4 Trends, die sich auf Börsen auswirken – und 5 Bausteine, auf die sie ihre Strategie für die Zukunft stützen müssen

4 Trends, die sich auf Börsen auswirken – und 5 Bausteine, auf die sie ihre Strategie für die Zukunft stützen müssen

In diesem Blog Post wirft Peter T. Golder, Global Head of Commercial bei SIX Digital Exchange, einen Blick auf die Trends rund um digitale Vermögenswerte und Kryptowährungen, die die Zukunft der Börsen prägen werden.

In der Welt der Börsen gibt es zwei potenzielle Treiber für weitreichende Veränderungen: das Aufkommen von digitalen Vermögenswerte, und Kryptowährungen. Die institutionelle Nachfrage nach Kryptowährungen steigt stetig an. Bitcoin beispielsweise verzeichnet seit 2018 eine massive jährliche Wachstumsrate von 313 %, wobei die Zahl der weltweiten Nutzer von Kryptowährungs-Wallets von 6 Millionen im Jahr 2016 auf über 64 Millionen im Jahr 2021 gestiegen ist [Quelle: WEF, Statista, Bain, BIZ und YouGov]. Bis 2027 sollen ca. 24 Billionen US-Dollar an Vermögenswerten tokenisiert worden sein. Im Vergleich zu 1,3 % im Jahr 2021, sollen dann 10 % des globalen BIP auf Infrastrukturen gespeichert und/oder abgewickelt werden, die auf der Distributed-Ledger-Technologie (DLT) basieren.

Die erfolgreiche Entwicklung und das Wachstum von Märkten für digitale Vermögenswerte stehen vor einem klassischen «Cold Start Problem». Wie führen wir gleichzeitig digitale Vermögenswerte, Liquidität und eine dedizierte digitale Marktinfrastruktur (DMI) ein, wenn diese alle voneinander abhängig sind?

Trends mit Auswirkungen auf die Börsen

Die Entwicklung und Richtung von vier Schlüsseltrends im Zusammenhang mit digitalen Vermögenswerte und Kryptowährungen werden mit grosser Wahrscheinlichkeit die Zukunft  traditioneller Börsen bestimmen, und zur Evolution der digitalen Märkte und DMI führen:

  1. Verlagerung auf den plattformbasierten Handel mit digitalen Vermögenswerten und Kryptowährungen
    Es gibt zwei Schritte bei der Erstellung von digitalen Vermögenswerten: Verbriefung und Tokenisierung. Der Prozess der Verbriefung unterscheidet sich je nach Art des Vermögenswerts. Verschiedene Länder haben zudem unterschiedliche regulatorische Rahmenbedingungen für die Ausgabe von Wertpapieren und die Tokenisierung. Das wirkt sich ebenfalls auf den Prozess aus. Einige Rechtsordnungen erlauben es, vollständig digitale Wertpapiere zu emittieren. Andere anerkennen diese nicht und verlangen die Ausgabe eines traditionellen papierbasierten Wertpapiers. Dieses kann dann tokenisiert werden. Die Tokenisierung ist zwar in erster Linie ein technischer Prozess, dennoch müssen auch konzeptionelle Entscheidungen getroffen werden. Diese können die Entwicklung eines DMI erheblich beeinflussen, zum Beispiel bezüglich Interoperabilität oder Standards.

    Die resultierenden digitalen Vermögenswerte können auf öffentlichen oder privaten Märkten gehandelt werden, wobei jeweils unterschiedliche Aspekte – Regulierung, Liquidität, einfacher Zugang – zu berücksichtigen sind. Der Schlüssel liegt in jedem Fall darin, eine Migration der Transaktionen vom plattformunabhängigen Handel zum plattformbasierten Handel zu gewährleisten. Das erlaubt letztlich den Austausch von Werten und Transaktionen auf eine effizientere und transparentere Weise, wirtschaftlich optimal. Es gilt die Vorteile einer Governance-Struktur zu nutzen, die die Akzeptanz digitaler Vermögenswerte fördert.

  2. Governance und die optimale Organisation von Transaktionen
    Der Transaktionskostenansatz von Ronald Coase, der in seinem bahnbrechenden Werk «The Nature of the Firm» von 1937 eingeführt wurde, beeinflusste die Entwicklung der modernen Organisationsökonomie. Die Rolle der Börse als kosteneffizientes Mittel für Transaktionen und den Transfer von finanziellen Werten zwischen Unternehmen lässt sich zum Teil durch Coases Arbeit erklären. Änderungen der bestehenden Governance- und Transaktionskostenstrukturen, so sagt das Modell voraus, werden sich voraussichtlich auf die Art auswirken, wie die Wirtschaftsakteure – in diesem Fall die Finanzmarktteilnehmer – den Austausch von Werten strukturieren und organisieren.

