Open Banking: Abwarten kann teuer werden

Open Banking: Abwarten kann teuer werden

Aus dem anfänglichen Zwang «Open Banking» ist inzwischen ein internationaler Wettbewerb entstanden. Warum sich auch für Schweizer Banken Zurückhaltung nicht lohnt schreibt Sven Siat, Head Connectivity in der Geschäftseinheit Banking Services von SIX: Wer in Zukunft keine zeitgemässen Programmierschnittstellen bereitstellt, wird langfristig kein funktionierendes Geschäftsmodell haben.

Bereits heute warnen FinTech-Experten, die Schweiz drohe den Open-Banking-Trend zu «verschlafen». Was hat es mit dem Trend, der auf den ersten Blick sehr technisch klingt auf sich? Und wie tiefgreifend wird er den Finanzplatz verändern?

Was ist Open Banking?

Open Banking meint den standardisierten, gesicherten Datenaustausch zwischen Banken und vertrauenswürdigen Drittanbietern über eine Programmierschnittstelle (API). Das Ziel ist, anhand einer breiten Angebotsvielfalt neue Mehrwerte für Verbraucherinnen und Verbraucher zu schaffen und die Innovation am Finanzplatz zu stärken.

Zunächst müssen Sie wissen: In der EU sind die Banken durch die Richtlinie PSD2 verpflichtet, ihre Schnittstellen zu Konto- und Transaktionsdaten auf Kundenwunsch hin gegenüber Dritten (z.B. FinTechs) zu öffnen. Und auch andere zentrale Märkte wie die USA planen entsprechende Regeln. Im Gegensatz dazu hat die Schweiz einen marktgetriebenen, selbstbestimmten Weg gewählt.

Open Banking am Beispiel von OpenWealth

Entgegen der eingangs vorgebrachten Kritik funktioniert die Selbstregulierung aus Sicht von SIX aktuell gut, vor allem in Bezug auf die Umsetzung möglicher Anwendungsfälle von APIs. Dies zeigt sich am Beispiel von «OpenWealth» – einer Brancheninitiative für standardisierte Schnittstellen in der Vermögensverwaltung, die von der St. Galler Kantonalbank in Zusammenarbeit mit der Beratungsfirma Synpulse lanciert wurde. Innerhalb von nur 9 Monaten nach der Definition der Standards konnten die Schnittstellen bereits über die bLink-Plattform von SIX bei der St. Galler Kantonalbank umgesetzt werden. Damit ist die Schweiz bereits weiter als der regulierte EU-Raum, der sich mit PSD2 noch auf Schnittstellen im Zahlungsbereich fokussiert.

Vor kurzem ist auch die Zürcher Kantonalbank mit dem Angebot live gegangen. Auf Seiten der Drittanbieter haben sich über bLink zudem die drei Portfolio-Management-Systeme Assetmax, Alphasys und Etops an die APIs angeschlossen. Die als Verein organisierte OpenWealth-Initiative gewinnt kontinuierlich weitere Banken und FinTech-Unternehmen als Mitglieder und ist bestrebt, den Standard zu internationalisieren. OpenWealth birgt ein enormes Innovationspotential und bietet dem Schweizer Finanzplatz die Chance, die globale Führungsposition in der Vermögensverwaltung weiter auszubauen. Ähnliche Initiativen für Hypotheken oder Vorsorge sind ebenfalls bereits in Entwicklung.

Mit welchen Open-Banking-Plattformen treibt die Schweiz die Entwicklung voran?

Klar ist: Für den Erfolg des marktgetriebenen Ansatzes braucht es ein koordiniertes Vorgehen. Insbesondere müssen sich die Akteure idealerweise auf gemeinsame technische Standards einigen. In der Schweiz koordiniert deshalb der breit abgestützte Branchenverband Swiss Fintech Innovations das entsprechende Vorgehen. Darüber hinaus klärt die Schweizerische Bankiervereinigung rechtliche und sicherheitstechnische Fragen im Zusammenhang mit Open Banking ab und bündelt die Interessen der Branche gegenüber den Behörden und der Öffentlichkeit. Mit API-Plattformen wie bLink von SIX, dem Open Business Hub von Swisscom oder der ix.OpenFinancePlattform von Inventx stehen funktionstüchtige Lösungen bereit, die eine effiziente Umsetzung und Skalierung der Schnittstellen im Markt erlauben.

Was ist bLink?

bLink von SIX ist die für den Finanzplatz Schweiz entwickelte Open-Finance-Lösung. Finanzinstitute und Drittanbieter können sich über die Plattform einfach und sicher verlinken und datenbasierte Services austauschen. Als ganzheitliche Lösung mit einem Teilnehmervertrag und einer einmaligen Zulassungsprüfung ermöglicht bLink die effiziente Skalierung von Schnittstellen-Standards, Partnerschaften und umfassenden Ökosystemen. Aktuell sind zwei Schnittstellen für «Kontoinformationen und Zahlungsverkehr» sowie drei Schnittstellen für «Vermögensverwaltung (OpenWealth)» live. Folgende Teilnehmer machen auf der Plattform mit: Die Finanzinstitute UBS, Credit Suisse, Zürcher Kantonalbank und St.Galler Kantonalbank sowie die Fintechs KLARA, bexio, SwissSalary, counteo, LIMMOBI, Assetmax, Alphasys und Etops.

