Was macht eine Bank aus? Die Frage scheint simpel. Eine Bank verwaltet Gelder von Privaten und Unternehmen. Sie bietet Services wie Zahlen, Sparen, Anlegen, Vorsorgen und Kredite – alles unter einem Dach. Die Antwort ist absolut korrekt, greift aber zu kurz. Heutzutage werden klassische Bankdienstleistungen auch von Nichtbanken angeboten. Für die Banken bedeutet das: Sie müssen über ihre traditionellen Services hinausdenken und ihr Rollenverständnis neu definieren.
Open Banking: Der Grundstein
Aber von vorn: Im Januar 2022 veröffentlichten wir in diesem Blog einen Artikel mit dem Titel: Open Banking: Abwarten kann teuer werden. «Wer in Zukunft keine zeitgemässen Programmierschnittstellen bereitstellt, wird langfristig kein funktionierendes Geschäftsmodell haben», prognostizierten wir damals.
Open Banking bezeichnet einen standardisierten und gesicherten Datenaustausch zwischen einer Bank und vertrauenswürdigen Drittanbietern. Das funktioniert mithilfe von Programmierschnittstellen (APIs). Ziel von Open Banking ist, Mehrwerte durch Standardisierung und Effizienz zu schaffen und die Innovation am Finanzplatz mit neuen Angeboten zu fördern. Dank Open Banking kann etwa Buchhaltungssoftware heute automatisch auf Bankdaten eines Unternehmens zugreifen – der manuelle Aufwand entfällt.
Was ist Multibanking?
In naher Zukunft wird dadurch auch Multibanking für Privatpersonen möglich sein. Das bedeutet, dass Kundinnen und Kunden über eine einzige Schnittstelle auf all ihre Bankkonten zugreifen können – auch wenn die Konten bei verschiedenen Banken geführt werden.
Klar ist: Open Banking ist längst keine Zukunftsmusik mehr, sondern Realität. Die Banken haben erkannt, dass Open Banking unumgänglich ist, um die Kundschaft in Zukunft bedürfnisgerecht bedienen zu können. Ein grosser Teil der Schweizer Banken (unter ihnen etwa UBS, Zürcher Kantonalbank und Valiant) sind bereits an die bLink-Plattform, die Open-Finance-Lösung von SIX, angeschlossen. Weitere befinden sich im Rahmen einer aktuellen Multibanking-Initiative im Onboarding-Prozess.
Was kommt nach Open Banking?
Open Banking ist das strategische und technologische Fundament für einen Daten- und Serviceaustausch zwischen Banken und Drittanbietern. API-Konnektivität und die sichere Integration von Kundendaten in Softwarelösungen von Drittanbietern sind ein wichtiger Treiber für Innovation in der Finanzbranche. Früher war die Wertschöpfungskette der Banken ein in sich geschlossener Kreis, heute öffnet sich dieser Kreis: Banking wird in einzelne Komponenten umgewandelt, die separat abgerufen und mit anderen Finanz- und Nichtfinanzdienstleistungen kombiniert werden können.
Konkret heisst das: Banking befindet sich im Wandel. Neue Marktteilnehmer treten auf den Plan. Immer mehr Leute halten ihre Konten bei Neobanken wie Revolut oder dem Schweizer Pendant neon, die mit sehr tiefen Gebühren locken und innovative Services extrem schnell in ihre Produktpalette integrieren. Selbst Detailhändler Coop bietet seit Neustem Haushaltskonto, Debit- und Kreditkarte an. Dazu kommen etliche internationale Beispiele. Denken Sie an Apple, Samsung oder Google Pay. Auch Transportdienstleister Uber gehört dazu. Das Unternehmen zahlt die Löhne seiner Fahrerinnen und Fahrer direkt auf ihr persönliches Uber-Konto ein, mit dem auch eine Debitkarte verknüpft ist.
Diese Unternehmen haben eine Gemeinsamkeit: Sie verfügen in der Regel nicht über eine eigene Banklizenz, bieten aber trotzdem Bankdienstleistungen an. Allerdings operieren sie nicht unabhängig. Denn um Banking-Dienstleistungen anzubieten, braucht es immer eine lizenzierte Bank. Das bedeutet: Hinter den Angeboten von neon, Coop, Apple und Co steckt immer eine Bank, die ihre Dienstleistungen (wie etwa Compliance, Technologie und Know-how) für Dritte zugänglich macht. Diese Praxis nennt sich Banking-as-a-Service (BaaS) beziehungsweise Embedded Finance und ist quasi die Evolution von Open-Banking.
Was ist Banking-as-a-Service?
Während Open Banking den Zugang zu Daten und bestimmten Services bietet, ermöglicht BaaS den Zugang zum (fast) kompletten Paket an Funktionen. Einfach ausgedrückt heisst das: Durch BaaS können Banken anderen Unternehmen ermöglichen, Banking-Dienstleistungen – also beispielsweise Bankkonten, Debit- und Kreditkarten oder Darlehen – in ein existierendes Produkt oder eine Plattform zu integrieren. Dabei sind mehrere Parteien involviert:
- Der BaaS-Provider ist eine regulierte Bank. Diese Bank stellt ihre Dienstleistungen via APIs Drittanbietern zur Verfügung.
- Der BaaS-Partner (optional) ist ein Kunde des BaaS-Providers und agiert als Distributor, der die Bankdienstleistungen in seine eigene Plattform integriert. Oftmals handelt es sich dabei um FinTechs, die über die notwendige Technologie verfügen, aber nicht über ausreichende Lizenzen. Der BaaS-Partner ist optional. Falls die Bank über die entsprechende Technologie verfügt, kann sie diesen Teil auch selbst übernehmen.
