Während der viertägigen Veranstaltung teilten Fachexpertinnen und -experten von SIX ihre einzigartigen Einblicke zu einer Reihe von Themen. Dazu zählten u.a. die Dynamik, die Europas Kapitalmärkte zurzeit prägt, der aktuelle Stand der T+1-Vorbereitungen der Branche, die zunehmende Bedeutung digitaler Vermögenswerte, die wachsende Präsenz von Künstlicher Intelligenz (KI) am Arbeitsplatz, der Einfluss der Digitalisierung auf Corporate Actions (Kapitalmassnahmen) und die neuesten Updates zum Swiss Secure Finance Network (SSFN), einem sicheren Netzwerk für Datenkommunikation, das von SIX und der Schweizerischen Nationalbank (SNB) etabliert wurde.
Den europäischen Kapitalmärkten wieder mehr Leben einhauchen
Börsengänge (IPOs) in Europa waren in den letzten 12–18 Monaten rar, aber es zeigen sich langsam erste Lichtblicke – zumindest in der Schweiz und Spanien.
In einem Gespräch auf SIBOS TV hob Bjørn Sibbern, CEO, SIX, hervor, dass SMG, das führende Netzwerk von Online-Marktplätzen in der Schweiz kürzlich sein Debüt an der SIX Swiss Exchange gegeben hat, in dem bis dahin grössten IPO des Jahres in Europa nach Transaktionsgrösse.
Dies folgt auf ein erfolgreiches Jahr 2024 für SIX: Der grösste europäische IPO im Jahr 2024 – das Kosmetikunternehmen Puig – fand in Spanien statt, während der zweitgrösste des Jahres – der Dermatologiespezialist Galderma – eine rein Schweizer Angelegenheit war, fügte er hinzu.
Es sind nicht nur Blue-Chip-Gesellschaften, die sich um eine Kotierung in der Schweiz und Spanien bemühen. «Wir haben eine starke IPO-Pipeline im Segment der Wachstums-Unternehmen, insbesondere in Spanien, wo wir ein sehr starkes Angebot für KMU und Wachstums-Unternehmen aufgebaut haben», bemerkte Sibbern.
So wie IPOs eine gewisse Renaissance erleben, gilt dies laut dem SIX Future of Finance 2025/6 Report auch für den Optimismus in den Chefetagen.
Der Report stellte fest, dass 69 % der Führungskräfte in führenden Finanzinstituten erwarten, dass sich das wirtschaftliche Umfeld für ihre Organisationen in den nächsten 12 Monaten verbessert – ein signifikanter Anstieg gegenüber 53 % im Jahr 2024. Während 99 % der Führungskräfte zustimmen, dass die erhöhte Marktunsicherheit ein langfristiges Merkmal der globalen Wirtschaft sein wird, sagten 58 % in der SIX-Studie, sie sähen darin eine Gelegenheit.
T+1 im Detail
T+1 in Europa war ein grosses Thema bei der SIBOS 2025.
Nachdem Nordamerika seine T+1-Umstellung abgeschlossen hat, steht nun Europa unter Druck. Die gute Nachricht ist laut Sibbern, dass Europa – namentlich die EU, das Vereinigte Königreich und die Schweiz – bei ihre Zeitplänen abgestimmt haben, mit einer Big-Bang-Umsetzung am 11. Oktober 2027.
«Unsere Ambition ist es, die beste Finanzmarktinfrastruktur (FMI) in Europa zu betreiben, und T+1 ist eine zentrale Initiative, daher verbringen wir viel Zeit mit unseren Kunden und diskutieren über Zeitpläne und wie sie mit ihren Vorbereitungsarbeiten sind. Eine FMI zu betreiben bedeutet nicht nur, resiliente Systeme zu erhalten, sondern auch für die Zukunft zu planen – und ein grosser Teil davon ist T+1», sagte Sibbern.
Während der SIBOS wurden Finanzinstitute wiederholt davor gewarnt, dass der Übergang zu T+1 in Europa herausfordernder sein wird als in Nordamerika, aufgrund der Komplexität seiner Kapitalmärkte, z. B. mehrere Aufsichtsbehörden, unterschiedliche Währungen, über 30 FMIs usw.
Führende FMIs arbeiten jedoch intensiv daran, den Schritt zu beschleunigten Zahlungsabgleichen reibungslos zu gestalten. SIX ist beispielsweise stark in eine Reihe von T+1-Arbeitsgruppen in ganz Europa involviert, darunter in ihren Kernmärkten Schweiz und Spanien.
Digitale Vermögenswerte – die Dynamik nimmt erneut Fahrt auf
Aufgrund der jüngsten Änderung des regulatorischen Kurses in den USA waren digitale Vermögenswerte ein grosses Gesprächsthema bei der SIBOS.
