Der ICT-Sektor auf dem Weg zu Netto-Null

Der ICT-Sektor auf dem Weg zu Netto-Null

Digitale Zukunft trifft auf ökologische Verantwortung. Lesen Sie in diesem Blog, wie viel Emissionen der ICT-Sektor verursacht – und wie sie reduziert werden können.

Schätzfrage: Wie viele Flüge (Transportflüge eingeschlossen) gibt es weltweit jeden Tag?

Die Auflösung folgt etwas später im Text. Anders als diese Einstiegsfrage vermuten lässt, geht es in diesem Artikel nicht um die Aviatik-Industrie, sondern um den ICT-Sektor (Information and Communication Technology). Was die beiden Industrien gemeinsam haben? Durch beide entstehen jährlich ungefähr gleich viel Treibhausgase (CO2). Die Schätzungen variieren dabei. Laut einer Studie der Allianz bewegen sich die CO2-Emissionen aus dem ICT-Sektor im Bereich von 1,8 bis 2,8 % der weltweiten Emissionen. Wichtig zu erwähnen: Die Emissionen durch Kryptowährungen sind hier noch nicht miteingerechnet. Aber dazu später mehr. 

Was beinhaltet ICT?

Information and Communication Technology umfasst alle Technologien, die für die Verarbeitung, Verwaltung und Kommunikation von Informationen verwendet werden. Hauptsächlich gehört Folgendes dazu:

Informationstechnologie (IT): Dies umfasst Computer, Hardware, Software und die dazugehörige Infrastruktur, die bei der Verarbeitung, Speicherung und Verbreitung von Daten verwendet wird.

Telekommunikation: Dies bezieht sich auf alle Arten von Telekommunikationsnetzen, wie Telefonleitungen, Mobilfunknetze und Satellitenkommunikation, die für die Übertragung von Sprache, Daten und Video verwendet werden.

Internetdienste: Diese umfassen Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Internet, einschliesslich Webhosting, Cloud Computing und Online-Dienste.

Rundfunkmedien: Diese schliessen Technologien ein, die für die Übertragung von Informationen durch Radio, Fernsehen und andere Medienformen verwendet werden.

Netzwerktechnik: Die Hardware und Software, die die Netzwerkkonnektivität, die Kommunikation, den Betrieb und die Verwaltung eines Unternehmensnetzwerks ermöglichen.

 

All diese Bereiche sind ungefähr für dieselben Emissionen verantwortlich wie der gesamte Flugverkehr oder genauer gesagt – wir lösen das Rätsel auf – 100’000 Flüge, jeden Tag.  

Wie viel Strom verbrauchen Kryptowährungen?

Ein grosses Fragezeichen bei den Emissionen durch ICT sind Kryptowährungen. Bitcoin, die weltweit grösste Kryptowährung, funktioniert wie viele andere Kryptos mit einem Proof-of-Work-Algorithmus. Dieser stellt den Bitcoin-Minern komplexe mathematische Rätsel, um Transaktionen zu validieren. Das bedarf einer hohen Rechenleistung und führt damit auch zu einem hohen Stromverbrauch. Hinzu kommt: Steigt die Anzahl der Miner, steigt auch die Schwierigkeit der Rätsel und dadurch wiederum der Energieverbrauch. Den Energieverbrauch der Kryptowährungen genau einzuschätzen, ist aufgrund der Dezentralisierung schwierig. Man geht aber davon aus, dass der jährliche Stromverbrauch bis zu 240 Terawattstunden betragen könnte, mehr als Australien pro Jahr verbraucht.

Wie viel Emissionen verursachen Rechenzentren?

Zahlreiche Unternehmen betreiben Data Centers, die riesige Mengen an Daten verarbeiten, speichern und verteilen. In der Schweiz sind gut 85 Rechenzentren für ungefähr 4 % des gesamten Stromverbrauchs verantwortlich. Und die Datenmenge wird in Zukunft nicht kleiner. Das heisst: Die Tendenz ist steigend. Emissionen entstehen hierbei vor allem durch die Kühlung der Server. Global sind Data Center für ungefähr 1 % der energiebezogenen Emissionen verantwortlich. Das Potenzial zur Reduzierung des Stromverbrauchs von Rechenzentren ist allerdings gross. Aber dazu gleich mehr. 

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Was ist Netto-Null?

«Netto-Null» erreicht man, wenn die Menge der ausgestossenen Treibhausgase durch Emissionsreduktion und CO2-Absorption ausgeglichen wird. Es zielt darauf ab, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur zu begrenzen, um den Klimawandel zu bekämpfen. Dies erfordert sowohl den Einsatz erneuerbarer Energien als auch Massnahmen wie die Aufforstung von Wäldern oder das Auffangen und Speichern von CO2. Netto-Null bedeutet nicht die völlige Vermeidung von Emissionen, sondern deren Ausgleich durch Kompensation. Die Umsetzung von Netto-Null ist eine wichtige globale Herausforderung im Kampf gegen den Klimawandel. 

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Wie sind die Aussichten für Netto-Null im ICT-Sektor?

Die Chancen, CO2-Neutralität zu erreichen, stehen im ICT-Sektor besser als in vielen anderen Bereichen. Die allermeisten Emissionen entstehen in dieser Branche durch den Stromverbrauch. Vom globalen Stromverbrauch stammen 4 bis 6 % aus dem ICT-Sektor. Die Umweltfreundlichkeit von ICT hängt deshalb stark vom Strommix ab, mit dem die Systeme und Geräte betrieben werden. Die Rechnung ist ganz einfach: Je mehr Strom in Zukunft aus erneuerbaren Quellen gewonnen wird, desto nachhaltiger wird auch der ICT-Sektor. Doch das allein reicht nicht – zumindest nicht kurzfristig.  

