Tokenization: Are Works of Art the New Stocks?

Tokenization: Are Works of Art the New Stocks?

Die Blockchain-Technologie ermöglicht den Handel von digitalisierten Vermögenswerten. Dazu können auch Non-bankable Assets wie Immobilien oder Gemälde gehören. Der technologieaffine Konzeptkünstler Kevin Abosch diskutiert mit Juan Dominguez von der Investitionsplattform Maecenas die Auswirkungen auf den Kunstmarkt.

Kevin Abosch, Sie sind bekannt als der Künstler, der zum Bitcoin wurde. Wie lebt es sich als Kryptowährung?

Kevin Abosch Ich muss immer schmunzeln, wenn die Rede darauf kommt. Die Headline des Magazins «Forbes», auf die Sie sich beziehen, ist natürlich clever gewählt, entbehrt aber jeder Grundlage. Ich habe mit dem IAMA Coin ein virtuelles Kunstwerk geschaffen beziehungsweise 10 Millionen virtuelle Kunstwerke.

Ich habe dafür analog zu Bitcoin die Blockchain-Technologie verwendet, namentlich das Protokoll von Ethereum. Das macht IAMA aber noch nicht zur Kryptowährung. Gemeinsam mit Kryptowährungen hat der Token, dass er mit bis zu 18 Dezimalstellen schier unendlich fraktionierbar ist.  Faszinierend finde ich, dass jeder Bruchteil eines IAMA Coins den gleichen inneren künstlerischen Wert hat wie ein ganzer oder mehrere Coins. Und trotzdem gibt es Leute, die 10’000 IAMA Coins kaufen wollen.

Juan Dominguez Vielleicht sehen sie darin ein Investment, verknüpft mit der Hoffnung, dass Ihr virtuelles Kunstwerk, und damit ihr Anteil daran, im Wert steigt. Bei Maecenas versuchen wir, solche Investments auch für physische Kunstwerke zu ermöglichen. Wir «verwandeln» zum Beispiel ein einzelnes Gemälde mithilfe der Blockchain-Technologie in viele Anlage-Token. Diese repräsentieren einen prozentuellen Anteil am physischen Kunstwerk und können auch gehandelt werden.
 

Wie eine Aktie?

Dominguez Unsere Anlage-Token sind ungefähr mit Aktien vergleichbar. Aber seit der erfolgreichen Auktion des Gemäldes «14 Small Electric Chairs» von Andy Warhol 2018 mussten wir umdenken. Diese Auktion, die unsere erste war, hatten wir als Security Token Offering aufgesetzt. Aus regulatorischer Sicht positionierte uns das in der Nähe klassischer Wertschriften.

Da die Gesetzgebung aber zurzeit nicht in allen Punkten parallel zur technologischen Entwicklung verläuft, sprechen wir heute von Anlage-Token. Mit anderen Worten, wir haben das Prozedere angepasst, um weiterhin compliant zu sein.
 

Abosch Die Vorsicht bezüglich der Gesetzgebung auf dem Gebiet der Blockchain-Technologie und bei Initial Coin Offerings tangiert in gewissem Sinn auch mich. Ein ehemaliger Bundesstaatsanwalt hat mir geraten, das Wort «Investition» nie in einem Atemzug mit dem Begriff «IAMA Coin» zu nennen. Ich habe jedoch nie behauptet, dass die 10 Millionen Token, die ich geschaffen habe, ein gutes Investment seien, geschweige denn, dass sie den Charakter von Wertschriften haben.

Es sind virtuelle Kunstwerke und eine Reaktion darauf, dass sich der Blick auf mein Werk vom künstlerischen auf den finanziellen Wert zu verschieben begann. Es war mein Versuch, diese Verschiebung zu kontrollieren.


Das ist eine überraschende Aussage für einen Künstler, der 2015 die Fotografie einer Kartoffel für eine Million US-Dollar verkauft hat.

Abosch
Nun, «Potato #345» hing jahrelang bei mir in der Wohnung, bevor es einem meiner Gäste so gut gefiel, dass er es kaufen wollte. Wir einigten uns. Der Preis steht in Relation zu Preisen einiger anderer meiner Kunstwerke. Ich könnte ausführen, warum die Kartoffel für mich ein Symbol für die gemeinsamen Erfahrungswerte innerhalb des menschlichen Daseins ist und so weiter. Viel interessanter ist doch aber die Diskussion um die Preisfindung und wie dadurch eine Wertzuschreibung stattfindet.

Dominguez Und da sind wir jetzt mittendrin. Wer bei unserer Warhol-Auktion einen Token oder Teile davon ersteigert hat, wird das Symbol WRHL1 in seiner Wallet, seiner digitalen Brieftasche, vorfinden. Es repräsentiert seinen ­Anteil am physischen Kunstwerk. Aber besitze ich mit einem IAMA Coin in meiner Wallet tatsächlich einen Teil von Ihnen?

