie hilft maschinelles Lernen bei deren Bewältigung?
Durch das rasche Wachstum der E-Commerce-Märkte sind auch die Betrugsmaschen ausgefeilter und dynamischer geworden. Die Optimierung und Pflege regelbasierter Modelle wird nicht nur komplexer, sondern auch zeitaufwendiger. Und genau hier kann maschinelles Lernen helfen. Es trägt dazu bei, den manuellen Arbeitsaufwand zu verringern, weil es eigenständig neue Muster lernt und den Entscheidungsprozess anhand von menschlichem Feedback zu betrügerischem bzw. nicht betrügerischem Verhalten entsprechend anpasst.
Ein weiterer Vorteil liegt in der so genannten kollektiven Intelligenz. Die zunehmende Reife von Technologien zur Wahrung der Privatsphäre, also die Möglichkeit, Informationen zu teilen, ohne die Daten an sich weiterzugeben, wird nach meiner Meinung die Bereitschaft von Akteuren wie Banken, Zahlungsdienstleistern und anderen erhöhen, das Netzwerk der kollektiven Intelligenz durch ihre Beiträge zu erweitern. Dieses Konzept wird es erlauben, ML-Modelle mit grösseren Datenmengen zu trainieren und damit das Betrugspräventionsverhalten zu verbessern.
Welche Methoden kommen auf diesem Gebiet hauptsächlich zum Einsatz?
Die regelbasierte Betrugserkennung ist nach wie vor die gebräuchlichste Praxis. Mit dem Aufstieg der KI in den letzten zehn Jahren treten aber auch ML-basierte Lösungen allmählich mehr in den Vordergrund. Die eingesetzten Methoden reichen von Entscheidungsbaum-Algorithmen bis hin zu Deep Learning. Darüber hinaus gibt es immer mehr Lösungen, die anhand von unüberwachtem Lernen neue Betrugsmuster erkennen. Die Einspeisung von neuen gelabelten Daten – das Ergebnis von unüberwachtem Lernen – in Classifier erweitert die Möglichkeit, auf unbekannte Betrugsmuster zu reagieren, zusätzlich
Maschinelles Lernen wird gerne als «Black Box» bezeichnet, weil der Entscheidungsprozess schwer nachvollziehbar ist. Wie denken Sie darüber?
Ja, maschinelles Lernen ist nicht immer selbsterklärend oder geradlinig. Wissensförderung ist für mich daher unabdingbar, um nicht nur die Akzeptanz, sondern auch das Vertrauen in den Einsatz solcher Systeme zu erhöhen. Nutzer müssen über die wichtigsten Prinzipien des maschinellen Lernens, seine Vorteile und seine Grenzen aufgeklärt werden. Darüber hinaus muss der Entscheidungsprozess eines Modells für maschinelles Lernen verständlich sein. Das ist fast ebenso wichtig wie die Genauigkeit dieser Modelle. Erklärbare KI ist ein neues Konzept, das die Entscheidungsfindung auf Basis von maschinellem Lernen transparent und nachvollziehbar machen soll.
Maschinelles Lernen bezeichnet den Einsatz und die Entwicklung von Computersystemen, die ohne explizite Anweisungen lern- und anpassungsfähig sind. Dabei verwenden sie Algorithmen und statistische Modelle für die Analyse von Datenmustern und die Ableitung von Schlussfolgerungen. [Quelle]
Maschinelles Lernen umfasst zwei zentrale Elemente: überwachtes und unüberwachtes Lernen. Beim überwachten Lernen trainieren wir Modelle anhand gelabelter Daten (z. B. «Betrug»/«kein Betrug») und klassifizieren mithilfe dieser Modelle künftige Ereignisse. Beim unüberwachten Lernen geht es darum, Daten-Cluster mit ähnlichen Eigenschaften zu erkennen. Diese Methoden kommen zum Einsatz, wenn keine gelabelten Daten verfügbar sind.
Deep Learning ist eine Kategorie des maschinellen Lernens. Hier werden mehrere Schichten im Netzwerk – dem Lernprozess – genutzt, um aus dem rohen Input sukzessive detailliertere Informationen herauszufiltern. [Quelle]
Julinda Gllavata
Julinda Gllavata arbeitet seit über sieben Jahren für SIX. In ihrer aktuellen Rolle leitet sie das Data Science Team des Bereichs Banking Services. Bevor sie zu SIX kam, war sie für verschiedene internationale Unternehmen wie Accenture, Bosch und OMRON tätig.
Im Rahmen ihrer Ausbildung kam sie für ihre Promotion von Albanien nach Deutschland. In ihrer Dissertation befasste sie sich schwerpunktmässig mit der Anwendung von maschinellen Lernverfahren in der Bildbearbeitung und Mustererkennung.