Als Ergebnis umfangreicher Untersuchungen und Kundenbefragungen stellte SIX Swiss Exchange im Juni 2020 ihr Handelssegment für strukturierte Produkte von einem standardmässigen Quote Driven Market auf ein Modell mit Preisvalidierung («PVM») um. 

Der erwartete Vorteil dieser Umstellung bestand darin, dass Anleger in Hebelprodukten («Warrants») letztlich von einer grösseren Auswahl an handelbaren Instrumenten bei einer engeren Kursstellung profitieren würden. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass Liquiditätsanbieter an Handelsplätzen mit Preisvalidierung weniger der Latenzarbitrage ausgesetzt sind und daher ihr Hebelproduktportfolio vergrössern können, ohne ihr Risiko zu erhöhen.

Jetzt, fast zwei Jahre nach der Einführung des PVM, verfügen wir über ausreichend Daten, um die Ergebnisse des neuen Handelsmodells zu bewerten und die Frage zu beantworten, ob das neue PVM Kleinanlegern – die geschätzt über 95 % der Abschlüsse in Hebelprodukten an der Schweizer Börse tätigen –, die gewünschten Vorteile gebracht hat.

Das Preisvalidierungsmodell «PVM» als Wachstumstreiber

Das Portfolio der handelbaren Warrants an SIX Swiss Exchange ist seit der Einführung des PVM Mitte 2020 deutlich gewachsen (gemessen an der Anzahl der aktiven Produkt-ISINs). Abbildung 1 Wachstum der Anzahl handelbarer Warrants an SIX Swiss Exchange zeigt die deutliche Zunahme insbesondere ab Anfang 2021. 

 

Wachstum der Anzahl handelbarer Warrants an SIX Swiss Exchange

Datenquelle: SIX | Wertschriften: Strukturierte Produkte | Stichprobenzeitraum: Januar 2018 - April 2022 | Methodologie: Die Saisonalität wird durch die multiplikative Methode gerechnet.

Datenquelle: SIX | Wertschriften: Strukturierte Produkte | Stichprobenzeitraum: Januar 2018 - April 2022 | Methodologie: Die Saisonalität wird durch die multiplikative Methode gerechnet.

 

Der Beginn dieses Wachstumstrends stimmt nicht allein mit der Einführung des PVM überein; er wurde auch durch eine Verbesserung der Systemkapazität zur Preisstellung («Quotierung») in diesem Handelssegment per Ende 2020 initiiert, da die es den Liquiditätsgebern und schliesslich auch dem PVM grössere technische Effizienz ermöglichte. Dies führte zu einem Anstieg der aktiven Warrants um 42,4 % innerhalb von fünfzehn Monaten (wobei periodische Verringerungen den Triple Witching Days geschuldet sind). Obwohl auch das Marktumfeld das Wachstum unterstützt hat, erscheint die Einführung des PVM ein Schlüsselfaktor für das anhaltende Wachstum an handelbaren Warrants zu sein.

Auswirkung des PVM auf die Spreads

Das PVM wurde so gestaltet, dass Liquiditätsanbieter ihre Quotes nicht aktiv validieren müssen, wenn sie dies nicht wünschen, und jederzeit zur aktiven Validierung wechseln können. Folglich berücksichtigen wir beim Vergleich des Quotierungsverhaltens unter dem PVM mit Modellen mit verbindlicher Kursstellung die individuellen Umstellungstermine der Liquiditätsanbieter.

Um die Preisstellung vor und nach der Umstellung auf das PVM-Modell zu analysieren, haben wir die verfügbaren Kursdaten entlang zweier Dimensionen segmentiert. Zunächst haben wir die Warrants nach dem Preis, zu dem sie gehandelt werden, in sechs Bereiche unterteilt; dann haben wir jeden Bereich in fünf verschiedene Volatilitätsniveaus des SMI-Volatilitätsindex VSMI segmentiert (der die einmonatige implizite Volatilität der SMI-Titel in Prozent repräsentiert), um die Volatilität der zugrunde liegenden Märkte widerzuspiegeln. Schliesslich haben wir für jeden Teilbereich die relative Kursspanne («Spread») abgeleitet und als Prozentsatz des Durchschnittspreises ausgedrückt.

