Financial Parenting: Wie Eltern das Finanzverhalten ihrer Kinder beeinflussen

Financial Parenting: Wie Eltern das Finanzverhalten ihrer Kinder beeinflussen

Kinder müssen einen verantwortungsvollen Umgang mit Geld erst lernen. Dabei spielen die Eltern eine grosse Rolle. Lesen Sie im Interview mit Andrea Schmid-Fischer, was Financial Parenting bedeutet. Die Leiterin der Budgetberatung und der Fachstelle Volljährigenunterhalt der Frauenzentrale Luzern erklärt, wie Eltern ihre Kinder beim Erwerb von Finanzwissen unterstützen können.

Frau Schmid-Fischer, was muss ein Kind bis zur Volljährigkeit über den Umgang mit Geld verstanden haben, damit es als erwachsener Mensch nicht in Schwierigkeiten gerät?

Präventiv wirken handlungsleitende Werte und Normen, Schutzfaktoren wie Selbstvertrauen, Selbstkontrolle und die Grundannahme, selbst etwas bewirken zu können. Somit hat die Stärkung der Kinder Priorität. Trifft finanzielle Bildung auf dieses Fundament, ist das eine gute Voraussetzung, dass das selbstbestimmte «Geldleben» langfristig gelingen kann.

Wie erwerben Kinder am besten Finanzkompetenzen?

Ein Beispiel: Ein Kind wünscht sich ein Lego-Set im Wert von 200 Franken. Und jetzt? Fühlen sich die Eltern dafür verantwortlich, dem Kind den Wunsch sofort zu erfüllen oder belassen sie die Verantwortung beim Kind? Und wie kann das gelingen? Eltern können ihre Kinder ermutigen, darüber nachzudenken, wie sie ihr Ziel erreichen können. Denn meistens haben Kinder eigene Ideen, wie beispielsweise einen Teilbetrag zu sparen, mit Hilfsdiensten in der Nachbarschaft etwas dazuzuverdienen, mit anderen Kindern einen Verkaufsstand im Quartier aufzuziehen oder von Grosseltern, Gotte, Götti und Eltern Teilbeträge zum Geburtstag zu wünschen. Dabei üben Kinder nicht nur rechnen, sie müssen planen, kreativ sein oder mit der Verwandtschaft ins Gespräch kommen. Es stärkt Kinder enorm, wenn sie auf diese Art und Weise Erfahrungen machen und erleben dürfen, dass sie etwas bewirken können.

Kinder erwerben folglich Finanzkompetenzen, indem wir ihnen altersgerecht etwas zutrauen, ihre Fähigkeiten stärken und ihre Persönlichkeit berücksichtigen. Nicht jedes Kind hat die gleichen Voraussetzungen. So kann ein Kind in derselben Familie bereits sehr früh mit seinem Taschengeld zielorientiert umgehen, kommt selbst auf die Idee, das Geld zu sparen oder jemandem damit eine Freude zu machen. Ein anderes Kind gibt das Taschengeld vorschnell nur für sich aus und hat dann plötzlich kein Geld mehr.

In welchem Alter sollen Kinder Finanzwissen erwerben?

Jedes Kind entwickelt sich unterschiedlich und zeigt darum auch zu einem anderen Zeitpunkt Interesse an Finanzwissen. Nehmen Sie einfach im Alltag die Bälle auf, die Ihnen ihr Kind zuwirft. Manche interessieren sich beispielsweise schon mit vier Jahren dafür, wie Geld in die Geldautomaten kommt oder wie man mit der Karte bezahlt. Warum nicht zu Hause einen Geldautomaten aus einer Kartonschachtel basteln und ein Spiel daraus machen? Eine Übung in drei Schritten zeigt, wie Eltern mehr Klarheit darüber gewinnen, was ihnen wichtig ist und wie sie das in den Erziehungsalltag einbringen wollen: Überlegen Sie sich, welche Werte, Normen, Prioritäten und welches Finanzwissen Sie aus dem eigenen Elternhaus mitgenommen haben. Was davon leistet Ihnen heute noch gute Dienste? Was hat gefehlt, was haben Sie im Nachhinein gelernt oder was möchten Sie noch lernen? Und zum Schluss, was folgern Sie für Ihre Kinder daraus? Was wollen Sie ihnen diesbezüglich bis zur Volljährigkeit mitgeben?

