Sind dezentralisierte Finanzmärkte die Zukunft von Open Finance?

Sind dezentralisierte Finanzmärkte die Zukunft von Open Finance?

Open Finance gilt als bedeutender Trend in der Finanzbranche. Gleichzeitig zeigt sich aufgrund der jüngsten technologischen Entwicklungen auch ein Trend hin zu dezentralisierten Finanzmärkten (Decentralized Finance DeFi). Da beide Trends eine ähnliche Zielsetzung haben, sollte man die zwei Konzepte jeweils im Zusammenhang betrachten. Die Hauptunterschiede zwischen Open Finance und Decentralized Finance bestehen insbesondere bei der jeweils verwendeten Technologie sowie bei der System-Governance. Je nach Anwendungsfall und Kundentyp ist die Einbindung unterschiedlicher Intermediäre erforderlich. Daher kann angenommen werden, dass die beiden Konzepte auch künftig nebeneinander bestehen bleiben. Dies bedingt allerdings, dass ein starker Fokus auf die Interoperabilität – die Fähigkeit zur Zusammenarbeit – gelegt wird. Plattformen können hier gebrauchsfertige Lösungen bieten und so dazu beitragen, die Komplexität für die Marktteilnehmer zu reduzieren.

Open Finance steht für den Austausch von Daten und Dienstleistungen zwischen Finanzinstituten (z.B. Banken und Versicherungen) und Drittanbietern über verfügbare und öffentliche Schnittstellen wie zum Beispiel offene Programmierschnittstellen oder kurz Open APIs, wobei der Austausch in beide Richtungen erfolgen kann. Einerseits bedeutet dies, dass sich Finanzinstitute öffnen und Teile ihrer Daten zugänglich machen müssen. Dies gilt gegenwärtig hauptsächlich für Konto- und Depotinformationen sowie für den Zahlungsverkehr. Erzielt werden Öffnung und Zugänglichkeit, indem die Finanzinstitute für vertrauenswürdige externe Drittanbieter wie zum Beispiel FinTech-Unternehmen Schnittstellen bereitstellen. Umgekehrt können die Finanzinstitute im Rahmen von Open Finance aber natürlich auch Daten und Dienstleistungen von Drittanbietern empfangen.

Neben Open Finance haben sich auch die dezentralisierten Finanzmärkte (DeFi) als ein immer wichtigerer Trend herauskristallisiert. Vorangetrieben wird diese Entwicklung durch die technologischen Fortschritte im Bereich der Distributed-Ledger-Technologie (DLT). DeFi steht für das Ineinanderfliessen der traditionellen Finanzindustrie und der DLT, wodurch vertrauenswürdige und transparente Systeme entstehen, die auf Protokollen basieren und keine Intermediäre wie Finanzinstitute mehr benötigen. Die angebotenen Produkte und Dienstleistungen basieren auf intelligenten Verträgen, sogenannten «Smart Contracts», wobei vordefinierte Regelungen und Grundsätze automatisch und selbstständig zur Anwendung kommen und alle dazugehörigen Daten auf einer Distributed-Ledger-Plattform (z.B. Blockchain) gespeichert werden. DeFi-Lösungen werden bereits in den meisten Bereichen des Finanzsektors angewendet wie beispielsweise bei Kreditvergaben, im Zahlungsverkehr, im Handel, in der Vermögensverwaltung und im Versicherungsbereich.

Wie bereits eingangs erwähnt, sollten die Konzepte von Open Finance und Decentralized Finance immer im Zusammenhang betrachtet werden, da sich die beiden Ansätze in der Praxis nur geringfügig unterscheiden, ähnliche Ziele verfolgen und auch in ihrer Funktionsweise teilweise miteinander verknüpft sind. Grundsätzlich stellen Open Finance und DeFi zwei unterschiedliche Ansätze von offenen Ökosystemen für den Finanzsektor dar. Die folgende Grafik bietet einen Überblick über die Struktur der beiden Konzepte und zeigt die Einbettung der Teilnehmer in dieser integrierten Architektur.

Die Architektur besteht aus fünf horizontalen Ebenen, die über Programmierschnittstellen – sogenannte Application Programming Interfaces oder APIs – miteinander verbunden werden können (violette Linien). Die oberste Ebene zeigt den Kunden. Die Frontend-Ebene ist die Schnittstelle zwischen dem Kunden und den Anbietern von Finanzprodukten und -dienstleistungen. Das Frontend kann beispielsweise von einer Bank, einer Versicherung, einem FinTech, einem BigTech oder einem Händler bereitgestellt werden. Die dritte Ebene stellt Ausführung & Aufbewahrung (Execution & Custody) dar: Die Ausführung der angebotenen Produkte und Dienstleistungen sowie die Aufbewahrung der damit verbundenen Vermögenswerte werden oft nicht direkt vom Frontend-Anbieter, sondern von einer Drittpartei übernommen. Im Falle von Open Finance wird dies normalerweise von einer Bank ausgeführt, aber auch alternative Plattformanbieter wie Crowdfunding-Plattformen können diese Rolle übernehmen. Hier zeigt sich nun der Hauptunterschied zu DeFi, da bei DeFi sowohl die Ausführung als auch die Aufbewahrung auf einem DLT-Protokoll beruhen. Die systematische Handhabung von Daten, hier in der vierten Ebene dargestellt, bildet die Grundlage für ein offenes Finanzökosystem. Dies beinhaltet das Speichern, Analysieren und Verarbeiten von Daten für die Bereitstellung von Finanzprodukten und -dienstleistungen. Die fünfte und unterste Ebene zeigt die notwendige technische Infrastruktur. Die vier vertikalen Balken auf der rechten Seite der Architektur stellen den Standardisierungsgrad der APIs dar, welche die Vernetzung der Teilnehmer und der verschiedenen Ebenen eines offenen Finanzökosystems ermöglichen.

Und, nicht oder: Vernetzung und Interoperabilität sind die Zukunft

Die Kunden und somit auch die Frontend-Anbieter fordern den Zugang zu traditionellen Finanzinstituten im Rahmen von Open Finance. Aber sie wünschen sich gleichzeitig auch Peer-to-Peer-Lösungen, die ohne Intermediäre auskommen, also dezentralisierte Finanzmärkte. Es ist eine grosse Herausforderung, diese Vernetzung und Interoperabilität zu ermöglichen und zu gewährleisten. Aber mit Plattformlösungen könnte dies in der Zukunft vereinfacht werden, da man so die Anzahl der Schnittstellen reduzieren und gleichzeitig den Standardisierungsgrad erhöhen kann. Als Beispiele für solche Lösungen können im Bereich Open Finance die offene Plattform b.Link oder im Bereich DeFi die Ethereum-Plattform genannt werden. Die ersten Brücken zwischen den beiden Welten werden nun zügig gebaut und weiterentwickelt, wenn auch unter strengsten regulatorischen Kontrollen.

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Dieser Blogartikel stützt sich auf ein Kapitel der IFZ-FinTech-Studie von 2021 und wird von Finnova, Inventx, SIX, Swiss Bankers Prepaid Services, Swisscom und Synpulse unterstützt.