Inhaltsverzeichnis
- Steigende Dynamik der Sanktionen im Wertschriftenhandel
- ETFs und Fonds: Komplexe Strukturen erfordern komplexe Compliance
- Wer bestimmt die Schwellenwerte für Sanktionen in ETFs und Fonds?
- Sanktionierte Fonds-Komponenten: Erhöhtes Risiko durch Umgehungsstrategien
- KYC reicht nicht: Die Herausforderungen von Compliance bei ETFs und Fonds
- Was sind die Folgen mangelnder Sanktionsüberwachung bei ETFs und Fonds?
- Wer muss die Sanktionsvorgaben für ETFs und Fonds kennen?
- Komplex und ressourcenintensiv: Operative Belastung in der Sanktions-Compliance
- Sanktionsmonitoring in Echtzeit mit SSMS Funds
- Wo sanktionierte ETF- und Fonds-Komponenten besonders häufig auftreten
Unser Alltag besteht aus vielen Risiken. Ein auf dem Gebrauchtwagenmarkt gekauftes Auto mag von aussen tadellos wirken, beim genaueren Hinsehen zeigen sich allerdings verborgene Schäden. Im schlimmsten Fall ist es ein technischer Totalschaden – und das investierte Geld futsch. Der Ökonom George Akerlof hat dieses sogenannte Lemons-Problem bereits 1970 beschrieben: Weiss die verkaufende Partei mehr über die Qualität eines Produkts als die kaufende Partei, entsteht Informationsasymmetrie. Diese führt zu adverser Selektion – schlechte Produkte verdrängen gute.
Was für Autos gilt, lässt sich auch auf die Finanzwelt übertragen: In ETFs und traditionellen Fonds können sich Sanktionsrisiken verbergen, selbst wenn die Emittenten respektive Anbieter als vertrauenswürdig gelten. Denn durch die verschärfte geopolitische Lage wächst auch die Dynamik von Sanktionen im Kapitalmarkt – und damit die Herausforderung, diese einzuhalten. Wertschriften, die gestern noch erlaubt waren, können heute bereits sanktioniert und somit vom Handel ausgeschlossen sein.
Der Blick auf Russland und China zeigt, wie breit das Spektrum aktueller Sanktionen geworden ist. Unternehmen und Staaten, denen menschenrechtlich kritische Arbeitsbedingungen oder eine Nähe zur Rüstungsindustrie zugeschrieben werden, geraten zunehmend in den Fokus westlicher Regulierungsbehörden. Besonders relevant sind die US-Sanktionen gegen Unternehmen des Chinese Military Industrial Complex (CMIC), die amerikanischen Investierenden ein komplettes Investmentverbot auferlegen. Dazu kommen Menschenrechts-Sanktionsregime der EU und Grossbritanniens. Diese Vielfalt führt zunehmend dazu, dass Indizes, ETFs und Fonds selbst indirekt Sanktionsrisiken bergen.
Steigende Dynamik der Sanktionen im Wertschriftenhandel
Seit Januar 2022 ist die Zahl sanktionierter Wertschriften um rund 700 % gestiegen. Jüngste Fälle verdeutlichen die Geschwindigkeit dieser Entwicklungen. Ende September 2025 kündigte das US-amerikanische Bureau of Industry and Security (BIS) an, seine Export Administration Regulations an die 50-%-Regel des US-Finanzministeriums anzupassen.
Demnach erweitert die sogenannte Affiliates Rule Exportbeschränkungen auf ausländische Tochtergesellschaften, die zu 50 % oder mehr im Besitz von Unternehmen sind, die auf der schwarzen Liste stehen oder mit der roten Flagge versehen sind. Dieser Schritt hätte Beteiligungsstrukturen grundsätzlich neu bewertet, wurde inzwischen jedoch um ein Jahr verschoben.
Die Regelung betrifft zwar primär Import und Export und zielt nicht direkt auf Wertschriften ab. Für Anlegerinnen und Anleger kann sie dennoch risikorelevant werden: Wenn sich die Einstufung eines Unternehmens verschiebt, müssen Fondsanbieter und Investierende innerhalb kurzer Zeit prüfen, ob sie indirekt einem Risiko ausgesetzt sind.
Am 22. Oktober 2025 verhängte das US-amerikanische Office of Foreign Assets Control (OFAC) zudem Sanktionen gegen die russischen Ölriesen Rosneft und Lukoil. Innerhalb weniger Stunden mussten 91 ETFs mit einem Gesamtvolumen von 280 Milliarden US-Dollar ihre Portfolios neu berechnen und die Investierenden informieren.