Stattdessen sind Massnahmen zur Reduktion der Emissionen notwendig, etwa die Steigerung der Energieeffizienz von Kühlsystemen in Rechenzentren, Servern, der Netzinfrastruktur und von Endnutzergeräten. Des Weiteren braucht es einen optimierten Produktlebenszyklus, einen vermehrten Einsatz von Cloud Computing sowie ein verbessertes Recycling- und Waste-Management.

In der Schweiz belegte eine Studie des Bundesamtes für Energie von 2021 etwa, dass bei Schweizer Rechenzentren Potenzial zu einer Reduktion des Stromverbrauchs von rund 45 % besteht. Das ist vor allem auf die Kühlung der Server zurückzuführen. Ein reibungsloser Betrieb wäre bei einer Temperatur von bis zu 32 Grad Celsius möglich. Jedoch wird in Rechenzentren teilweise viel stärker gekühlt als nötig – wegen Sicherheitsbedenken. 

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Wie SIX ihre Rechenzentren effizienter macht

Als Betreiberin von Finanzmarktinfrastruktur und als globale Anbieterin von Finanzinformationen betreibt SIX Rechenzentren in mehreren Ländern. Um diese Rechenzentren so nachhaltig wie möglich zu machen, wurde 2020 ein Projekt zu deren Konsolidierung gestartet. Bis 2024 soll dieses Projekt abgeschlossen sein. Wichtige Meilensteine, die bis 2023 erreicht wurden, umfassen die Schliessung des nordischen Rechenzentrums und die kontinuierliche energetische Optimierung der Rechenzentren in Spanien und in der Schweiz. In der letzten Phase werden die Zentren in Frankreich und England stillgelegt, sodass insgesamt fünf Rechenzentren verbleiben: In der Schweiz und in Spanien, in Japan und Singapur – und in den USA.

Ihr eigenes Rechenzentrum in Spanien betreibt SIX mit 100 % erneuerbarer Energie. In der Schweiz wird neben erneuerbarer Energie noch ein kleiner Anteil Atomstrom eingesetzt. In diesen beiden Rechenzentren wird der Grossteil der IT-Last von SIX verarbeitet.

Die Rechenzentren in Singapur, Japan und in den USA werden von externen Anbietern verwaltet. In Singapur und Japan wird dabei ebenfalls 100 % Strom aus erneuerbaren Energiequellen eingesetzt. Nur in den USA wird teilweise noch Strom aus nicht erneuerbaren Energiequellen bezogen.

SIX verfolgt einen Hybrid-Cloud-Ansatz und bewertet den Einsatz von Public-Cloud-Lösungen von Fall zu Fall. Auch laufen Bemühungen, die bestehenden Rechenzentren so energieeffizient wie möglich zu machen – beispielsweise durch die Kühlung mit Aussenluft und die Installation von Warm- und Kaltgängen. Diese Bemühungen haben bereits Früchte getragen. Im August 2023 erhielt das Rechenzentrum in Zürich die «SDEA SILVER Plus»-Zertifizierung für aussergewöhnliche Effizienz und minimale Emissionen. SIX ist das erste Unternehmen in der Schweiz, das mit dem Silberzertifikat ausgezeichnet wurde. 

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Wie werden Kryptowährungen umweltfreundlicher?

Der Stromverbrauch von Kryptowährungen liesse sich relativ einfach drastisch senken – zumindest in der Theorie. Wie? Mit der Umstellung von Proof of Work (PoW) zu Proof of Stake (PoS) – dem Algorithmus, mit dem Transaktionen validiert werden und neue Blöcke zur Blockchain hinzugefügt werden. PoW, der Algorithmus von Bitcoin, verbraucht ein Vielfaches mehr an Strom als PoS. Im September 2022 hat Ethereum, die zweitgrösste Kryptowährung, zu PoS gewechselt. Dies reduzierte den Stromverbrauch um 99,99 %. Kritiker argumentieren allerdings, dass sich die Server dadurch nicht in Luft aufgelöst haben und sich die Emissionen lediglich weg von Ethereum verlagert haben. Sprich: Ehemalige Ethereum-Miner sind einfach auf andere Kryptowährungen umgestiegen, die noch mit PoW funktionieren.

Dass bei Bitcoin dasselbe geschieht, ist laut Experten unwahrscheinlich. PoW ist zu stark verankert in der Architektur und der Gemeinschaftscharakteristik von Bitcoin. Auch Versuche, Bitcoin zu verbieten, erweisen sich als nicht zielführend. China hat im Jahr 2021 alle Geschäfte mit Kryptowährungen verboten. Trotzdem belegt China immer noch den zweiten Platz im Bitcoin-Mining – direkt hinter den USA. Der Schlüssel zu weniger Emissionen liegt also auch bei Kryptowährungen zu grossen Teilen beim vermehrten Einsatz von erneuerbaren Energien. 

Innovation vs. Nachhaltigkeit

Der ICT-Sektor entwickelt sich stetig weiter. Heutzutage sind Daten das neue Gold. Und sie werden immer mehr. Auch der jüngste Boom um die Massentauglichkeit von künstlicher Intelligenz dürfte diese Entwicklung weiter befeuern. Daten bedeuten Wissen, sie bedeuten Macht, aber sie sind gleichzeitig auch der Schlüssel zur Lösung einer Vielzahl von Problemen. Auch bei der Klimafrage sind sie von entscheidender Bedeutung und geben Antworten auf viele Fragen, die zur Lösung des Problems beitragen. Im Kampf gegen den Klimawandel ist es ausschlaggebend, die Technologien, die uns zur Verfügung stehen, richtig einzusetzen und eine Balance zwischen Innovation und Nachhaltigkeit zu finden.