Marktmissbrauch: Auf diese 6 Betrugsmaschen sollten Sie ein Augenmerk legen

Marktmissbrauch: Auf diese 6 Betrugsmaschen sollten Sie ein Augenmerk legen

Ein altgriechischer Philosoph kaufte den Markt für Olivenpressen leer, ein Offizier verkündete den vermeintlichen Tod von Napoleon: Märkte wurden schon immer manipuliert. Doch was früher als Kavaliersdelikt galt, wird heute drastisch bestraft. Lesen Sie, auf welche Betrugsmaschen Sie in Ihrem Unternehmen achten sollten.

Es war der 21. Februar 1814 um ein Uhr nachts, als die Türe des «Ship Inn» in Dover plötzlich aufgerissen wurde und ein bourbonischer Offizier, scheinbar sehr erschöpft, hereinstürmte. Er sei eben von Frankreich herübergefahren und habe die grösste Neuigkeit der letzten 20 Jahre dabei. Alsdann bat er um Tinte und Papier und schrieb einen Brief an die Admiralität in London mit «Nachrichten der fröhlichsten Art», nämlich: «Bonaparte wurde von einer Gruppe von Kosaken gefasst. Und diese metzelten ihn sofort nieder.»

Die Nachricht vom Ableben Napoleons machte die Runde. Die Menschen reagierten erleichtert und die Märkte euphorisch. Doch als der Schwindel aufflog – Napoleon sollte erst sieben Jahre später sterben – zeigte sich, dass der vermeintliche Offizier und seine Kumpanen zuvor britische Staatsanleihen gekauft hatten und damit einen Gewinn von 0,5 Millionen Pfund (heute GBP 50 Mio.) erzielten. Die Verschwörer wurden strafrechtlich verfolgt, ihre Tat schuf einen juristischen Präzedenzfall und ging als «The Great Stock Exchange Fraud of 1814» in die Geschichte ein.

Seit wann gibt es Marktmissbrauch?

Der vermeintliche Tod Napoleons ist ein prominentes Beispiel von Marktmissbrauch – aber weder das erste noch das letzte: Bereits 600 vor Christus kaufte der Philosoph Thales den Markt für Olivenpressen leer und schuf so ein Monopol. Und alleine für den Straftatbestand des Insiderhandels brachte die amerikanische Wertpapier- und Börsenaufsicht SEC im Jahr 2022 43 Anklagen vor Gericht (15 mehr als im Jahr zuvor). 

Was ist Marktmissbrauch?

Um den unzähligen Möglichkeiten, den Markt auf unlautere Art zu beeinflussen, gerecht zu werden, ist die Definition der US-amerikanischen Securities and Exchange Commission sehr breit gehalten: «Marktmanipulation liegt dann vor», schreibt sie, «wenn jemand das Angebot oder die Nachfrage nach einem Wertpapier künstlich beeinflusst (beispielsweise, um die Aktienkurse drastisch steigen oder fallen zu lassen).» 

6 Arten des Marktmissbrauchs

Trotz dieser sehr allgemeinen Formulierung und obwohl Betrügerinnen und Betrüger sehr erfinderisch sind, gibt es heute tatsächlich so etwas wie eine abschliessende Taxonomie der Schummeleien. Das Financial Markets Standards Board (FMSB), eine Non-Profit-Organisation, die neue Marktstandards entwickelt, hat in einer gross angelegten Studie 400 Fälle von Marktmissbrauch aus 28 Ländern und 200 Jahren untersucht. Das FSMB hat fast zwei Dutzend verschiedene Techniken in sechs Themen gruppiert. 

Das Motto der Studie heisst: «Die Geschichte mag sich nicht wiederholen. Aber sie reimt sich.» – Entscheiden Sie selbst, in welche Kategorie Sie den «Great Stock Exchange Fraud of 1814» einteilen würden.

1. Kursmanipulation

Zu den Verhaltensweisen, die den Kurs von Wertpapieren oder Derivaten in unzulässiger Weise beeinflussen, gehören:

Spoofing

Der Begriff stammt aus der IT und bedeutet «Täuschung», «Manipulation» oder auch «Verschleierung» und bezieht sich auf den Versuch, die eigene Identität zu verstecken. An den Märkten meint Spoofing die Vortäuschung falscher Tatsachen: Indem die betrügende Partei eine grössere Kauf- oder Verkaufsorder einstellt, täuscht sie Interesse vor – der Auftrag wird jedoch unverzüglich wieder gelöscht.

Layering

Bei dieser besonderen Form des Spoofings gibt die betrügende Partei mehrere Aufträge an verschiedenen Orten ein und versucht so, Marktliquidität vorzutäuschen. 

Ramping

Beim Aufbau (Hochfahren) einer Wertpapierposition durch den Kauf mehrerer kleiner Pakete steigen die Preise stetig. So wird der Markt künstlich aufgebläht und die betrügende Partei kann schliesslich ein grosses Paket des Wertpapiers zu einem überhöhten Preis verkaufen.

Pools

Handelsringe, die Transaktionen absprechen, wollen Marktaktivität vortäuschen und so die Preise in die Höhe treiben. Die Manipulationen dieser Pools erfolgen in der Regel über längere Zeiträume – zum Teil über Monate. 

Cornering the Market

«Den Markt beherrschen» ist der Versuch, eine Vormachtstellung zu erlangen, um den Preis einer Ware, eines Wertpapiers und/oder eines damit verbundenen Derivats zu beeinflussen.