Gemäss einer aktuellen Studie, haben 25 % der Organisationen jetzt eine digitale Asset-/Distributed-Ledger-Technologie-(DTL)-Initiative live ( gegenüber 11 % im Vorjahr), wobei die Technologie bereits spürbare Auswirkungen auf die Intratagesliquidität, Geld- und Besicherungsnutzung und -geschwindigkeit sowie auf die Kosten der Transaktionsverabeitung hat.
Damit Innovationen wie digitale Vermögenswerte Erfolg haben können, muss die sie unterstützende Infrastruktur auf tatsächlichen Kundenbedürfnissen basieren. Eine solche Infrastruktur muss auch einen nahtlosen Zugang über verschiedene Märkte und Anlageklassen hinweg sicherstellen, sowohl alte als auch neue.
«Meiner Ansicht nach wird der Markt der Zukunft durch die Konvergenz aller Arten von Vermögenswerten, traditionell und digital, auf einzelne integrierte Handelsplattformen getrieben, die fundamental durch Kundennachfrage geformt werden. Das reale Tempo und die Richtung der Innovation werden von der Bereitschaft der Kunden abhängen, neue Modelle zu übernehmen und zu investieren. Selbst die überzeugendsten Innovationen werden schwer abheben, wenn sie mit Altsystemen kollidieren oder kein klarer Nutzungsfall vorliegt», sagte Sibbern.
Er fuhr fort: «Innovation in der Marktinfrastruktur muss direkt an die Bedürfnisse und die Bereitschaft der Kunden geknüpft sein, neue Technologien und Arbeitsabläufe zu übernehmen. Ohne diese Bereitschaft können selbst Konzepte auf Weltklasseniveau durch Altsysteme oder organisatorischen Widerstand gegen Veränderung blockiert werden. Zusammenarbeit über Finanzinstitute, Fintechs und Aufsichtsbehörden hinweg wird Konnektivität und gemeinsame Standards erleichtern und schliesslich belohnt werden. Bei SIX sehen wir unsere Rolle darin, Tradition und Zukunft zu überbrücken und gleichzeitig eine breitere Ökosystemtransformation voranzutreiben.»
KI navigieren
Künstliche Intelligenz (KI) stellt die Dynamik am Arbeitsplatz auf den Kopf.
Und obwohl die Technologie viele Risiken birgt, ist das grösste Risiko, nichts zu tun. Jene Finanzinstitute, die KI erfolgreich in ihre internen und externen Arbeitsströme integriert haben, werden eher florieren, weshalb SIX sein Engagement für KI verstärkt.
«Wir haben bei uns 'SIX Sense' eingeführt, einen KI-gestützten Assistenten, der global auf jedem Arbeitsplatz sitzt und Mitarbeitende dabei unterstützt, smarter und effizienter zu arbeiten. Wir haben KI auch in mehrere kundenorientierte Produkte integriert», sagte Marion Leslie, Head Financial Information & Executive Board Member, SIX, während der SIBOS.
Sie fuhr fort: «Zum Beispiel ist der SICAM KI Assistant in unsere Handelsüberwachungslösung integriert und unterstützt Compliance-Verantwortliche, indem er sofort kontextreiche Protokolle generiert – 80 % ihres Aufwandes werden automatisiert. Unterdessen ermöglicht SIX iD Chat den Nutzenden, mit Finanzdaten in unserer Anzeige zu interagieren, indem sie natürliche Sprachaufforderungen verwenden, um schneller Einblicke zu erhalten.»
Mit der zunehmenden Verbreitung von KI werden die Arbeitskräfte einen enormen kulturellen Wandel erleben.
Anstatt über reine Anwendungsfähigkeiten zu verfügen, werden Menschen laut Leslie kritisch beurteilen müssen, was KI erzeugt – «Wir brauchen Menschen, die verstehen, wie KI funktioniert und ihr nicht blind vertrauen, und die ihre Ergebnisse konstruktiv hinterfragen können.»
Obwohl KI Produktivitätsgewinne freisetzen wird, müssen Unternehmen sich der Mängel bewusst sein, von denen es mehrere gibt.
KI ist keineswegs unfehlbar. Trotz der Neigung der Technologie zu Halluzinationen, z. B. Fakten zu erfinden, überprüfen 40 % der Menschen KI-Übersichten weiterhin nicht. Andere Sprecher an der SIBOS äusserten Bedenken hinsichtlich der Qualität der Daten, die zum Trainieren von KI verwendet werden – wenn die Daten nicht einwandfrei sind (z. B. ungenau oder fragmentiert), kann der KI-Ausgabe nicht vertraut werden.
Eine weitere langfristige Sorge ist, dass, wenn Menschen sich stärker auf KI verlassen, sie möglicherweise beginnen, wichtige Fähigkeiten und Wissen zu vergessen.