ETFs und Fonds: Komplexe Strukturen erfordern komplexe Compliance
Für Compliance-Teams und Marktteilnehmer stellt die Überwachung von ETFs und traditionellen Fonds eine besondere Herausforderung dar. Anders als bei einzelnen Wertschriften bestehen diese Produkte aus umfangreichen «Körben», die je nach Index, Thema oder Strategie mehrere Hundert bis Tausend Titel umfassen können.
Bei traditionellen Investmentfonds mit teils mehrstufigen Beteiligungen ist die Lage oft noch undurchsichtiger. Der Prozess Know Your Customer (KYC) stellt zwar sicher, dass ein Fondsanbieter zugelassen ist, liefert aber keine Gewissheit über die tatsächliche Zusammensetzung seiner Produkte. Diese fehlende Transparenz führt zu gefährlichen blinden Flecken. Wird ein Unternehmen sanktioniert, entsteht eine Kettenreaktion: Indexanbieter müssen Anpassungen vornehmen, anschliessend aktualisieren ETF- und Fondsanbieter ihre Körbe und Bewertungen. Dies geschieht in der Praxis unter enormem Zeitdruck innerhalb von 24 bis 48 Stunden.
Wer bestimmt die Schwellenwerte für Sanktionen in ETFs und Fonds?
Die Frage, wie viele sanktionierte Wertschriften ein ETF oder ein Fonds enthalten darf, bevor er unzulässig wird, ist stark von der jeweiligen Rechtsordnung abhängig. Die EU und Grossbritannien verfolgen grundsätzlich einen Null-Toleranz-Ansatz gemäss EU-Verordnung 833/2014 beziehungsweise UK Regulation 16.
Gleichzeitig existieren unter beiden Regulierungen Ausnahmen und zeitliche Übergangsregelungen, etwa für Positionen, die vor Inkrafttreten der Sanktionen erworben wurden, oder für bestimmte branchenspezifische Sanktionen. Auch unterscheiden die Vorschriften zwischen direkten Beständen – also Wertschriften, die ein Fonds beispielsweise unmittelbar hält – und indirekten Beständen. Diese können über mehrstufige Strukturen oder Zwischengesellschaften auftreten, was in der Praxis zu Interpretationsspielräumen führt.
In den USA gilt für russische Beteiligungen die bekannte 50-%-Regel des US-Finanzministeriums, während für CMIC-Wertschriften ein vollständiges Investmentverbot besteht. Auch hier spielen zahlreiche Nuancen eine Rolle, darunter Stichtagsregelungen, die Behandlung bereits gehaltener Positionen und Unterschiede in der Art der Beteiligung.
Praxisbeispiel: Vanguard-Fonds mit CMIC-Wertschriften
Ein irischer Vanguard-Fonds kann Wertschriften enthalten, die mit dem CMIC in Verbindung stehen, und weiterhin in seiner eigenen Rechtsordnung zugelassen sein. Für Investierende in den USA wäre eine Investition dennoch unzulässig, weil die Regelungen des OFAC des US-amerikanischen Office of Foreign Assets Control unabhängig von der Herkunft des Fonds gelten.
Sanktionierte Fonds-Komponenten: Erhöhtes Risiko durch Umgehungsstrategien
Die gegenwärtige Sanktionsdynamik führt auch zu Versuchen, regulatorische Lücken auszunutzen. Ein aktuelles Beispiel ist der Zusammenschluss der chinesischen Technologiefirmen Hygon und Sugon. Sugon steht auf der CMIC-Liste und ist damit für Investierende aus den USA tabu, während Hygon «nur» auf der BIS-Entity-List geführt wird. Im Gegensatz zur CMIC-Liste und der (derzeit verschobenen) Affiliates Rule verbietet diese Exportkontrollliste Investitionen grundsätzlich nicht. Der Zusammenschluss könnte aber dazu führen, dass in Hygon Investierende indirekt und unerlaubterweise zu in Sugon Investierenden werden.
Bei sogenannten Shell Companies zeigt sich eine ähnliche Thematik. Über zwischengeschaltete Zweckgesellschaften in Offshore-Domizilen werden wirtschaftliche Verbindungen oft verschleiert oder fragmentiert dargestellt, um unter den Schwellenwerten zu bleiben oder indirekte Beteiligungen zu kaschieren. Solche Strukturen können oberflächlich konform wirken, erfüllen aber wirtschaftlich die Kriterien eines verbotenen Engagements.
Beide Beispiele zeigen, wie wichtig es ist, mehrstufige Beteiligungen und wirtschaftliche Eigentumsverhältnisse genau zu prüfen, da Umgehungsstrategien der Unternehmen den Emittenten und Investierenden zum Verhängnis werden könnten.