- Der BaaS-User ist ein Unternehmen, das den BaaS-Partner nutzt, um die Bankdienstleistungen direkt in sein Produkt zu integrieren.
- Die Endkundschaft des BaaS-Users ist die letzte Partei in der Kette. Sie konsumiert das Produkt des Baas-Users und profitiert gleichzeitig von den integrierten Bankdienstleistungen, die durch BaaS ermöglicht werden. Je nach Vertrag ist die Marke des Baas-Providers, also der Bank, für die Endkundschaft gar nicht mehr sichtbar.
Was ist Embedded Finance?
Embedded Finance beschreibt im Prinzip dasselbe wie BaaS – nur aus der anderen Perspektive. BaaS bezeichnet den Prozess, mit dem Banken ihre Dienstleistungen für Dritte zugänglich machen. Embedded Finance beschreibt das «eingebettete» Banking-Angebot einer Nichtbank. In einfachen Worten: BaaS bezeichnet das «Wie», Embedded Finance das «Was».
Welche Chancen ergeben sich für Banken durch BaaS?
Wie auch in unserem Whitepaper «The Impact of Technology on New Business Models in Banking» nachzulesen ist, sind BaaS und Embedded Finance eine Chance für Banken, neue Geschäftsfelder zu erschliessen. Eine Auslagerung ihrer Services bietet Zugang zu neuer Kundschaft. Europaweit haben sich bereits einige Marktteilnehmer etabliert, die BaaS zu ihrem Geschäftsmodell gemacht haben. Zu den grössten zählen etwa die deutsche Solarisbank (zu deren Kunden unter anderen Samsung gehört), die Railsbank aus England (Amazon Web Services, Visa und Mastercard) oder die französische Bank Treezor, die jüngst von Frankreichs drittgrösster Bank, der Société Générale, akquiriert wurde.
In der Schweiz gibt es bislang vor allem eine Bank, die sich stark mit einem BaaS-Angebot positioniert: die Hypothekarbank Lenzburg. Die Regionalbank gründete das Unternehmen HBL Solutions, um sich auf BaaS zu konzentrieren und steckt etwa hinter der Schweizer Neobank neon. Diese bezieht die Bankdienstleistungen der Hypothekarbank Lenzburg durch BaaS. Für Letztere bedeutet das, dass sie über neon rund 200’000 neue Kundinnen und Kunden gewinnen konnte. Das sind mehr als die Hypothekarbank Lenzburg jemals zuvor hatte. Auch hinter dem frisch lancierten Angebot des Detailhändlers Coop steckt die Hypothekarbank Lenzburg.
Kurz gesagt: BaaS ermöglicht der Bank, in ganz neue Kundensegmente vorzudringen, die sie auf «traditionellem» Weg auch mit einem enorm hohen Marketingbudget sehr wahrscheinlich nicht erreicht hätte.
Warum sollte ich ein Konto bei meinem Detailhändler halten?
Aber warum ist das überhaupt nötig? Wieso sollte man sich die Mühe machen, zusätzlich zu oder anstelle seiner schon vorhandenen Bankverbindung ein Konto bei Coop zu eröffnen? Der Schlüssel liegt in der Erfüllung von spezifischen Bedürfnissen der Kundschaft. Momentan bietet Coop Spar- und Privatkonto, Debit- und Kreditkarte sowie ein 3a-Vorsorgekonto. Zudem können Kundinnen und Kunden in allen Coop-Filialen kostenlos Bargeld beziehen. Die Gebühren sind tief, die Kreditkarte gratis und in puncto Bargeldbezüge ist Coop der grösste Anbieter schweizweit.
Ob das allein reicht, um die Massen zu überzeugen, ist fraglich. Doch womöglich ist das nur der Anfang. Der grosse Vorteil der Marke Coop ist die Emotionalität. In der Schweiz ist man Coop-Kind oder Migros-Kind, wenn man durch die andere grosse Schweizer Detailhändlerin «sozialisiert» wurde. Speziell das Thema Familien könnte Coop optimal bespielen. Denkbar wären in Zukunft etwa Spezialkonditionen auf Superpunkte, Kinderkarten oder ein Finanzbildungsangebot und damit verbundene Sparpläne.
Zusammengefasst: Damit Embedded Finance funktioniert, braucht es eine starke Marke mit einer gewissen Emotionalität, eine ausreichend grosse Anzahl an Kundinnen und Kunden, die man leicht ansprechen kann – und ein damit verbundenes Angebot, das die spezifischen Bedürfnisse dieser Kundschaft befriedigt.
Wie können Banken BaaS anbieten?
Um BaaS anbieten zu können, braucht es zwei Dinge: Eine Banklizenz und die notwendige technische Infrastruktur. Alles beginnt mit Open Banking. Wenn BaaS und Embedded Finance der PhD sind, dann ist Open Banking das Bachelorstudium. Es schafft die Grundvoraussetzungen. Wenn Banken Open Banking integrieren, erlernen sie das notwendige Know-how über API-Schnittstellen und arbeiten mit entsprechenden Partnern zusammen. Danach können sie entscheiden, ob sie weitergehen wollen.
BaaS beziehungsweise Embedded Finance ist nicht unabdingbar für die zukünftige Profitabilität der traditionellen Banken. Doch es bietet neue Möglichkeiten und Chancen, Segmente zu erschliessen, die auf «altem» Weg gar nicht oder nur schwer erreichbar sind. Momentan steckt Embedded Finance noch in den Kinderschuhen. Gemäss einem Report von Future Market Insights soll der Markt bis 2033 allerdings auf fast 300 Milliarden US-Dollar anwachsen. Deshalb tun Banken gut daran, zumindest den ersten Schritt zu machen und mit Open Banking zu starten.
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