Die Abbildung 2: Relativer Spread nach Volatilitäts- und Preisniveau zeigt die Ergebnisse für beide Zeiträume, vor und nach der Einführung des PVM, wobei die Hintergrundfarbe dazu beiträgt, das Ausmass der Veränderung des relativen Spreads innerhalb eines Preisbereichs zu veranschaulichen. Vor der Einführung des PVM vergrössert sich die relative Spanne mit zunehmender Volatilität, während sie mit steigendem Preis schrumpft.

Allerdings haben wir nach Einführung des PVM – welches das Preisrisiko für den Liquiditätsanbieter beseitigt – beobachtet, dass die Spreads über die meisten Volatilitätsniveaus hinweg weitgehend konstant bleiben. Auf die Frage, ob die Spreads mit PVM enger sind, lautet die Antwort sowohl «ja» als auch «nein». Bei niedrigen Volatilitätsniveaus sind die Spreads unter dem PVM gleich oder sogar breiter, während sich die Spreads bei höheren Volatilitätsniveaus eingeengt haben.

 

Relativer Spread nach Volatilitäts- und Preisniveau

Datenquelle: SIX | Wertschriften: Strukturierte Produkte | Stichprobenzeitraum: Januar 2022 - März 2022 | Methodologie: Jedes Quadrat zeigt den relativen Spread über alle Wertpapiere innerhalb der jeweiligen VSMI und Preisgruppe. Die dargestellten Farben beziehen sich auf die relative Veränderung des Spreads durch den VSMI-Index zum niedrigsten Spread innerhalb des jeweiligen Preisgruppe. Die grauen Quadrate zeigen die Standardabweichungen des relativen Spreads pro Preisgruppe. Der Vergleich der Zeiträume vor und nach dem PVM umfasst nur Wertpapiere, die in beiden Zeiträumen gehandelt wurden.

Datenquelle: SIX | Wertschriften: Strukturierte Produkte | Stichprobenzeitraum: Januar 2022 - März 2022 | Methodologie: Jedes Quadrat zeigt den relativen Spread über alle Wertpapiere innerhalb der jeweiligen VSMI und Preisgruppe. Die dargestellten Farben beziehen sich auf die relative Veränderung des Spreads durch den VSMI-Index zum niedrigsten Spread innerhalb des jeweiligen Preisgruppe. Die grauen Quadrate zeigen die Standardabweichungen des relativen Spreads pro Preisgruppe. Der Vergleich der Zeiträume vor und nach dem PVM umfasst nur Wertpapiere, die in beiden Zeiträumen gehandelt wurden.

 

Diese visuellen Ergebnisse werden auch durch ein Regressionsmodell bestätigt, in dem wir den relativen Spread mit Preis, Volatilität und der Einführung des PVM ausdrücken. Dazu verwenden wir eine Paneldatenregression mit einem festen Effekt, um die Unterschiede zwischen den Wertpapieren im gleichen Datensatz zu berücksichtigen. Die Regression bestätigt, dass der Preis negativ mit dem relativen Spread korreliert ist, während der VSMI-Index positiv korreliert ist. Darüber hinaus zeigt das Modell, dass die relative Spanne unter PVM enger ist als bei verbindlicher Kursstellung, wenn der VSMI-Index über 17% liegt (ansonsten aber breiter).

Aus konzeptioneller Sicht gibt es keinen Modell-bezogenen Grund dafür, dass sich die Spreads unter dem PVM in einem Umfeld niedriger Volatilität ausweiten. Es gibt hingegen mehrere mögliche marktbezogene Gründe, die jedoch nicht Gegenstand dieser Analyse sind. Die wichtigste Beobachtung in Bezug auf die Spreads aus dieser Analyse ist, dass das PVM eine grössere Konsistenz der Spreads über das gesamte Volatilitätsspektrum hinweg ermöglicht hat – ein wichtiges Merkmal angesichts des derzeitigen Klimas der Unsicherheit auf den globalen Märkten.