Abosch Das ist die Frage, nicht? Objektiv betrachtet ist beim IAMA Coin der ­Token an sich schon das Kunstwerk. Es war mir aber wichtig, eine Verbindung zur realen Welt zu schaffen.

Zum Glück ist meine Frau Ärztin. Sie hat mir Blut abgezapft, das ich als Tinte verwendet habe, um die alphanumerische «Contract»-Adresse des Coins auf Papier zu drucken. Daraus sind mehrere physische Kunstwerke entstanden, die mit den virtuellen Kunstwerken verbunden sind. Darum habe ich auch das Gefühl, jeder IAMA Coin sei ein Teil von mir.
 

Wir ‹verwandeln› ein einzelnes Gemälde mithilfe der Blockchain-Technologie in viele Anlage-Token.

Juan Dominguez, Maecenas


Dominguez
Bei uns geht es natürlich ausschliesslich um die Verbindung zur realen Welt – zum tatsächlichen Kunstwerk und zum tatsächlichen Wert. Darum verwenden wir auch viel Zeit darauf, die Echtheit eines Kunstwerks zu überprüfen und natürlich auch darauf, einen realistischen Preis festzulegen. Für den Warhol gingen wir von USD 5,6 Millionen aus, was 1’000’000 Tokens à USD 5.60 entspricht.

Abosch Aber ist ein realer Gegenwert so wichtig? Ich habe für einen guten Zweck das Foto einer Rose tokenisiert  und mit Blockchain-Technologie versteigert – ohne dass jemand das Foto oder Teile davon erhalten hat.

Viele Leute hatten Mühe, zu verstehen, dass ein Kunstwerk, das man nicht aufhängen oder vielleicht nicht einmal sehen kann, einen Wert hat. Ironischerweise waren das die gleichen Leute, die mit Kryptowährungen handeln. Die sind ebenso immateriell und «mechanisch» identisch mit meinen virtuellen Kunstwerken.
 

Wird der Kunstmarkt disruptiert?

Der Konzeptkünstler Kevin Abosch und Juan Dominguez, Chief Strategic Officer von Maecenas, waren Teil einer vierköpfigen Gesprächsrunde am SIX Innovation Day 2019. Alban Fischer, Director Digital bei Art Basel, pflichtete Kevin Abosch bei: «So kreativ die Kunstwelt auf Seiten der Künstler ist, so konservativ ist sie, wenn es um die Digitalisierung von Branchenprozessen geht. Es gibt Käufer, die mit dem Kopf Kunst kaufen, die kalkulierenden Investoren. Es gibt Käufer, die mit dem Herzen Kunst kaufen, die leidenschaftlichen Sammler. Und dann gibt es noch die, die die Nähe zur Kunstszene aus sozialen Gründen suchen. Technologie hat wohl nicht für alle diese Gruppen die gleiche Bedeutung.»

Das Foto oben von Kevin Abosch und Juan Dominguez ist im Migros Museum für Gegenwartskunst entstanden. Heike Munder, die Direktorin des Museums, betonte als vierte Teilnehmerin der Gesprächsrunde die Erlebbarkeit von Kunst: «Die Leute lieben die physikalische Komponente eines Objekts. Sie wollen es berühren, riechen, besitzen.»

Im Kontrast dazu betrachten Plattformen wie Maecenas Kunst als Anlagemöglichkeit. Die Blockchain-Technologie macht aus einem einzelnen Kunstwerk viele Anlage-Tokens, die in Zukunft auch gehandelt werden können – zum Beispiel an der SIX Digital Exchange (SDX). SDX war auch eine der Initiativen, die am SIX Innovation Day 2019 an Ständen, in Workshops und in Präsentationen vorgestellt wurden. 17 interne Experten für Themen wie Analytics, Robotics oder Design Thinking erklärten Mitarbeitenden und Gästen, wie bei SIX Ideen entstehen und umgesetzt werden.


Und den Warhol? Kann sich den jemand an die Wand hängen?

Dominguez Zurzeit befindet er sich in einem Tresor in der Schweiz. Aus Investorensicht ist es das Beste, das Kunstwerk an einem Ort mit optimaler Luftfeuchtigkeit, Temperatur und Beleuchtung zu lagern, geschützt vor Beschädigungen und Diebstahl. Das reduziert auch die Versicherungsprämien.

Lagerkosten und Versicherungsprämien werden übrigens nicht laufend den Besitzern der Token in Rechnung gestellt. Das wäre nicht effizient. Diese Kosten sind bereits in den Verkaufspreis eingerechnet. Angenommen, eine einzelne Person würde einen Grossteil der Token erwerben und einen gewissen Schwellenwert erreichen, dürfte er das Kunstwerk nach Hause nehmen. Ähnlich einem Squeeze-out bei Aktien könnte er vorher die wenigen verbleibenden Token mit Aufschlag erwerben.

