Beim diesjährigen Post Trade Forum in London, das sein neuntes Jubiläum beging, diskutierten Branchenführer die Auswirkungen geopolitischer Instabilität auf Abläufe und Risiken im Post trade. Im Fokus standen zudem die strategische Neujustierung in Richtung T+1-Abwicklung , die Perspektive eines 24/5/7-Handels sowie die fortschreitende Digitalisierung
Eine Strategie zur Unterstützung des Wandels entwickeln
Da sich das Veränderungstempo weiter beschleunigt, müssen Post trade-Anbieter rasch und entschlossen agieren, um den vielfältigen Bedürfnissen ihrer Kunden gerecht zu werden.
„Von Automatisierung über digitale Assets bis hin zur Umstellung auf T+1 – der Wandel beschleunigt sich entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Das ist unsere Chance, die Funktionsweise des Post-Tradings neu zu definieren – indem wir es einfacher, intelligenter machen und die Anbindung an unsere Kunden verbessern. Bei SIX ist das Post-Trading eines unserer Kernkompetenzfelder – und 2025 war ein Jahr bedeutender Transformation in unserem Geschäftsbereich Securities Services“, kommentierte Bjørn Sibbern, CEO von SIX.
Dies wurde von Rafael Moral Santiago, Head Securities Services, SIX, bestätigt: „Unsere Vision für 2030 ist es, Securities Services zu einem paneuropäischen Anbieter integrierter und digitaler Post trade-Lösungen zu transformieren.“
Er führte aus: „‚Paneuropäisch‘ bedeutet skalierte Plattformen und erweiterte, qualitativ hochwertige Dienstleistungen in ganz Europa. ‚Integriert‘ steht für unsere konsolidierte Infrastruktur und unser effizientes Betriebsmodell. ‚Digital‘ signalisiert unser Engagement, DLT in unsere Kerninfrastrukturen einzubetten und unsere Digital-Asset-Fähigkeiten zu skalieren. ‚Lösung‘ unterstreicht unseren Wandel von reiner Kerninfrastruktur hin zu innovativen, kundenorientierten Post trade-Lösungen. Diese Vision versetzt uns in die Lage, unseren Kunden einen höheren Mehrwert zu liefern und den Wandel der Branche voranzutreiben.“
Zur Unterstreichung dieses Engagements – und zeitgleich mit dem Post Trade Forum – gab SIX bekannt, dass SIX x-clear und BME Clearing in eine einzige CCP, integriert werden. Damit werden die umfangreichen Multi-Asset-Klassen-Fähigkeiten von BME Clearing mit dem interoperablen paneuropäischen Cash-Equity-Modell von SIX x-clear zusammengeführt.
„Die Konsolidierung der Clearing-Plattformen ermöglicht es uns, Prozesse zu verschlanken, Komplexität zu reduzieren und eine Grundlage für zukünftiges Wachstum zu schaffen. Sie verschafft uns zudem eine grössere europäische Reichweite und stärkt unsere Resilienz, da wir künftig an drei Standorten tätig sein werden – Madrid, Zürich und Oslo. Da unser Hauptsitz in Spanien angesiedelt sein wird und wir unter einer EU-Lizenz operieren, erhält SIX Zugang zu europäischen Infrastrukturen wie Target2Securities (T2S), T2 und Zentralbankgeld der Europäischen Zentralbank (EZB), zu denen wir derzeit keinen Zugang haben“, kommentierte Laura Bayley, Head Governance & Industry Relations Clearing, SIX.
Das Projekt steht unter dem Vorbehalt der erforderlichen regulatorischen Genehmigungen.
Diese Konsolidierung erfolgt nicht lange nach der Integration der SIX Digital Exchange (SDX) in das Post trade-Geschäft von SIX. „Indem wir digitale Kompetenzen in unsere traditionelle Infrastruktur integrieren, schaffen wir für unsere Kunden ein nahtloses Erlebnis nach dem Prinzip ‚one plug, two worlds‘“, sagte Marco Kessler, Head Product & Business Development, Digital Assets, SIX.