Squeeze

Wenn keine marktbeherrschende Position angestrebt wird, sondern lediglich eine ausreichend grosse Position, um die Preise zu beeinflussen, nennt man das Squeeze.

Bull/Bear Raid

Die Veröffentlichung falscher oder irreführender Informationen über ein Wertpapier oder über seinen Emittenten kann den Kurs beeinflussen. Je nachdem, ob der Kurs steigen oder sinken soll, spricht man von einem Bull oder Bear Raid. 

Pump-and-Dump

Pump-and-dump ist eine bekannte Spielart des Bull Raids, bei dem ein Wertpapier zuerst gehypt («aufgepumpt») und wenn der Preis genügend hoch ist, die eigene Position aufgelöst («gedumpt») wird.

2. Zirkulärer Handel

In der Regel bezeichnet zirkulärer Handel Geschäfte, die sich gegenseitig aufheben, und die daher keine Übertragung von Marktrisiken oder Wert mit sich bringen. Zu Transaktionen ohne kommerziellen Grund gehören:

Wash Trades

Der gleichzeitige Kauf und Verkauf desselben Finanzinstruments zwischen zwei Gegenparteien, wobei Preis und Umfang stabil bleiben, nennt sich Wash Trade. Keine Partei zieht einen Nutzen durch die Transaktion oder beeinflusst ihre Risikostruktur.

Churning

Wenn es bei Wash Trades nur darum geht, Kommissionen zu generieren, liegt ein Fall von Churning (churn: «schütteln») vor. 

Kompensationsgeschäfte

Bei dieser Variante von Wash Trades dient die Wertpapiertransaktion dazu, eine Zahlung zu verschleiern und nicht primär dazu, einen Markt zu manipulieren – wobei das oft als Kollateraleffekt auch geschieht. 

Parking

Wertpapiere können an eine andere Partei verkauft werden mit der Zusage, dass die verkaufende Partei sie nach kurzer Zeit und zu einem abgemachten Preis zurückkaufen wird. Wenn das Ziel dabei ist, den tatsächlichen Besitz zu verschleiern, nennt man das Parking.

3. Missbrauch von Insiderwissen

Insiderwissen wird zum Nachteil für Dritte bei:

Insiderhandel

Erlangt die verkaufende oder kaufende Partei einen unlauteren Vorteil durch die Nutzung von Insiderinformationen, liegt Insiderhandel vor.

Weitergabe von Informationen

Die Weitergabe von Insiderwissen ist illegal.

4. Preisbeeinflussung

Die Beeinflussung oder auch nur der Versuch der Beeinflussung von Preisen, die im Markt dazu verwendet werden, andere Positionen zu bewerten, ist unzulässig. Dazu gehören:

Eingabebasierte Manipulation

Hier geht es um die Übermittlung falscher oder ungenauer Informationen, die zur Berechnung eines Schlusskurses, Referenzpreises oder Indexes verwendet werden. 

Transaktionsbasierte Manipulation

Hier geht es um den Kauf oder Verkauf eines hohen Volumens von Wertpapieren und/oder Derivatkontrakten in der Absicht, eine Benchmark unzulässig zu beeinflussen.

Portfoliokursmanipulation

Diese Kursmanipulation hat das Ziel, die Portfolioperformance vor dem Meldezeitraum zu verbessern, und wird auch Window Dressing genannt.

Auslösen/Schützen von Schwellenwerten

Diese Technik beschreibt das bewusste Über- respektive Unterschreiten von Schwellenwerten, die als Referenzwerte für zugehörige Derivatkontrakte dienen. 

5. Unsachgemässe Auftragsabwicklung

Kunden oder deren Daten können missbraucht werden bei:

Weitergabe von Informationen über Kundenaufträge

Werden Inhalte über Kundenaufträge verbreitet, erhalten Dritte einen Informationsvorteil gegenüber dem Markt.

Front-Running

Die betrügerische Partei schliesst ein Geschäft im Vorfeld eines ihr bekannten ausstehenden Auftrags ab, um von den erwarteten Auswirkungen auf den Markt zu profitieren (sie läuft voraus).

Cherry Picking

Wird die Zuteilung eines Wertpapiers an die Kundin oder den Kunden zurückgehalten, bis klar ist, ob es ein Gewinn- oder Verlustgeschäft ist, spricht man von Cherry Picking. Bewegt sich der Markt in eine negative Richtung, wird der Auftrag dem Kunden oder der Kundin zugewiesen. Wenn sich der Markt positiv entwickelt, wird der Auftrag von der betrügenden Partei selbst übernommen.

Auslösen/Schützen von Stop-Loss-Aufträgen

Bei der bewussten Auslösung respektive dem Schutz von Stop-Loss-Aufträgen und Limiten verschafft sich die betrügende Partei einen Vorteil – meist zum Nachteil von Kundinnen oder Kunden sowie anderen Marktteilnehmern.

6. Irreführung

Ein irreführender Eindruck bei Kundinnen und Kunden oder Marktteilnehmenden kann entstehen durch:

Weitergabe ungenauer oder falscher Informationen

Falsche Informationen können Gebote, Offerten oder Transaktionen betreffen, für die es gar keine Aufträge gab oder die schlicht nie stattgefunden haben.

Die Aufsichtsbehörden schauen immer genauer hin, ob Missbräuche eintreten, und zögern nicht, diese zu ahnden. Für Finanzinstitute ist es wichtig, Missbrauchs- und Manipulationsversuche zu überwachen und im Idealfall zu verhindern.