Spanien hat die EU-Ratspräsidentschaft übernommen – und ja, das ist auch für die Schweiz bedeutend

Spanien hat die EU-Ratspräsidentschaft übernommen – und ja, das ist auch für die Schweiz bedeutend

Spanien hat bis Ende 2023 den Vorsitz im Rat der Europäischen Union. Lesen Sie, warum das auch für das Nicht-EU-Mitglied Schweiz wichtig ist und ob die Unterschiede zwischen den beiden Ländern tatsächlich so gross sind.

Am 1. Juli 2023 hat Spanien zum fünften Mal den Vorsitz im Rat der Europäischen Union (EU) übernommen. In dieser Funktion wird Spanien zahlreiche Ministertreffen und Sitzungen in Brüssel und im eigenen Land leiten, eigene Schwerpunkte setzen und versuchen, bei Kontroversen zu vermitteln. Spanien hat den EU-Ratsvorsitz von Schweden übernommen. Die 27 EU-Mitglieder wechseln sich alle sechs Monate ab, die spanische EU-Ratspräsidentschaft wird also am 31. Dezember 2023 enden. 

Was ist die EU-Ratspräsidentschaft?

Mit der EU-Ratspräsidentschaft übernimmt ein Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) für einen Zeitraum von sechs Monaten die Verantwortung für die Leitung und Koordination der Arbeit des EU-Rats.

Dem Rat der Europäischen Union, auch Ministerrat genannt, gehören die jeweiligen Fachminister der Mitgliedstaaten an. Je nachdem, welche Entscheidungen anstehen beziehungsweise welche EU-Rechtsakte zu verhandeln und zu erlassen sind, ist auch die Zusammensetzung des Rats eine andere. Die Aussenminister etwa bilden den Rat für Auswärtige Angelegenheiten, die Wirtschafts- und Finanzminister den Rat Wirtschaft und Finanzen (auch ECOFIN-Rat genannt).

Während der sechs Monate des Vorsitzes spielt das jeweilige Land eine zentrale Rolle bei der Organisation und Leitung von Sitzungen, Gipfeltreffen und Verhandlungen zwischen den Mitgliedstaaten. Die Ratspräsidentschaft ist dafür verantwortlich, Kompromisse zu finden, politische Entscheidungen vorzubereiten und die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten zu fördern.

Die EU-Ratspräsidentschaft agiert auch als Vermittler und Koordinator zwischen den Institutionen der EU, insbesondere der Europäischen Kommission und dem Europäischen Parlament. Das Land, das die Präsidentschaft innehat, spielt eine wichtige Rolle bei der Förderung der EU-Politik und der Umsetzung der strategischen EU-Ziele. Es arbeitet eng mit den anderen Mitgliedstaaten zusammen, um gemeinsame Positionen zu entwickeln und politische Initiativen voranzutreiben.

Der Rat der EU ist nicht zu verwechseln mit dem Europäischen Rat oder dem Europarat. Denn obwohl die Namen ähnlich klingen, handelt es sich dabei um verschiedene Gremien. Dem Europäischen Rat gehören die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten, der Präsident des Europäischen Rates sowie die Präsidentin der EU-Kommission an, die dort die politischen Zielvorstellungen und Prioritäten der EU in Form von Schlussfolgerungen festlegen. Der Europarat, der sich für Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit einsetzt, ist kein Organ der Europäischen Union, sondern ein eigenständiger Zusammenschluss europäischer Staaten mit 47 Mitgliedsländern inklusive Spanien und der Schweiz.

Die Schweiz und die EU-Ratspräsidentschaft

Mit der EU-Ratspräsidentschaft wird Spanien für die Schweiz ein wichtiger Ansprechpartner hinsichtlich der nächsten Schritte in ihrer Beziehung zur EU. Das gilt sowohl für die «grossen» Fragen wie die Zukunft der sogenannten bilateralen Verträge als auch für technische Dossiers, zum Beispiel zu Marktzugangsfragen. Wie jedes Vorsitzland wird auch Spanien zahlreiche Ministertreffen abhalten, wobei es der jeweiligen Präsidentschaft freisteht, ob sie Drittstaaten wie die Schweiz als Gast einlädt.