Angestossen durch neue Risiken und Technologien sowie Reformen im Post trade-Bereich erlebt die Branche derzeit einen tiefgreifenden Wandel. Um diese Veränderungen reibungslos zu bewältigen, müssen Institute mit Anbietern zusammenarbeiten, die ihre Produktangebote kontinuierlich weiterentwickeln und verbessern.
Ein Schritt näher zu T+1
T+1 in Europa steht bevor.
Nordamerika hat den kürzeren Abwicklungszyklus bereits eingeführt, während Europa (EU, Schweiz und Vereinigtes Königreich) T+1 zum 11. Oktober 2027 einführen soll – ein Schritt, der der gesamten Branche vielfältige Vorteile in Bezug auf Sicherheiten und Liquidität bringen wird.
Obwohl der Übergang zu T+1 in Nordamerika relativ reibungslos verlief und die Branche viele wertvolle Erkenntnisse daraus ziehen konnte, erklärte Francisco Béjar, Co-Head Custody, SIX, dass die Umsetzung in Europa deutlich schwieriger sein wird.
Nicht nur werden 30 verschiedene Länder gleichzeitig auf T+1 umstellen, auch die Regulierung in Europa ist fragmentiert, das Ökosystem der Finanzmarktinfrastrukturen (FMI) stark gesättigt, und es existieren mehrere Währungen.
„T+1 ist, als würde man dasselbe Lied doppelt so schnell spielen, wobei jeder ein anderes Instrument mit eigenen Techniken und Fähigkeiten spielt. Die Herausforderung in Europa besteht darin, dass wir alle dieses Lied doppelt so schnell spielen müssen – und das ohne vorherige Generalprobe. Wir haben nur noch 22 Monate bis zur Einführung von T+1 in Europa, und es wird die gesamte Wertschöpfungskette von Investoren und Intermediären betreffen – vom Handel bis hin zu Clearing und Settlement“, sagte Béjar.
Regulierungsbehörden und die verschiedenen T+1-Arbeitsgruppen der Branche leisten ihren gemeinsamen Beitrag, um sicherzustellen, dass die Marktteilnehmenden ausreichend auf die Veränderungen vorbereitet sind. Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) sowie das EU-T+1-Industriekomitee, der Swiss Securities Post trade Council (Swiss SPTC) und die Accelerated Settlement Taskforce des Vereinigten Königreichs haben umfassende Leitlinien zu T+1 veröffentlicht, ebenso wie führende FMIs.
Béjar merkte an, dass die Branchenarbeitsgruppen zwar die Partitur für die T+1-Compliance geschrieben hätten, es jedoch in der Verantwortung der FMIs liege, das Orchester zu dirigieren und sicherzustellen, dass die Marktteilnehmenden beim Start der verkürzten Abwicklungsfristen im richtigen Takt spielen.
Die Realität ist, dass der Übergang zu T+1 nur dann reibungslos verlaufen wird, wenn die gesamte Wertschöpfungskette auf Automatisierung setzt. Ein Verwahrer berichtete, dass er derzeit Kunden und Gegenparteien über die Bedeutung der Einführung von Straight-Through-Processing (STP), verbessertem Vormatchings und der Standardisierung von Standing Settlement Instructions (SSIs) im Vorfeld von T+1 aufklärt.
Derzeit machen T+1-Anweisungen 35 % der grenzüberschreitenden Nachrichten im Swift-Netzwerk aus; Swift geht jedoch davon aus, dass dieser Anteil bis 2030 auf 70 % steigen wird.[1]
Vorausgesetzt, die Branche meistert T+1 erfolgreich, sehen Expertinnen und Experten auf dem Post Trade Forum als nächste Schritte die etappenweise Einführung von T+0 und anschliessend der atomaren, also unmittelbaren Abwicklung.