Auswirkung des PVM auf die Preisabweichung

Eine häufige Frage im Zusammenhang mit dem PVM ist, wie oft Anleger ihre Aufträge zu den angezeigten Preisen ausgeführt bekommen. In der Praxis kommt es im PVM zu Preisvalidierungen, die in keinem Abschluss resultieren, weil der angezeigte Preis während der Preisvalidierungsphase angepasst wurde (Anmerkung: Preisanpassungen können für den Anleger auch positiv ausfallen, wenn sie zu einer Preisverbesserung führen).

Die Messung von solchen erfolglosen Preisvalidierungen sind im Kontext des anvisierten Segments der manuell handelnden Anleger zu definieren, die einen Auftrag wahrscheinlich als fehlgeschlagen betrachten, wenn er nicht sofort zum zuletzt gesehenen Preis oder innerhalb des angewiesenen Auftragslimits ausgeführt wird.

Wir gehen davon aus, dass eine Ausführung innerhalb von drei Sekunden nach dem Klicken auf die Schaltfläche «Handeln» immer noch als erfolgreich angesehen werden kann, da jede kürzere Verzögerung aufgrund der menschlichen, Applikations- und Netzwerk-bezogenen Latenz wahrscheinlich unbemerkt bleibt. Daher stufen wir nur von Anlegern initiierte Preisvalidierungen mit einem Abschluss (oder einer Auftragslöschung) nach drei Sekunden als erfolglos ein. Daraus leiten wir eine Ausfallquote ab, die die fehlgeschlagenen anlegerinitiierten Preisvalidierungen zur Gesamtzahl der anlegerinitiierten Preisvalidierungen in Beziehung setzt. Abbildung 3: Erfolglose Preisvalidierungen pro Volatilitätsspanne veranschaulicht diese Ausfallquote für die verschiedenen Volatilitätsbereiche.

 

Erfolglose Preisvalidierungen pro Volatilitätsspanne

Datenquelle: SIX | Wertschriften: Strukturierte Produkte | Stichprobenzeitraum: 22.06.2020 - 31.03.2022 | Methodologie: Die Ausfallquote entspricht der Anzahl der vom Anleger initiierten erfolglosen Preisvalidierungen geteilt durch die Gesamtanzahl der vom Anleger initiierten Preisvalidierungen.

Datenquelle: SIX | Wertschriften: Strukturierte Produkte | Stichprobenzeitraum: 22.06.2020 - 31.03.2022 | Methodologie: Die Ausfallquote entspricht der Anzahl der vom Anleger initiierten erfolglosen Preisvalidierungen geteilt durch die Gesamtanzahl der vom Anleger initiierten Preisvalidierungen.

 

Obwohl es nicht möglich ist, die oben genannten Ausfallquoten mit denen in verbindlichen Preismodellen zu vergleichen (da sie nicht quantifizierbar sind), sind die beobachteten Quoten höchstwahrscheinlich akzeptabel, da es keine Anzeichen dafür gibt, dass die Handelsaktivitäten an der SSX seit der Einführung des PVM abgenommen haben.

Schlussfolgerung: Vorteile für Privatinvestoren erzielt

Die obigen Diagramme zeigen, dass die Einführung des PVM den Kleinanlegern in zweierlei Hinsicht zu Gute gekommen ist: (i) durch einen Anstieg der Zahl der handelbaren Warrants und (ii) durch eine Verbesserung der Konsistenz der Spreads über beinahe das ganze Volatilitätsspektrum. Gleichzeitig bleibt der Validierungsprozess für manuell handelnde Anlegern wohl weitgehend unbemerkt und hat keine negativen Auswirkungen auf den Handel mit Hebelprodukten.