Es gab einmal eine Zeit, da war LIBOR, die London Interbank Offered Rate, eine ausserhalb der Bankenwelt wenig bekannte Abkürzung. Die Manipulation des Referenzzinssatzes führte jedoch zu einer mittlerweile sechs Jahre andauernden öffentlichen Diskussion über dessen Zukunft. Jetzt ist klar: Bussgelder hin oder her – der Libor hat keine Zukunft. 2021 geht er in Rente.
Die harte Realität ist, dass Schätzungen durch ein paar wenige Banken nicht mehr genügen. Weltweit haben in den letzten Jahren nationale Arbeitsgruppen Verbesserungen vorgenommen oder neue Referenzzinssätze entwickelt, so auch in der Schweiz. Die neuen Referenzzinssätze haben alle gemeinsam, dass sie sogenannte Overnight Rates sind und auf Transaktionen anstelle von Schätzungen basieren. In weniger als zwei Jahren fällt die Unterstützung für den Libor weg und die Banken müssen darauf basierende Verträge, Produkte, Systeme und Prozesse auf neue, alternative Referenzzinsätze (ARR) umstellen. Die Komplexität der Umstellung auf ARR sollte nicht unterschätzt werden. SIX stellt mit dem SARON, dem Swiss Average Rate Over Night, bereits seit 2009 eine robuste Alternative zum CHF LIBOR zur Verfügung. Hier die fünf wichtigsten Unterschiede:
1. Geldmarkt
SARON
SIX betreibt die voll automatisierte Handelsplattform (SIX Repo) für den besicherten Geldmarkt (kurzfristige Kredite) in der Schweiz. Der SARON reflektiert diesen sogenannten Repo-Markt. Es gilt «Geld gegen Sicherheit».
LIBOR
Der LIBOR reflektiert den unbesicherten Geldmarkt (kurzfristige Kredite). Es gilt «Geld gegen Bonität» (keine Sicherheiten verlangt).
2. Teilnehmer
SARON
160 Banken und Versicherungen nehmen am Schweizer Repo-Markt teil. Darunter auch die Schweizerische Nationalbank (SNB), die so die Schweizer Wirtschaft mit Liquidität versorgt.
LIBOR
Eine Gruppe von 11 bis 16 Banken (Panel-Banken) beteiligt sich an der Festsetzung des LIBOR.
3. Grundlage
SARON
Banken erhalten von der SNB Geld, indem sie ihre Wertpapiere als Sicherheit hinterlegen. Sie verpflichten sich, diese später zurückzukaufen und zahlen einen Zins. Nach diesem Prinzip leihen sich Banken auch untereinander Geld (besicherter Interbankenmarkt).
LIBOR
Die Banken beantworten die Frage: «Zu welchem Zinssatz könnten Sie Geld leihen, wenn Sie eine andere Bank um ein Angebot für eine angemessene Marktgrösse bitten?». Unerlaubte Absprachen unter einigen dieser Banken führten 2011 zum LIBOR-Skandal.
4. Werte und Berechnung
SARON
In die Berechnung des SARON fliessen abgeschlossene Transaktionen und handelbare Preise (Quotes) ein. Das sind im Jahresdurchschnitt etwa 110 Zinssätze pro Tag.
LIBOR
In die Berechnung des LIBOR fliessen die Schätzungen der Banken ein. Je nachdem wie viele Banken sich beteiligen, sind das zwischen 5 und 8 Werte. Die höchsten und tiefsten 3 bis 4 Werte fliessen nicht ein.
5. Veröffentlichung
SARON
- Berechnung/Veröffentlichung alle 10 Minuten
- Fixierung dreimal am Tag (Schlusskurs: 18.00 Uhr)
- Verfügbar in einer Währung (CHF)
LIBOR
- Berechnung einmal am Tag
- Veröffentlichung einmal am Tag
- Verfügbar in fünf Währungen (CHF, EUR, GBP, JPY, USD)
Christian Bahr
Als Head Index ist Christian Bahr für das gesamte Indexgeschäft und die damit verbundenen Services bei SIX zuständig und Vorsitzender der Indexkommissionen. Er verfügt über breite Kenntnisse auf dem Gebiet passiver Investments und Indizes sowie langjährige Erfahrung im Marktdatengeschäft. In früheren Funktionen bei STOXX (Deutsche Börse) und Dow Jones Indexes war er für die Produktentwicklung, das Engineering und das Indexmanagement verantwortlich.