KYC reicht nicht: Die Herausforderungen von Compliance bei ETFs und Fonds
Sanktionsüberwachung bei ETFs und Fonds ist operativ anspruchsvoll. Compliance-Teams müssen nicht nur die sich ständig verändernde Sanktionslandschaft im Blick behalten, sondern auch tief in die Struktur jedes Produkts eintauchen. Sie müssen …
- … prüfen, ob ein ETF oder Fonds sanktionierte Wertschriften enthält;
- … die Gewichtung jeder Komponente ermitteln;
- … branchenspezifische und zeitlich begrenzte Sanktionen berücksichtigen;
- … relevante Rechtsräume parallel überwachen.
Diese Aufgaben sind zeitintensiv und fehleranfällig, insbesondere bei täglichen Aktualisierungen regulatorischer Listen. Diese können innerhalb eines Handelstags eine komplette Neubewertung auslösen.
Was sind die Folgen mangelnder Sanktionsüberwachung bei ETFs und Fonds?
Wo Sanktionen nicht eingehalten werden, drohen wirtschaftliche Folgen. Sanktionierte Komponenten verlieren oft massiv an Wert, weil ihre Liquidität einbricht. Das kann die Rentabilität eines Fonds erheblich beeinträchtigen – selbst wenn die betroffenen Positionen nur einen kleinen Teil des Portfolios ausmachen. Wer Sanktionsrisiken zu spät erkennt, riskiert aber nicht nur schlechte Renditen, sondern auch hohe Geldstrafen, Reputationsschäden sowie eingefrorene Investments.
Im Zuge der Russland-Sanktionen ab 2022 etwa wurden mehrere Fonds für den Handel geschlossen. Anlegerinnen und Anleger konnten ihre Positionen nicht mehr veräussern, weil die Wertschriften illiquide wurden oder regulatorisch blockiert waren. So gab es Fälle, in denen das Gesamtvolumen aller Vermögenswerte (Assets under Management, AUM) um mehrere Milliarden schrumpfte.
Gemäss Fenergo, dem Hersteller von Software gegen Finanzkriminalität, haben sich die weltweiten Geldstrafen in Zusammenhang mit Sanktionen seit 2024 vervierfacht. Und in den USA mündeten jüngste OFAC-Verfahren in Strafbeträge in bis zu dreistelliger Millionenhöhe.
Wer muss die Sanktionsvorgaben für ETFs und Fonds kennen?
Die Verantwortung zur Einhaltung von Sanktionsvorgaben erstreckt sich über die gesamte Wertschöpfungskette – von Emittenten über Broker bis hin zum Fondsmanagement und zu den Compliance-Teams.
Bei ETFs liegt die Pflicht in erster Linie bei den Emittenten. Sie müssen sicherstellen, dass ihre Produkte keine Wertschriften enthalten, die in ihrem eigenen Rechtsraum oder gemäss den Rechtsordnungen der Investierenden sanktioniert sind. Das bedeutet, dass sie nicht nur die Zusammensetzung ihrer Körbe kennen, sondern auch die regulatorischen Unterschiede zwischen den Märkten berücksichtigen müssen.
Broker und andere Intermediäre, die ETFs handeln oder in sie investieren, sind ebenfalls in der Pflicht. Sie müssen die Bestände innerhalb der Produkte prüfen, um sicherzustellen, dass sie nicht in Fonds investieren, die sanktionierte Wertschriften über den vorgeschriebenen Schwellenwert hinaus enthalten. Besonders heikel wird es bei grenzüberschreitenden Investments: Ein US-Investor, der in einen Hongkong-ETF investiert, muss sich möglicher CMIC-Risiken bewusst sein – selbst wenn der Fonds in seiner Rechtsordnung zugelassen ist.
Für traditionelle Fonds gilt dasselbe Prinzip, jedoch mit zusätzlichen Herausforderungen. Fondsmanager und Verwahrstellen müssen nicht nur die direkten Bestände überwachen, sondern auch die Strukturen von Dachfonds und Subfonds. Die über mehrere Ebenen hinweg fehlende Transparenz macht es notwendig, dass diese Akteure sogenannte Look-Through-Mechanismen einsetzen, um versteckte Risiken aufzudecken.
Sanktionierte Komponenten in verschachtelten Fonds-Strukturen
Look-Through-Mechanismus am Beispielfonds «Fund A» aufgezeigt.