Nicht alle sind von der atomaren Abwicklung überzeugt. Zwar würde sie das Abwicklungsrisiko nahezu eliminieren, doch ein Redner wies darauf hin, dass dabei die Nettingvorteile der zentralen Gegenparteien (CCPs) ausser Acht gelassen würden. „In den USA werden 98 % der Transaktionen über eine CCP genettet. Der Tag mit dem höchsten Volumen lag bei 5,8 Billionen US-Dollar. Ich würde gerne wissen, wie man 5,8 Billionen US-Dollar finanzieren soll, um an einem einzigen Tag atomar abzuwickeln“, betonte ein Experte.
24/5/7-Handel – Fakten von Fiktion trennen
Getrieben durch die zunehmende Beteiligung von Privatanlegern an den Aktienmärkten prüfen mehrere führende Börsen die Einführung eines 24/5/7-Handels.
In den USA erwägen die New York Stock Exchange, Nasdaq und CBOE eine Ausweitung ihrer Handelszeiten, ebenso wie die London Stock Exchange Group. Laut einer Studie der Depository Trust & Clearing Corporation (DTCC) erwarten die meisten Kunden, dass bis 2028 zwischen 1 % und 10 % des gesamten Handelsvolumens in nächtliche Handelssitzungen verlagert werden. [2] Dies zwingt US-Post trade-Anbieter zum Handeln. Ein Redner sagte, die National Securities Clearing Corporation (NSCC) werde ab Juni 2026 – analog zu den US-Börsen – von Sonntag 20:00 Uhr ET bis Freitag 20:00 Uhr ET im 24/5-Modus operieren, wobei die Geschäfte weiterhin auf T+1 abgewickelt würden.
Während verlängerte Handelsfenster die Handelsaktivität von Privatanlegern erhöhen – etwa durch After-Hours-Trading oder die Möglichkeit für Anleger in Asien, nachts US-Aktien zu handeln – und eine kontinuierliche Preisfindung ermöglichen, können sie auch Herausforderungen für Investoren und Post trade-Anbieter mit sich bringen.
Dies, weil Märkte ausserhalb der üblichen Handelszeiten – insbesondere nachts – tendenziell weniger liquide sind. Das bedeutet für Investoren grössere Geld-Brief-Spannen, höhere Volatilität und steigende Transaktionskosten.[3] Ein Redner erklärte, die meisten institutionellen Investoren wollten liquide Assets zu Zeiten geringer Liquidität überhaupt nicht handeln, da dies die Performance belasten könne. Auf der Post trade-Seite müssten Anbieter in einem 24/5/7-Handelsumfeld rund um die Uhr operieren, was zusätzliche Kosten verursache. Zudem seien weitere Harmonisierung der Abwicklungszyklen, Volatilitäts-Schutzmechanismen und Corporate Actions erforderlich.[4]
Mehrere Rednerinnen und Redner erklärten auf dem Post Trade Forum, dass die europäische Branche – auch wenn die USA beim 24/5/7-Handel gute Fortschritte machen – ihre strategische Priorität vor allem auf die Vorbereitung auf T+1 legt.
Schnelles Vorankommen bei der Digitalisierung
Post trade-Anbieter integrieren zunehmend digitale Assets, Distributed-Ledger-Technologie (DLT) und Künstliche Intelligenz (KI) in ihre Arbeitsabläufe.
Vor allem durch regulatorische Änderungen in den USA – etwa den GENIUS Act oder die Abschaffung des SAB 121 der US-Börsenaufsicht SEC – gewinnt die Nachfrage der Investoren nach digitalen Assets wie Stablecoins an Dynamik.
Als Reaktion darauf beginnen Verwahrer, Verwahrlösungen für digitale Assets einzuführen, so die Redner.
