Wie ich meine Persönlichkeit entwickle – und auch im Job davon profitiere

Wie ich meine Persönlichkeit entwickle – und auch im Job davon profitiere

Was würden Sie am liebsten an sich ändern? Ob wir nun geduldiger, selbstbewusster, ordentlicher oder durchsetzungsfähiger werden wollen, den meisten von uns fällt mindestens ein Aspekt ein. Wie Sie Ihre Persönlichkeit weiterentwickeln können und wie wichtig das für Ihre Karriere ist, erfahren Sie in diesem Beitrag.

Was definiert meine Persönlichkeit?

Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen gehören zur Persönlichkeit und zeigen ein individuelles, relativ stabiles Muster. Die Persönlichkeit entwickelt sich durch eine komplexe Interaktion von genetischen Anlagen und Umweltfaktoren. Genetische Anlagen legen gewisse Grundlagen und Potenziale fest, während Umweltfaktoren wie Familie, Freunde, Schule und Kultur die Persönlichkeitsentwicklung beeinflussen. «Durch soziale Interaktion, Lebenserfahrungen und die Einnahme verschiedener sozialer Rollen machen Menschen neue Erfahrungen und probieren sich aus. Sie entwickeln eine eigene Identität und formen ihre Werthaltungen und Verhaltensweisen», sagt Dr. Katja Pässler, wissenschaftliche Mitarbeiterin für Personalpsychologie an der Hochschule für Angewandte Psychologie (FHNW). Die Persönlichkeitsentwicklung sei ein lebenslanger Prozess und unterliege sowohl Stabilität als auch Veränderung.

In welchen Alter werde ich zu dem, was ich bin?

Zwar sind wir heute nicht mehr exakt die gleiche Personen wie vor zehn Jahren, genauso wenig verändern wir uns aber in dieser Zeit extrem, sondern wir verändern uns im Lauf unseres Lebens mehr oder weniger stark. Die grössten Veränderungen finden meist im jungen Erwachsenenalter, also zwischen dem 18. und 30. Lebensjahr, statt – in einer Phase des Ausprobierens, die von Umbrüchen und neuen Erfahrungen geprägt ist: Wir starten in die Ausbildung, ins Studium und in den Beruf, werden finanziell unabhängig, ziehen in die erste eigene Wohnung und gründen eine Familie. Dabei übernehmen wir neue soziale Rollen, verändern unsere Verhaltensweisen und entwickeln eine eigene Identität. Katja Pässler: «Im mittleren Erwachsenenalter, ab dem 30. Lebensjahr, stabilisiert sich unsere Persönlichkeit zunehmend. Dennoch bleibt Raum für Veränderungen, die über die gesamte Lebensspanne anhalten können. Wir entwickeln uns kontinuierlich weiter.» 

Selbstreflexion ist der erste Schritt zur Entwicklung meiner Persönlichkeit

Gemäss Susann Blumenschein, Senior Specialist People Development bei SIX, ist der erste Schritt der Persönlichkeitsentwicklung, sich über die eigenen Stärken und Schwächen klar zu werden. Um mit der Selbstreflexion zu beginnen, empfiehlt Susann Blumenschein, sich folgende Fragen zu stellen: Was liegt mir besonders, was fällt mir leicht? In welchem Bereich/welchen Situationen fühle ich mich besonders sicher/unsicher? Was kostet mich grosse Überwindung? Ergänzend solle man sich die Sicht von Kolleginnen und Kollegen, Führungskräften oder nahestehenden Personen einholen. Mit einem Persönlichkeitstest erhalten wir Einblicke in unser Verhalten in verschiedenen Situationen und können so die tieferen Merkmale der eigenen Persönlichkeit erfahren. Beispielsweise zeigt uns der Big-Five-Persönlichkeitstest, wo unsere Ausprägungen in den Dimensionen «Offenheit», «Gewissenhaftigkeit», «Extraversion», «Verträglichkeit» und «Neurotizismus» liegen.