Komplex und ressourcenintensiv: Operative Belastung in der Sanktions-Compliance
Der Aufwand für das Sanktionsmonitoring ist erheblich. Schätzungen zufolge kostet ein Compliance-Team von rund 100 Mitarbeitenden jährlich zwischen 12 und 29 Millionen US-Dollar. Vor allem kleinere Finanzinstitute haben diese Ressourcen oft nicht, was die Relevanz von automatisierten Monitoring-Lösungen unterstreicht.
Künstliche Intelligenz (KI) kann in Echtzeit Namensvarianten, unterschiedliche Schreibweisen und mehrsprachige Datensätze harmonisieren und so Fehlerquoten senken. So sind KI-Modelle besonders bei globalen Fondsstrukturen und Tausenden von Einzelkomponenten ein entscheidender Hebel. Mit dem wachsenden Einfluss alternativer Anlageformen wie Kryptowerten steigt die Bedeutung solcher Systeme zusätzlich.
Sanktionsmonitoring in Echtzeit mit SSMS Funds
Der Sanctioned Securities Monitoring Service (SSMS) von SIX berücksichtigt mehr als 30 Millionen Finanzinstrumente, über 400 Millionen Unternehmen sowie 150 Millionen wirtschaftlich Berechtigte. Relevante Sanktionslisten werden zweimal täglich eingespielt und ausgewertet.
Das System erfasst wöchentlich im Schnitt rund 26'250 Änderungen, wie beispielsweise regulatorische Updates oder Wechsel von Anteilseignern. Das Sanktionsteam überprüft ausserdem täglich im Durchschnitt 83 verdächtige Unternehmen und Personen.
Das neue Modul SSMS Funds erweitert den Service um mehr als 185'000 Fonds und 12'500 ETFs in elf Rechtsräumen, namentlich Australien, Kanada, Schweiz, die Europäische Union, Hong Kong, Japan, Niederlande, USA (OFAC), Singapur, Grossbritannien und die Vereinten Nationen. Ab 2026 kommt mit Neuseeland ein zwölfter hinzu. Ein Look-Through über drei Ebenen erkennt sanktionierte Komponenten innerhalb verschachtelter Fondsstrukturen (Dachfonds).
Zweimal täglich zeigt das Tool in verständlichen Berichten jede betroffene Komponente, ihr Gewicht, ihre Rechtsordnung sowie die relevante Sanktionsverordnung auf. Auch erhalten Kunden Informationen zu identifizierten Sanktionen umgehend per Flash Mail Service. Insgesamt deckt das Tool 90 % der weltweiten Sanktionen ab.
Wo sanktionierte ETF- und Fonds-Komponenten besonders häufig auftreten
Die granulare Datenbasis des Sanctioned Securities Monitoring Service von SIX zeigt nicht nur einzelne Risiken, sondern auch strukturelle Muster im Markt. Eine Auswertung der globalen ETF-Landschaft verdeutlicht, wo sanktionierte Komponenten besonders häufig auftreten und welche Regionen am stärksten betroffen sind:
- Rund 7 % aller weltweit analysierten ETFs enthalten sanktionierte Wertschriften.
- Die meisten dieser ETFs sind in Asien, Irland und den USA beheimatet.
- China und Russland gehören zu den Ländern, aus denen besonders viele sanktionierte Komponenten stammen.
Diese Trends zeigen, dass Sanktionsrisiken nicht auf einzelne Märkte begrenzt sind, sondern global in unterschiedlichen ETF-Strukturen auftreten können. Für Marktteilnehmer wird damit die Transparenz über Domizil, Herkunft der Komponenten und regulatorische Anforderungen zunehmend zentral.
Wer Fonds und ETFs verwaltet oder handelt, braucht eine Sanktionsüberwachung, die tiefer reicht als klassische Emittentenprüfungen und die sowohl der zunehmenden regulatorischen Fragmentierung als auch der hohen Veränderungsdynamik gerecht wird.
Der Sanctioned Securities Monitoring Service (SSMS) von SIX überprüft über 12'500 ETFs und 185'000 traditionelle Fonds und deckt sanktionierte Wertschriften auch innerhalb komplexer, mehrstufiger Beteiligungen auf. Für SSMS Funds greift SIX auf Daten ihres Tochterunternehmens Ultumus zurück, das über 97 % des globalen ETF-Markts abdeckt, sowie auf die Daten von SIX Fund Full Holdings.
Das On-Demand-Webinar Navigating a Complex World: Best Data Practices in Sanctions Screening zeigt, wie Compliance- und Risiko-Teams mit Datenqualität und Automatisierung den komplexen Anforderungen des modernen Sanktionsscreenings begegnen können.
Mehr erfahren im On-Demand Webinar (Englisch)