Abosch Die Verwaltung dieser Art von geteiltem oder «fraktioniertem» Eigentum scheint kompliziert zu sein. Aber natürlich ist es keine neue Idee. Ich habe auch schon erlebt, dass Sammler sich zusammengetan haben, um gemeinsam ein physisches Kunstwerk von mir zu erwerben. In einigen Fällen wird es herumgeschickt und hängt alle sechs Monate in einem anderen Wohnzimmer. Das funktioniert wahrscheinlich am besten in kleinen Gruppen.

Leider gibt es auch Beispiele, in denen ein Kunstwerk von mir irgendwo in einem Tresor landet und der Käufer auf eine Wertsteigerung wartet. Ich finde es immer schade, wenn Kunstwerke von der Bildfläche verschwinden.

Dominguez Falls Museen oder Galerien unseren Richtlinien genügen und von der Versicherung genehmigt sind, kommen sie durchaus als Lagerstätten infrage. Einer öffentlichen Präsentation stünde dann meines Erachtens nichts im Weg.


Apropos Galerien, sollten diese sich sorgen, dass die Blockchain-Technologie sie überflüssig macht?

Abosch Die Blockchain-Technologie hat das Potenzial, die Macht von Regierungen und Institutionen auf das Volk zu verlagern. Für den Kunstmarkt könnte das bedeuten, dass Künstler Wege finden können, um Galerien zu umgehen, indem sie ihre Werke direkt an ihre Kundschaft verkaufen. Dennoch glaube ich, dass Galerien immer eine wichtige Rolle spielen werden, wenn es darum geht, junge Künstler zu entdecken und sichtbar zu machen.

Dominguez Tatsächlich versuchen wir Käufer und Verkäufer direkt zu verbinden – nicht zuletzt, um die Vermittlungsgebühren zu verringern. Die Verkäufer sind bei uns bis anhin jedoch nicht die Künstler selbst – noch nicht. Zurzeit versuchen wir eher, den Kunstmarkt auf Käuferseite zu vergrössern. Unsere Plattform senkt durch transparente Prozesse die Hürden für Neueinsteiger.
 

Das Sammeln von Kunst hat eine menschliche, in der realen Welt verortete Komponente.

Kevin Abosch, Konzeptkünstler


Abosch
Das Argument der Transparenz führen auch andere Plattformen ins Feld, die auf Blockchain-Technologie setzen. Ich bezweifle aber, dass das im Kunstmarkt verfängt. Man kann das bedauern oder auch nicht, aber der Kunstmarkt ist nicht unbedingt bekannt dafür, Transparenz zu fördern. Und vielen Teilnehmern ist das ganz recht.

Dominguez Aber bestimmt nicht allen. Zur Transparenz gehört neben dem Nachweis der Echtheit eines Kunstwerkes auch die Preisfindung, wie ich es vorhin am Beispiel des Warhols beschrieben habe. Wenn ich eine Aktie von Apple kaufen will, finde ich ohne grossen Aufwand den zuletzt gehandelten Kurs. Bei einem Kunstwerk, das letztmals vor Jahrzehnten zum Verkauf stand, ist das ungleich schwieriger.

Abosch Ich kann das nachvollziehen – wenn wir Kunst als reines Investment betrachten. Aber es gibt unzählige Gründe, warum jemand Kunst kauft. Das Sammeln von Kunst hat eine menschliche, in der realen Welt verortete Komponente. Und diese drosselt den Effekt von Plattformen, die mithilfe von Technologie versuchen, den Kunstmarkt zu revolutionieren.

Gruppenverhalten oder soziale Anerkennung können Kaufentscheidungen beeinflussen – die persönliche Interaktion mit Künstlern oder Agenten ebenfalls. Ich denke, der Kunstmarkt ist ein Markt, der schwer zu disruptieren ist, obwohl ich glaube, dass fast alles disruptiert werden kann.

Dominguez Über den Investitionsaspekt hinaus haben auch wir durchaus den Anspruch, Leute für Kunst zu begeistern, die vorher noch keinen Bezug dazu hatten. Nehmen Sie mich zum Beispiel: Bevor ich bei Maecenas angefangen habe, wusste ich nicht viel über Kunst. Es wäre mir nie in den Sinn gekommen, ein Bild zu kaufen. Heute würde ich, hätte ich die Mittel, gerne in Kunst investieren. Es müsste kein Warhol sein. Ich würde auch junge, unbekannte Künstler in Betracht ziehen. Genauso wie ich am Aktienmarkt nicht nur in Blue Chips investieren würde.

Abosch Ich frage mich, ob wir dafür die Blockchain-Technologie brauchen. Der beste Grund, Kunst zu kaufen, ist, ein Kunstwerk erleben zu wollen – oder zumindest am Erlebnis teilhaben zu wollen.