Hier finden Sie mehr Informationen zu bLink.

Open Banking ermöglicht zahlreiche Anwendungen für verschiedene Kundensegmente

Bei allem Fortschritt auf dem Thema Open Banking muss man aber auch festhalten: Wir befinden uns noch am Anfang einer Entwicklung, welche die Finanzbranche nachhaltig verändern wird. Aus Sicht der Kundinnen und Kunden ist das Potenzial von Open Banking gross – auch wenn sich die meisten dessen noch nicht bewusst sind. Beispielsweise ermöglicht Open Banking, dass wir alle unsere Bankkonti über eine App steuern können (Multibanking) – und uns nicht bei jeder Bank einzeln einloggen müssen. Oder KMU können den manuellen Aufwand in der Buchhaltung reduzieren, indem sie ihre Kontodaten über eine API direkt in ihr Buchhaltungstool integrieren lassen. Die Möglichkeiten sind – ähnlich einem App-Store – sowohl im Unternehmens- als auch Privatkundenbereich für jede einzelne API vielfältig.

Open Banking – oder genereller Open Finance, also die Bereitstellung von zusätzlichen Typen von Finanzdaten (wie Kredite, Vermögen oder Vorsorge) – sind dabei nur der erste Schritt auf dem Weg zu einer grundlegenden Veränderung der heutigen Wertschöpfungskette für Finanzprodukte auf Basis von APIs.

Was bedeutet Embedded Finance?

In den letzten Monaten war in den Medien vermehrt von neuen Angeboten zu Embedded Finance oder auch Banking-as-a-Service zu lesen. Beide Begriffe stehen für den nächsten Ausbauschritt von Open Banking. Embedded Finance beschreibt die Integration einer Finanzdienstleistung in ein bisher nicht finanzielles Angebot. Ein Beispiel: Embedded Finance ermöglicht Banken das Angebot und die Beantragung von Krediten direkt in die Buchhaltungslösung eines Unternehmens zu integrieren.

Banking-as-a-Service geht noch ein wenig weiter. Sprich: Auch branchenfremde Unternehmen bieten Finanzdienstleistungen an. Um den regulatorischen Anforderungen zu genügen, agiert im Hintergrund meist ein Infrastruktur-Anbieter, der bereits über eine Banklizenz verfügt.

So können wir etwa beobachten, wie der deutsche Immobilienvermittler Engel & Völkers seiner Kundschaft seit neuem via App ein Bankkonto mit entsprechender Karte anbietet . Damit tritt das Unternehmen in Konkurrenz zu etablierten Banken. Karte und Konto sind dabei vermutlich nur der Anfang, und weitere integrierte Angebote wie Hypotheken werden folgen. FinTech-Unternehmen oder die grossen Techkonzerne drängen auf dieser Basis bereits seit längerem mit konkurrenzfähigen Finanzprodukten auf den Markt, so auch in der Schweiz. Grundsätzlich lässt sich sagen: Mit Banking-as-a-Service sinkt für neue Anbieter die Einstiegsbarriere, eigene Finanzprodukte anzubieten, da sie weder eine Banklizenz noch ein Kernbankensystem benötigen. Durch das integrierte Angebot erweitern diese Unternehmen ihre Kundenschnittstelle und bauen umfassende, branchenübergreifende Ökosysteme auf.

Was muss ich als Bank in Bezug auf Open Banking tun?

Für die Banken ist Open Banking eine Investition in die Zukunft. Allerdings ist derzeit trotz der positiven Entwicklung in der Schweiz für viele noch unklar, welche Anwendungsfälle sich dereinst ergeben werden. Somit geht es zunächst vor allem darum, sich auf einer strategischen Ebene mit Open Banking auseinanderzusetzen und Erfahrungen sowie notwendige Kompetenzen im Rahmen einer ersten konkreten Anwendung aufzubauen. Dabei ist es wichtig, neben der Monetarisierung der Schnittstellen weitere wesentliche Vorteile von Open Banking zu berücksichtigen. Banken verbessern mit entsprechenden Anwendungen die Kundenerfahrung, erschliessen sich neue Märkte und Vertriebskanäle und steigern ihre Transaktionsvolumina.

Zögern bei Open Banking kann hohe Opportunitätskosten verursachen

Open Banking als Beginn einer neuen API-basierten Welt zwingt die Banken, ihre strategische Positionierung am Markt zu hinterfragen: Wo bin ich als Bank in der Lage, die Bedürfnisse meiner Kundinnen und Kunden besser als jeder andere zu erfüllen und somit die Kundenschnittelle zu halten? Wo sollte ich gegebenenfalls andere Anbieter als starke Partner dabei unterstützen, diese Bedürfnisse zu erfüllen?

Vor dem Hintergrund der erwähnten internationalen Entwicklung erscheinen die Opportunitätskosten für Schweizer Banken, die mit der Beantwortung dieser strategisch wichtigen Fragestellungen abwarten, doch sehr hoch – und unnötig. Je früher sie deshalb den ersten Schritt in Richtung Open Banking machen, desto grösser ist die Chance, im Wettbewerb auch zukünftig mit attraktiven Angeboten für ihre Kundinnen und Kundinnen bestehen zu können. In der Schweiz stehen die entsprechenden Grundlagen dafür bereit.

Ein frühere Version dieses Artikels ist bereits auf Die Volkswirtschaft erschienen.