Sonderausstellung im Schweizer Finanzmuseum: Von der ersten Bank zu den Neobanken

Sonderausstellung im Schweizer Finanzmuseum: Von der ersten Bank zu den Neobanken

Die neue Sonderausstellung «Banken im Wandel: Vom Schalter zur App» im Schweizer Finanzmuseum ist eröffnet. Lesen Sie, wie Sie in Zürich den technologischen Wandel im Bankwesen erleben können.

«Clanq», «Yuh», «Zak», was sich wie eine Sprechblase in einem Comic liest, macht traditionellen Banken die Existenz streitig. Die Rede ist von sogenannten Neobanken – also Banken, die keine repräsentativen Gebäude an bester Lage unterhalten, keine Beraterinnen und Berater beschäftigen und auch eher keine Vereine sponsern. Kundinnen und Kunden einer Neobank loggen sich online in ihr Portal ein, zahlen Rechnungen elektronisch und kaufen Aktien via App mit dem Smartphone – und das rund um die Uhr. Das ist das Banking von morgen. Die Welt von Schalterhallen, Goldvreneli und Sparbüchlein scheint bald der Vergangenheit anzugehören.

Welche Bank ist eigentlich die älteste?

In der neuen Sonderausstellung «Banken im Wandel: Vom Schalter zur App» im Schweizer Finanzmuseum können Besuchende zurzeit noch einmal das ganze Spektrum des Schweizer Bankwesens erleben. In einem kompakten Format hat Museumsleiterin Andrea Weidemann zusammen mit ihrem zweiköpfigen Team eine bemerkenswerte Ausstellung auf die Beine gestellt. Nichts wurde ausgelassen. Ganz zu Beginn der Ausstellung steht ein Schuldschein aus dem Jahr 1720 in verschnörkelter Handschrift, ausgegeben von der Bank «Monte dei Paschi di Siena». Gegründet als Pfandleihhaus für die Armen im Jahr 1472 steht das italienische Haus für die älteste noch existierende Bank der Welt. 2013 kam die Bank wegen verlustbringender Derivatgeschäfte unter die Räder und wurde daraufhin verstaatlicht. Seither wird sie gern als Krisenbank bezeichnet.

Bank Leu, die erste moderne Bank der Schweiz

Die meisten Stationen der Ausstellung konzentrieren sich auf den Wandel des Bankwesens in der Schweiz, das sich ab 1700 an den beiden wichtigen Standorten Zürich und Genf formiert. Im Jahr 1755 kommt es in Zürich auf Initiative einiger Privatbankiers zur Gründung der Bank Leu, der ersten «modernen Bank» der Schweiz. Im folgenden Jahrhundert entstehen Sparkassen und Regionalbanken, um die Spareinlagen der Industriearbeitenden zu verwalten. Später kommen die Kantonalbanken hinzu, die vor allem die Mittelschicht und die Bäuerinnen und Bauern zur Kundschaft zählen.

Als der Welthandel langsam Fahrt aufnimmt und Geld benötigt, werden Aktien salonfähig. Und mit der Gründung der Banque Générale Suisse in Genf und der Schweizerischen Kreditanstalt in Zürich entstehen Mitte des 19. Jahrhunderts die ersten beiden grossen Geschäftsbanken auf Schweizer Boden.

Bank ist nicht gleich Bank

Die Ausstellung liefert auf lebendige Art und Weise allerhand Hintergrundwissen darüber, warum jeder Bankentyp eine andere Charakteristik hat und in einer anderen Gewichtsklasse spielt. Noch heute bilden die 59 Regionalbanken und Sparkassen zahlenmässig die grösste Gruppe in der Schweiz. Deren zusammengerechnete Bilanzsumme hingegen macht nur knapp ein Fünfzehntel derjenigen der beiden Grossbanken Credit Suisse und UBS aus.

Ein neuer Blick auf das Schweizer Bankwesen

«Die Geschichte des Schweizer Bankwesens ist auch die Geschichte des Landes und des Fortschritts», erklärt Andrea Weidemann. Die Kapitel zu dieser Geschichte sind in der Ausstellung geschickt arrangiert. Zwischen mannshohen Fotomontagen mit historischen Bildern aus den 1960er- und 1970er-Jahren schlendert das Publikum von Informationstafeln zu Medientischen mit interaktiven Elementen und Videobotschaften von Finanzexpertinnen und -experten. Dazwischen animieren Zitate von Max Frisch oder Georg Christoph Lichtenberg zum Schmunzeln. «Wir wollten bewusst das Sichtfeld auf das Thema Banking und Geld erweitern», erklärt Andrea Weidemann den Hintergrund dieser Projektionen. Wer will, kann gut und gerne drei Stunden in der Ausstellung verbringen.

Vom Einzahlungsschein zum Online-Banking

Der Wandel des Schweizer Bankwesens lässt sich auch farblich nachvollziehen: von Grün über Blau nach Rosa und Orange  – den Farben der über die Jahrzehnte so vertraut gewordenen Einzahlungsscheine. Hier werden junge Besucherinnen und Besucher eventuell ins stutzen geraten: Die Generation «Online-Banking» hat vielleicht nie einen Einzahlungsschein ausgefüllt und zur Bank getragen. Denn schon Ende der 1990er-Jahre kam das Online-Banking auf und einige Zeit später brachte das Smartphone die ersten mobilen Bankservices auf sein kleines Display.

Wir wollten bewusst das Sichtfeld auf das Thema Banking und Geld erweitern.

Andrea Weidemann, Leiterin Schweizer Finanzmuseum

Neobanken, Robo-Adivsor, NFTs

Online- und Mobile-Banking markieren den Beginn eines grossen und noch längst nicht abgeschlossenen Wandels in einem so traditionellen Geschäft wie dem Banking. Denn glaubt man den Prognosen, werden Neobanken und Apps in ein paar Jahren den Markt beherrschen. Die Stationen der Ausstellung, die darüber informieren, kommen standesgemäss auf zwei tischgrossen Tablets daher. Dort lassen sich Banking- und Vorsorge-Apps interaktiv entdecken. Zudem können die Besuchenden einen Robo-Advisor testen und sich über Trends wie Kryptowährungen und NFTs informieren. Spätestens hier wird einem deutlich vor Augen geführt, wie rasant sich das Bankwesen und letztlich die ganze Welt in den vergangenen drei Jahrzehnten verändert hat.

Schweizer Finanzmuseum leistet Beitrag zu Financial Literacy

Auf insgesamt 300 Quadratmetern halten sich Nostalgie und Zukunftsmusik im Schweizer Finanzmuseum die Waage. Das hilft auch, verschiedene Generationen anzusprechen. Das Schweizer Finanzmuseum hat sich nicht zuletzt auf die Fahne geschrieben, zur Financial Literacy in der Bevölkerung beizutragen. «Allein im ersten Halbjahr 2022 kamen 50 Schulklassen zu uns», berichtet Andrea Weidemann. Mit allen anderen Besucherinnen und Besuchern zählte das Museum im Untergeschoss des Hauptquartiers von SIX im Westen von Zürich vor Ausbruch der Covid-19-Pandemie durchschnittlich rund 10’000 Besuchende pro Jahr. Andrea Weidemann ist überzeugt, dass mit der neuen Sonderausstellung, zusätzlich zur Dauerausstellung über die Geschichte des Finanzplatzes Schweiz, diese Zahl in den kommenden beiden Jahren übertroffen wird.