Sich nicht nur auf die Schwächen konzentrieren

Der Prozess der Selbstreflexion birgt aber auch Risiken: «Wir haben die Tendenz, uns auf die Schwächen zu konzentrieren. Allerdings lohnt es sich hier zu fragen, inwiefern diese im Alltag wirklich relevant sind. Es geht deutlich schneller und leichter, seine Stärken auszubauen», hält Susann Blumenschein fest. Die stärkenorientierte Psychologie ist ein anderer Ansatz der Persönlichkeitsentwicklung. Das CliftonStrengths Assessment beispielsweise misst die Ausprägung der Talente und kategorisiert alle positiven Eigenschaften von Menschen aufgegliedert in 34 verschiedene Themen. Um diese Talente in Stärken umzuwandeln, muss man in sie investieren, ihre Anwendung üben und ihnen weitere Kenntnisse und Fertigkeiten hinzufügen. 

Wie entwickle ich meine Persönlichkeit?

Die Frage, wie wir uns gezielt verändern können, ist mittlerweile gut untersucht. Dabei sind gemäss Katja Pässler folgende drei Aspekte relevant: Wir müssen uns tatsächlich verändern wollen, das heisst, wir müssen motiviert sein. Wir müssen eine Veränderung für möglich halten. Und wir müssen unseren Wunsch in konkretes Verhalten umsetzen, das im Lauf der Zeit zur Gewohnheit wird. Die blosse Absicht, sich zu verändern, helfe uns also wenig weiter. Wir müssen unsere Komfortzone verlassen, um alte Gewohnheiten hinter uns zu lassen und neues Verhalten zu etablieren.

3 wichtige Schritte, um unsere Persönlichkeit gezielt zu verändern

  1. Die Veränderung wollen: Wir müssen motiviert sein, wir müssen eine Veränderung für möglich halten und wir müssen unseren Wunsch in konkretes Verhalten umsetzen, das im Lauf der Zeit zur Gewohnheit wird.
  2. Ziele möglichst präzise formulieren: Welche konkreten Verhaltensweisen helfen uns im Alltag, die Ziele zu erreichen? Konkrete Wenn-dann-Regeln aufstellen, zum Beispiel: «Wenn ich konzentriert arbeiten muss, schalte ich mein Mobiltelefon in den Flugmodus.»
  3. Reflektieren, warum wir uns verändern wollen: Ist es unser eigener Wunsch oder versuchen wir, den Ansprüchen der anderen gerecht zu werden?

Katja Pässler wird konkret: «Zunächst hilft es, unsere Ziele möglichst präzise zu formulieren und zu überlegen, welche konkreten Verhaltensweisen uns im Alltag dabei helfen, dieses Ziel zu erreichen.» Darüber hinaus helfe es uns, konkrete, individuelle Wenn-dann-Regeln aufzustellen, zum Beispiel: «Wenn ich konzentriert arbeiten muss, schalte ich mein Mobiltelefon in den Flugmodus.» Die Wenn-dann-Regeln helfen dabei, gewünschtes Verhalten in den Alltag zu integrieren und zur Gewohnheit werden zu lassen. Wichtig sei aber auch, dass wir reflektieren, warum wir uns verändern wollen: Ist es unser eigener Wunsch oder versuchen wir, uns den Ansprüchen von aussen anzupassen? Sich selbst zu reflektieren und weiterzuentwickeln ist wichtig, sich selbst zu akzeptieren aber genauso.

Warum ist Persönlichkeitsentwicklung im Job wichtig?

In unserer immer komplexer werdenden Arbeitswelt verschwimmen die Grenzen zwischen Arbeiten und Lernen. Die zunehmende Digitalisierung macht es notwendig, neue Fähigkeiten und Kompetenzen zu erwerben. So passen wir uns an die Veränderungen in unseren Rollen und Jobs an und können diese weiterhin professionell ausüben. Das kann zum Beispiel der Ausbau von Fachkenntnissen für die aktuelle Rolle und im Hinblick auf mein Karriereziel sein oder das Stärken von Soft Skills wie Kommunikationsfähigkeit, Teamarbeit, Problemlösung, Zeitmanagement oder Führungsfähigkeit.