3 Dinge, die sich Eltern über den Umgang mit Geld fragen sollten

Beantworten Sie folgende Fragen. So gewinnen Sie mehr Klarheit darüber, was Ihnen wichtig ist und wie Sie dies in den Erziehungsalltag einbringen wollen.

  1. Überlegen Sie sich, welche Werte, Normen, Prioritäten und welches Finanzwissen Sie aus dem eigenen Elternhaus mitgenommen haben. Was davon leistet Ihnen heute noch gute Dienste?
  2. Was hat gefehlt, was haben Sie im Nachhinein gelernt oder möchten Sie noch lernen?
  3. Was folgern Sie daraus für Ihre Kinder? Was wollen Sie ihnen dazu bis zur Volljährigkeit mitgeben?

Kinder lernen – ausser durch aktive Bildung – von Beobachtungen und eigenen Erfahrungen, die auch mal unangenehm sein können. Sehen Sie das auch so?

Auf jeden Fall, das ist ja bei uns Erwachsenen auch nicht anders. Die Schwierigkeit dabei ist wohl eher, dass nicht nur die Kinder, sondern auch die Eltern unangenehme Momente aushalten müssen. So ein Moment könnte beispielsweise sein, wenn Eltern dem Kind etwas nicht kaufen können oder wollen. Viele werden inkonsequent, wenn das Kind traurig oder enttäuscht ist oder gar tobt. Doch damit erweisen Eltern aus meiner Sicht Kindern keinen Dienst und meistens sind solche Vorfälle im Nachhinein sowieso halb so wild. Wenn Eltern nicht immer alles wieder «herrichten», ist das auch eine Form von Respekt vor den Entscheidungen des Kindes. Vertrauen Sie darauf, dass es aus dieser Erfahrung die richtigen Schlüsse ziehen wird. Sind die Kinder bereits etwas älter, können Fragen wie beispielsweise «Wie löst du das jetzt?» die eigene Lösungsfindung der Jugendlichen anregen. 

Gibt es andere Fragen, die den Dialog mit dem Kind in Gang setzen?

Es ist eine Kunst, Kindern offene Fragen zu stellen, die einen Lernprozess in Gang setzen. Wie auch bei Erwachsenen sind das in der Regel W-Fragen: Weisst du schon, wo es dieses Lego-Set gibt? Wie viel kostet es? Was gefällt dir so sehr daran? Wie viel kostet es in verschiedenen Geschäften? Was denkst du, ist das viel oder wenig? Wie lange müsstest du sparen, wenn du alles selbst bezahlst? W-Fragen geben Eltern viel Spielraum, um Denk-, Lern- und Entscheidungsprozesse auszulösen. Dabei müssen Eltern loslassen können und gleichzeitig Leitplanken setzen. 

Sparen, mit anderen teilen, ausgeben ist ein Dreiklang, den jedes Kind bereits ab vier bis sechs Jahren versteht.

Haben Sie noch andere Empfehlungen?

Viele Eltern sprechen mit ihren Kindern nur über Geld, wenn es um Taschengeld geht – ganz nach dem Motto «Mach damit, was du willst». Wenn diese Primarschulkinder zu fordernden Teenagern werden, erstaunt mich das nicht. Darum empfehle ich Eltern, Kindern von Anfang an beizubringen, dass mit Geld immer mehrere Dinge gleichzeitig zu tun sind: Sparen, mit anderen teilen, ausgeben ist ein Dreiklang, den jedes Kind bereits ab vier bis sechs Jahren versteht. Bei kleinen Kindern ab vier Jahren bin ich immer noch der Meinung, dass Bargeld allen gute Dienste erweist: Kinder lernen durch «be-greifen». So können sie beispielsweise Geld auf drei kleine Schachteln verteilen für «Sparen», «Teilen» und «Ausgeben».

Gehören Themen über Finanzen an den Küchentisch oder auf die Schulbank?

An den Küchentisch und auf die Schulbank. Müsste ich mich allerdings für das eine oder andere entscheiden, dann wäre es definitiv der Küchentisch. Eltern sollten ihren Einfluss beim Thema Geld nicht unterschätzen. Eltern prägen und beeinflussen das finanzielle Verhalten ihrer Kinder bis ins junge Erwachsenenleben – im Positiven wie im Negativen.