Expertinnen und Experten auf dem Post Trade Forum stellten zudem fest, dass die durch DLT ermöglichte Tokenisierung von Vermögenswerten das Collateral Management grundlegend verändern dürfte. Dies vor dem Hintergrund, dass laut The Value Exchange 52 % der Unternehmen ab 2026 beabsichtigen, tokenisierte Assets (z.B. tokenisiertes Bargeld, Geldmarktfonds, G7-Staatsanleihen usw.) als Sicherheiten zu nutzen – über verschiedene Aktivitäten hinweg, darunter Repo-Handel, Besicherung von OTC-Derivaten, Wertpapierleihe und börsengehandelter Derivatehandel.[5]
Auch KI gewinnt im Post trade-Bereich zunehmend an Bedeutung. Ein Panelteilnehmer hob hervor, dass seine Organisation KI einsetzt, um Produktivitätsgewinne durch schnellere Datenanalysen und Zusammenfassungen zu erzielen. Zudem werde die Technologie genutzt, um Abwicklungsfehler vorherzusagen, Kunden-Onboardings zu vereinfachen und eine bessere Cash-Prognose zu unterstützen.
Post trade stellt sich der geopolitischen Herausforderung
Während der anhaltende Konflikt in der Ukraine und die Unberechenbarkeit der US-Handelszölle Druck auf die Post trade-Operationen ausüben, betonten die Redner, dass die Einhaltung internationaler Sanktionen mit Abstand die grösste Herausforderung der Branche darstellt.
Für Anbieter mit grosser globaler Präsenz sind Sanktionen ein akutes Geschäftsproblem. Experten stellten fest, dass die von den USA und der EU gegen Russland verhängten Sanktionen – ganz zu schweigen von russischen Gegensanktionen – nicht immer vollständig aufeinander abgestimmt sind. Dies führt zu Unsicherheiten darüber, welche Dienstleistungen Verwahrer ihren Kunden tatsächlich anbieten dürfen. Infolgedessen, so ein Redner, können die Komplexitäten der globalen Sanktions-Compliance häufig zu Transaktions- und Verarbeitungsverzögerungen führen.
Angesichts der schieren Menge und der idiosynkratischen Natur von Sanktionen sowie der Geschwindigkeit ihrer Einführung können sich Unternehmen nicht länger allein auf manuelle Prozesse verlassen, um Regelverstösse zu vermeiden. Ein automatisierter Ansatz für Sanktionsscreening und -Compliance ist eine absolute Voraussetzung.
Ausblick
Die Erkenntnisse des Post Trade Forums 2025 zeigen eine Post trade-Branche an einem Wendepunkt. Der Übergang zu T+1 in Europa wird die unmittelbare Priorität sein und eine stärkere Automatisierung, Standardisierung und Zusammenarbeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette vorantreiben. Gleichzeitig werden Konsolidierung und Digitalisierung – durch DLT, Tokenisierung und KI – die Post trade-Infrastrukturen neu gestalten und integriertere, resilientere und stärker kundenorientierte Lösungen ermöglichen. Während verlängerte Handelszeiten und kürzere Abwicklungszyklen langfristige Themen bleiben, wird die Fähigkeit, sich an regulatorische Komplexität, geopolitische Risiken und raschen technologischen Wandel anzupassen, darüber entscheiden, welche Anbieter in den kommenden Jahren erfolgreich sind.
SIX tritt in eine neue Phase der Transformation ein – mit einer klaren, kundenorientierten Strategie und einer starken End-to-End-Post trade-Aufstellung. Durch die Nutzung interoperabler Plattformen, einer Infrastruktur der nächsten Generation und integrierter DLT-Fähigkeiten will SIX die Komplexität reduzieren und die Marktentwicklung hin zu T+1, digitalen Assets und stärker automatisierten Abläufen unterstützen.
Mit Blick auf das Jahr 2030 positioniert sich SIX als paneuropäischer Anbieter integrierter und digitaler Post trade-Lösungen. Durch Plattformintegration, erweiterte Dienstleistungen und eine breitere europäische Präsenz ist SIX gut aufgestellt, um als bevorzugter Partner für Kunden zu agieren und die Zukunft der europäischen Post trade-Landschaft aktiv mitzugestalten.
[1] Swift- September 24, 2025 - T+1: One year on – a new chapter begins
[2] DTCC – The Shift to 24/5 trading: What it means for US equity markets
[3] BlackRock – Market Spotlight: 24 hour trading
[4] BlackRock – Market Spotlight: 24 hour trading
[5] The Value Exchange- The case for collateral tokenisation