Spaniens EU-Ratspräsidentschaft bietet somit eine gute Gelegenheit, um einen Blick auf die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Spanien und der Schweiz zu werfen.

Was haben Spanien und die Schweiz gemeinsam – was macht sie einzigartig?

Spanien ist gross und bekannt für die Krone. Die Schweiz ist klein und macht Furore mit der direkten Demokratie. Auf den ersten Blick könnten die zwei Länder nicht unterschiedlicher sein. Doch es gibt vieles, das sie verbindet: die Demokratie, die Wirtschaft, die Kultur und die europäischen Werte.

 

Spanien

Schweiz

Einwohnerinnen und Einwohner (2022)

47,62 Mio.

8,81 Mio.

Ausgewandert

138’200 von Spanien in die Schweiz

25’888 aus der Schweiz nach Spanien

Höchster Berg

Pico del Teide (3718 m)

Dufourspitze (4634 m)

Längster Fluss

Ebro (930 km)

Rhein (375 km)

Sprachen

Kastilisch, Galizisch, Katalanisch, Baskisch

Deutsch, Französisch, Italienisch, Romanisch

Direktinvestitionen (2020)

EUR 726 Mio. von Spanien in die Schweiz

EUR 18,4 Mrd. von der Schweiz nach Spanien

Warenhandel (2022)

CHF 8,9 Mrd. von Spanien in die Schweiz

CHF 10,1 Mrd. von der Schweiz nach Spanien

Unternehmen (2023) 4’424’839 (9,68 % von Europa) 540’633 (1,18 % von Europa)

Landfläche

505’970 km2

41’290 km2

Der Handel verbindet Spanien und die Schweiz seit dem 15. Jahrhundert. Heute ist Spanien für die Schweiz der siebtwichtigste und die Schweiz für Spanien der zwölftwichtigste Handelspartner. Menschen fühlen sich von beiden Ländern angezogen – von ihrer Natur und Kultur und um dort zu arbeiten und zu leben. Die Schweiz und Spanien ziehen mit ihren vielfältigen Möglichkeiten und Angeboten in den Bann. Vielleicht weil es auch Mentalitätsübereinstimmungen gibt? So hat Spanien zwar keine Kantone, aber autonome Regionen. Ausserdem haben beide Länder vier offizielle Sprachen, wobei in Spanien Kastilisch als die offizielle spanische Sprache gilt.

Seit der Übernahme von BME hat SIX eine etablierte Beziehung zu Spanien. SIX vernetzt Finanzmarktakteure in der Schweiz, in Spanien und auf der ganzen Welt. Mit den beiden Heimmärkten Spanien und Schweiz ist SIX ein wichtiges Bindeglied zwischen der EU und Drittländern wie der Schweiz. In dieser Rolle trägt SIX zu offenen und funktionierenden Finanzmärkten bei.

SIX und die EU-Ratspräsidentschaft

Auch für SIX ist die spanische EU-Ratspräsidentschaft wichtig. Grosse Teile ihrer Aktivitäten sind umfassend reguliert, und die EU spielt dabei eine Schlüsselrolle. Einerseits ist das Geschäft von SIX in Spanien und in anderen EU-Ländern unmittelbar betroffen. Andererseits ist das Schweizer Geschäft in der EU von Drittlandbestimmungen tangiert.

Dank ihrer Präsenz in Spanien und aufgrund der doppelten Betroffenheit bietet sich SIX nun die Gelegenheit, sich gegenüber der spanischen EU-Ratspräsidentschaft als natürlicher Ansprechpartner für alle Themen, die die Finanzmarktinfrastrukturen betreffen, zu positionieren. Das ist eine einmalige Chance, einen Beitrag zur Gestaltung der näheren Zukunft der europäischen Kapitalmärkte zu leisten. Nicht nur angesichts der Rolle der spanischen EU-Ratspräsidentschaft bei der Priorisierung und Gestaltung der anstehenden Regulierungsprojekte, sondern auch, weil es danach mehr als zehn Jahre bis zur nächsten spanischen EU-Ratspräsidentschaft dauern wird.