Die Persönlichkeitsentwicklung ermöglicht es mir, mein volles Potenzial auszuschöpfen und meine individuellen Stärken zu entdecken und zu festigen. «Neues Fachwissen fliesst permanent aus der Forschung in die Praxis und externe Faktoren verändern, wie wir arbeiten. Daher müssen wir uns weiterentwickeln und neue Dinge lernen, um überhaupt unsere Rollen weiter erfüllen zu können», sagt Susann Blumenschein. 

Wie formuliere ich berufliche Entwicklungsziele?

Wer sinnvolle Entwicklungsziele formulieren will, schreibt detailliert auf, welche Fähigkeiten und Kenntnisse er weiter ausbauen möchte. Statt das Ziel «Training zu Präsentationstechniken besuchen» zu definieren, formuliere ich: «Ich möchte effektiver präsentieren lernen, damit ich Kundenschulungen übernehmen kann. Dazu besuche ich ein Training, übernehme teaminterne Schulungen, hospitiere bei erfahrenen Kolleginnen und Kollegen und bitte nach jeder Präsentation um Feedback.»

Susann Blumenschein: «Bei den Mitarbeitenden von SIX sind die häufigsten Entwicklungsziele die Erweiterung von Sprachkenntnissen. Auch hier ist es wichtig, zu definieren, was ich warum möchte, wann und wie ich das erreiche und wer mich dabei unterstützen kann. Formale Trainings sind ein Weg. Aber 70 % lernen wir beim Probieren on the Job, 20 % von anderen und nur 10 % in Schulungen».

Marc will sich mehr Fachwissen aneignen – ein Praxisbeispiel

Marc arbeitet als Software-Entwickler und erkennt, dass er bei der Einbindung von Datenbanken nicht so versiert ist, wie er gerne wäre: Er setzt sich das Ziel, seine Fähigkeiten in diesem Wissensgebiet zu verbessern. Er erhofft sich so, in Zukunft Projekte erfolgreich umsetzen zu können, die komplexer und anspruchsvoller sind als die bisherigen.

Er sucht sich zwei Online-Kurse heraus, die er in den nächsten vier Wochen absolviert. Er plant dazu jede Woche zwei Stunden fix im Kalender ein, die er zum Lernen nutzt. Marcs Teamkollegin Paula startet gerade ein neues Projekt, bei dem auch eine grosse Datenbank in eine bestehende Applikation integriert werden soll. Marc schaut bei Paula genau zu, wie sie das Projekt angeht, und diskutiert mit ihr das Wissen aus seinen Kursen. Gleichzeitig nutzt er eine Testapplikation, um seine Kenntnisse selbst anzuwenden. Er bespricht die Fortschritte mit Paula, die ihm noch einige hilfreiche Tipps gibt.

Mit seinem Vorgesetzten spricht Marc ab, dass er beim nächsten Projekt selbst Verantwortung für die Datenbankeinbindung übernimmt und dass ihm Paula für Fragen zur Verfügung steht. Marc realisiert das Projekt erfolgreich um und setzt sich kontinuierlich neue Lernziele, um seine Fähigkeiten weiter auszubauen. Dies stärkt nicht nur seine berufliche Positionierung, sondern ermöglicht es ihm auch, anspruchsvolle und innovative Projekte erfolgreich zu bewältigen.

Abschliessend können wir sagen, dass Forschungsergebnisse darauf hindeuten, dass unsere Wesenszüge nicht in Stein gemeisselt sind. Wer den einen oder anderen Aspekt bei sich verändern oder entwickeln will, muss jedoch etwas dafür tun. Denn wie Brian Little in seinem TED Talk «Wer sind Sie wirklich? Das Puzzle der Persönlichkeit» festhält, sind es die Aktivitäten im Leben und persönliche Projekte, die uns von anderen unterscheiden.