Um dies zu verhindern, sagte Leslie, sollten Unternehmen einige einfache Massnahmen ergreifen – in erster Linie Mitarbeitende regelmässig schulen, selbst wenn Prozesse vollständig automatisiert sind; ein strukturiertes 'Human-in-the-Loop'-Designsystem beibehalten; sicherstellen, dass bestimmte Aufgaben einen Grad an operativer Praxis behalten und nicht nur auf Aufsicht ausgerichtet sind; und Werkzeuge verwenden, die es erleichtern, zu verstehen, wie die KI zu einem Ergebnis gelangt ist, statt sich nur auf das Endergebnis zu konzentrieren.
Corporate Actions unchained
Kapitalmassnahmen (Corporate Actions) sind ein entscheidendes Zahnrad in der Finanzdienstleistungsbranche, doch der Prozess ist von Ineffizienzen geprägt und durch Altsysteme belastet.
Dies erzeugt zusätzliche Kosten für Finanzinstitute, in einem Moment, wo ihre Margen und Erträge bereits stark unter Druck stehen. Eine aktuelle Studie stellte fest, dass allein bei US-Wertpapieren Ineffizienzen bei Kapitalmassnahmen zu jährlichen Verarbeitungskosten von 58 Milliarden US-Dollar führen, was 0,05 % der gesamten US-Marktkapitalisierung entspricht.
Jede Kapitalmassnahme kostet Intermediären und Anlegern rund 34 Millionen Dollar, berichtet die Studie. Eine Überarbeitung der Prozesse bei den Kapitalmassnahmen sollte daher eine Branchenpriorität sein. Bei früheren SIBOS-Konferenzen wurde vorgeschlagen, DLT in den Lebenszyklus von Kapitalmassnahmen zu integrieren, aber man erkennt nun, dass die Herausforderungen grundlegender sind.
«Technologie ist am Ende ein Mittel, aber nicht das Ende. Technologien wie DLT und KI sind eine Gelegenheit, Prozesse neu zu denken oder zu transformieren, aber allein Technologie auf eine Herausforderung wie Kapitalmassnahmen zu werfen, wird nicht alle Probleme der Branche lösen», sagte Marco Kessler, Head Product & Business Development Digital Securities, SIX.
Sofern grundlegende Anweisungen standardisiert oder maschinenlesbar gemacht werden, bleibt manuelle Intervention die Norm, argumentierten Expertinnen und Experten. Würde die Branche diese Änderungen vornehmen, wären die Einsparungen immens – die Einführung von Echtzeit, standardisierten Daten und die Schaffung einer 'Golden Source' für Auskunft zu Kapitalmassnahmen könnte potenziell bis zu 15 Milliarden für die Branche freisetzen.
«Ich stimme zu, dass einige Fundamentaldaten wie grundlegende Datenmodelle standardisiert werden müssen, aber wir brauchen auch einen gewissen Grad an Flexibilität, besonders wenn wir beginnen, neue Technologie zu verwenden, z. B. Smart Contracts, zu einem späteren Zeitpunkt», sagte Kessler.
Das Secure Swiss Financial Network (SSFN)
In der Aussteller-Session hielt Cornelius Dorn, Head Strategy & Architecture, Banking Services, SIX, eine Präsentation über das Secure Swiss Financial Network (SSFN).
Das SSFN ermöglicht über 100 verbundenen Teilnehmern des Schweizer Finanzplatzes, sicher mit SIX, anderen Finanzmarktinfrastrukturen und auch untereinander zu kommunizieren. Das Netzwerk basiert auf der von der ETH Zürich entwickelten SCION-Technologie.
Doch was macht diese Infrastruktur so einzigartig?
Dorn sagte, traditionelle Netzwerke seien zunehmend anfällig für Störungen, z. B. verursacht durch Cyberangriffe oder Funktionsstörungen – zu einer Zeit, in der die Einführung von Instant Payments eine höhere Nachfrage an die Resilienz der Verbindungen zwischen Banken und SIX stellt. Hier bietet SCION, eine Multi-Operator-Netzwerktechnologie, eine Lösung.
Die Kooperation der Telekommunikationsanbieter (Provider von SCION-Verbindungen) ermöglicht Datenkommunikation innerhalb des SSFN. SIX stellt die Zertifikate aus, die für die Teilnahme erforderlich sind, und SSFN ermöglicht einer genau definierten Gruppe von Nutzern (Teilnehmende) den Datenaustausch untereinander. Da der Status jeder Verbindung jederzeit bekannt ist, gibt es mehr Schutz gegen Ausfälle und Angriffe. Dorn bemerkte, dass der Finanzsektor nur einer der Bereiche in der Schweiz ist, die vom SCION-Netz profitieren – die anderen sind Bildung, Gesundheitswesen, Versorgungsunternehmen und Zahlungen.
Mit 12’500 Teilnehmenden vor Ort war die SIBOS 2025 voller hochwertiger Inhalte und Networking-Möglichkeiten. Nach einer erfolgreichen SIBOS in Frankfurt freut sich SIX darauf, Sie alle erneut bei der SIBOS 2026 in Miami zu sehen.