Das Algo-Trading hat in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen, insbesondere im Aktiensegment. Gibt es da noch Entwicklungspotenzial?

André Buck: In der Geschichte des Börsenhandels ist das Streben nach der schnellsten Verbindung nichts Neues. Schon in den Anfangsjahren waren jene Broker im Vorteil, die über schnelle Läufer verfügten, um die Aufträge vom Büro zum Händler am Ring zu bringen – umso mehr, wenn diese Büros in der Nähe des Börsengebäudes lagen. Heutzutage können unsere Handelsteilnehmer Co-Location nutzen, um ihre Computer so nah wie möglich an unsere Matching-Engine zu bringen und/oder unser Mikrowellennetz für die schnellste Übertragung von Handelsdaten zu nutzen. Der stetige technologische Fortschritt und sich wandelnde Kundenbedürfnisse motivieren uns, in die Erfüllung der Bedürfnisse dieses wachsenden Kundensegments zu investieren. Entscheidend ist, dass wir gleiche Wettbewerbsbedingungen schaffen, indem wir allen Teilnehmern, die algorithmischen Handel betreiben wollen, den gleichen Zugang zu unseren Dienstleistungen bieten.

Und welche Rückmeldungen haben Sie bei Ihrer Händlerumfrage erhalten?

In zusätzlichen Liquiditätsquellen sehen die Händler das grösste Entwicklungspotenzial des Algo-Trading, basierend auf 42 von 114 Rückmeldungen, d.h. 37%. Dicht dahinter folgt die KI des Algorithmus mit 34%. Weiteres – wenn auch geringeres – Potenzial für Algo-Trading sehen unsere Händler in der Qualität der API und der Low-Latency-Infrastruktur mit 14% bzw. 11%. Der Standort des Rechenzentrums wurde hingegen nur von 4% genannt.

Darren Marsh

In zusätzlichen Liquiditätsquellen sehen die Händler das grösste Entwicklungspotenzial.

André Buck, Global Head Sales & Relationship Management

Der Aufstieg der Algos scheint mit der Entwicklung der Künstlichen Intelligenz einherzugehen. Nehmen die Händler KI als persönliche Bedrohung wahr?

Auf den ersten Blick könnten die Ergebnisse unserer Umfrage darauf hindeuten: bloss etwas mehr als 1% glaubt, dass dieser Anstieg zur Einstellung von mehr Händlern führen wird, während fast ein Fünftel erwartet, dass es weniger Händler geben wird. Aber mit 59% stimmt die deutliche Mehrheit der Befragten zu, dass Algos und KI zwar auf dem Vormarsch sind, jedoch ohne signifikante Auswirkungen auf den Personalbestand zu haben. Ein weiteres Fünftel erwartet gar keine Veränderung.

Wo sehen Sie das grösste Potenzial für Algo-Trading im Aktienhandel?

Wie interpretieren Sie diese Ergebnisse?

Blicken wir nochmals zurück in die Vergangenheit: die Elektronisierung und Digitalisierung des Handels und aller nachgelagerten Prozesse hat die Standardisierung und Skalierung ermöglicht, wodurch die Transaktionskosten sanken. Das daraus resultierende rasante Wachstum der Anzahl Abschlüsse und gehandelten Volumen hat die Schweizer Börse als Vorreiterin dieser Entwicklung hautnah miterlebt. Einfach ausgedrückt: effizienter handeln heisst besser handeln. Das gilt für Teilnehmer, Vermögensverwalter und Endanleger gleichermassen.

Dasselbe gilt auch für das Algo-Trading. Es hat die bisherigen Handelsformen nicht verdrängt, denn sie entsprechen weiterhin spezifischen Bedürfnissen bestimmter Marktteilnehmer. Für einige unserer Teilnehmer ist die Sicherheit der Ausführung beispielsweise wichtiger als die reine Ausführungsgeschwindigkeit. Algo-Trading ist eine Ergänzung zum – in Ermangelung einer besseren Bezeichnung – «traditionellen» Handel. Er vergrössert den gesamten Handelskuchen, was allen mehr Chancen und Möglichkeiten bietet.

Bleiben wir beim Thema Wachstum: Das Volumen des Auktionshandels hat in den letzten 5 Jahren zugenommen. Wie wird sich die Nachfrage in Zukunft entwickeln?

Laut unseren Händlern glauben weniger als 5% der Befragten, dass die in der Auktion gehandelten Volumen sinken werden. Demgegenüber erwartet eine deutliche Mehrheit von 58% einen Anstieg, womit 38% Unentschlossene verbleiben. Diese Erwartungshaltung deckt sich mit den Ergebnissen verschiedener Studien, die wir seit 2020 veröffentlicht haben in welchen die Schlussauktion als immer wichtigeres Liquiditätsereignis identifiziert wurde. Mit dem offiziellen Schlusskurs wird ein relevanter Performance und Bewertungsmassstab für die gesamte Branche festgelegt, und der Handel mit Restliquidität zu einem definierten Preis ist ein klares Kundenbedürfnis.

Wie werden sich in der Auktion gehandelte Volumen entwickeln?

Wie reagiert SIX Swiss Exchange auf dieses Kundenbedürfnis?

Im Juni 2020 haben wir bereits eine Dienstleistung namens TAL eingeführt, kurz für Trading-At-Last, eine 10-minütige Verlängerung des Handels im Central Limit Order Book nach der Schlussauktion. Damit erhalten unsere Teilnehmer eine zweite Chance, mit zusätzlicher Liquidität zum offiziellen Schlusskurs zu interagieren.

Darren Marsh

Wir werden eine neue Auftragsart namens Auction Volume Discovery oder AVD einführen.

André Buck, Global Head Sales & Relationship Management

Mit SMR11, dem nächsten SWXess Maintenance Release in der ersten Jahreshälfte 2023, werden wir zudem eine neue Auftragsart namens Auction Volume Discovery oder AVD einführen. Sie wird die Eingabe und Ausführung von nicht vorab einsehbaren Aufträgen während der Eröffnungs- und Schlussauktion ermöglichen, ohne den theoretischen Auktionspreis zu beeinflussen. In den kommenden Monaten Sie von uns sicherlich noch mehr über AVD hören und lesen.