    Die Einführung digitaler Vermögenswerte erlaubt es, mittels Smart Contracts, Ereignisse innerhalb des digitalen Vermögenswerts selbst zu automatisieren. Dazu gehören Ereignisse, die während des gesamten Lebenszyklus eines Wertpapiers auftreten können, wie zum Beispiel Compliance-Überwachung, regulatorische Berichterstattung, Collateral- und Margenmanagement sowie Corporate Actions. Digitale Vermögenswerte bieten nicht nur enorme Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung und Kostensenkung, sondern ermöglichen es auch, die verschiedensten Arten von Werten zu tokenisieren und liquide Märkte zu schaffen für Vermögenswerte, die bis anhin illiquide waren.

  3. Dezentralisierung und Modularisierung
    Kryptowährungen wie Bitcoin und Ethereum und das Aufkommen dezentraler Finanzarchitekturen (DeFi) sowie Anwendungen, die auf DLT aufbauen, sind auch Vorboten eines Mainstream-Trends: dem Trend zur Dezentralisierung des Webs in Form von Web 3.0 und dem Internet der Werte. Im Kern geht es bei DeFi um eine andere Art der Organisation von Transaktionen durch die Einführung von automatisierten und dezentralen Börsen und Market Makern. Die derzeitige Welt der Finanzmarktinfrastruktur ist um eine begrenzte Anzahl von etablierten Anbietern herum gebaut, die ihre Position im Laufe der Zeit gefestigt haben. Es ist nicht schwer, sich eine Zukunft vorzustellen, in der deren Rolle durch vertrauenswürdige DeFi-Systeme ersetzt wird. Das soll jedoch nicht heissen, dass es in dieser Zukunft keine Rolle für das traditionelle, «zentralisierte» Finanzwesen – oder CeFi –geben wird. 

  4. Regulierung – am Ball bleiben
    Die Regulierungsbehörden auf der ganzen Welt bemühen sich, die potenziellen Auswirkungen neuer Formen digitaler Vermögenswerte und neuer Arten von Handelsplätzen zu verstehen, insbesondere solcher, die auf einer DeFi-Infrastruktur und -Prinzipien aufbauen. So sind die Regulierungsbehörden beispielsweise vorsichtig gegenüber vollständig dezentralen Systemen, bei denen es keinen Marktbetreiber gibt, der zur Rechenschaft gezogen werden kann. Um Willkür zu vermeiden, besteht Bedarf an globaler Koordination bei der Regulierung von DLT, Smart Contracts, dezentralen Anwendungen und Organisation.
     

Die Märkte der Zukunft aufbauen

Wir behaupten nicht, eine Kristallkugel zu besitzen – die oben identifizierten Trends sind Wegbereiter für die Zukunft, nicht Vorhersagen. Das Bewusstsein für diese Trends kann versierte Betreiber jedoch in die Lage versetzen, Chancen rechtzeitig zu erkennen, effektiv zu nutzen und zu monetarisieren. Um die Erfolgswahrscheinlichkeit in der schönen neuen Welt der digitalen Vermögenswerte und Märkte zu maximieren, müssen Unternehmen ihre Strategien auf fünf Bausteine stützen:

  1. Identifizieren Sie ein diversifiziertes Portfolio aus strategischen Optionen, die eine gute Abdeckung zukünftiger Eventualitäten und Ergebnisse bieten.
  2. Verfolgen Sie einen Ansatz, der in der Lage ist, das «Cold Start Problem» zu lösen.
  3. Stellen Sie ein Team zusammen, das über den richtigen Hintergrund, die richtigen Fähigkeiten sowie Fertigkeiten verfügt, um den Erfolg des Unterfangens zu maximieren.
  4. Etablieren Sie eine Unternehmenskultur und Denkweise, die mit Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit umgehen kann. 
  5. Stellen Sie sicher, dass die Anreize auf allen Ebenen des Unternehmens und des Ökosystems auf die gewünschten Ergebnisse abgestimmt sind. 

Ein grosser Wandel ist im Gange, und wie bei jedem Paradigmenwechsel wird es Zeit brauchen, bis sich die Dinge fügen. Die Hauptmerkmale dieses neuen Paradigmas sind die Geschwindigkeit des Wandels, die Volatilität, die Unsicherheit, die Komplexität und die Mehrdeutigkeit, mit denen die Märkte konfrontiert sind. Es ist keine Zeit für Selbstzufriedenheit; für die Börsen und Marktteilnehmer, die mutig und vorausschauend agieren, besteht die Chance, die Zukunft zu gestalten und am nächsten Kapitel in der Geschichte der globalen Kapitalmärkte mitzuschreiben.