Wie und warum sich Handelsabwicklungen immer weiter verkürzen

Wie und warum sich Handelsabwicklungen immer weiter verkürzen

In den vergangenen Jahren haben viele Märkte Massnahmen ergriffen, um die Zeit zwischen dem Abschluss eines Handels und seiner Abwicklung zu verkürzen. Die jüngste und bedeutendste Veränderung erfolgte im vergangenen Jahr, als die USA von T+2 auf T+1 umstellten. Auch Europa hat reagiert. In diesem Blog erfahren Sie, wie sich Abwicklungszyklen immer weiter verkürzen und warum.

Was ist Settlement?

Settlement (Abwicklung) ist der Prozess, bei dem der Käufer das Wertpapier erhält und der Verkäufer das Geld. Derzeit dauert es zwei Geschäftstage (T+2), bis ein Handel abgewickelt ist.

Die Verkürzung des Abwicklungszyklus auf nur einen Geschäftstag (T+1) soll die Finalisierung von Geschäften beschleunigen und das Risiko im System verringern. Dadurch werden zugleich die Effizienz und die Wettbewerbsfähigkeit der nachgelagerten Finanzmarktinfrastrukturen in der EU gestärkt.

Der Trend zu kürzeren Abwicklungen: Wie alles begann

In den frühen Tagen der modernen Wertpapiermärkte, bis Mitte des 20. Jahrhunderts, waren Fristen relativ lang. Oftmals dauerte die Abwicklung fünf Geschäftstage (T+5) oder mehr. Grund dafür war die manuelle, papierbasierte Abwicklung. Physische Aktienzertifikate mussten geliefert werden, Zahlungen erfolgten per Scheck, und die Abstimmung der Backoffice-Prozesse lief per Post oder Telefon.

Mit dem Aufkommen des elektronischen Handels, der Backoffice-Automatisierung und der zentralisierten Abwicklung über Organisationen wie die Depository Trust & Clearing Corporation (DTCC) stellten viele Märkte wie unter anderem die USA in den 1990er-Jahren auf einen T+3-Zyklus um. Diese dreitägige Frist galt als ein ausgewogener Kompromiss zwischen operativer Umsetzbarkeit und der Verringerung von Kredit- und Kontrahentenrisiken.

Die EU wechselte 2014 im Rahmen regulatorischer Reformen nach der Finanzkrise von 2008 – wie beispielsweise die Zentralverwahrerverordnung – zu T+2. Die USA folgten im September 2017 und verwiesen dabei auf Vorteile wie geringeres Risiko und stärkere Harmonisierung mit den globalen Märkten. Andere Jurisdiktionen wie Australien, Hongkong und Kanada schlossen sich an, sodass T+2 zum neuen globalen Standard wurde.

Von da an herrschte Konsens, dass ein T+2-Zyklus angemessen sei. Aus Risikosicht war die zweitägige Lücke zwischen Handel und Abwicklung dank der Rolle der Clearingstellen kein Hindernis. Zudem ermöglichte das Zeitfenster die rechtzeitige Abwicklung von Middle- und Backoffice-Prozessen, einschliesslich grenzüberschreitender Transaktionen.

Der globale Vorstoss zu T+1

Im Jahr 2020 kam es während der Pandemie zu Phasen hoher Volatilität. Die Gamestop-Krise im Februar 2021 löste in den USA eine Branchendebatte aus, angeführt von der DTCC und unterstützt von der US-Börsenaufsicht SEC. Sie argumentierten, dass eine Verkürzung des Abwicklungszyklus Marktrisiken und Kapitalanforderungen bei starken Kursschwankungen verringern könne.

Im Laufe der folgenden Monate und des Jahres 2022 weitete sich die Debatte in den USA aus und erreichte schliesslich auch Europa, wenn auch mit weniger Enthusiasmus. Am 15. Februar 2023 veröffentlichte die SEC die endgültigen Regeln für den Übergang zu T+1. Das Umstellungsdatum in den USA wurde auf den 28. Mai 2024 festgelegt.

Märkte mit enger Anbindung an die USA, wie Kanada und mehrere lateinamerikanische Länder, stimmten ebenfalls einer Verkürzung ihres Abwicklungszyklus im selben Jahr zu. China und Indien arbeiteten ohnehin bereits seit Dezember 2022 respektive Januar 2023 mit T+1.

Was tun die europäischen Märkte?

Dies machte eine Reaktion Europas erforderlich. Die Behörden mussten Vor- und Nachteile einer Umstellung auf T+1 bewerten und die Auswirkungen unterschiedlicher Abwicklungszyklen auf beiden Seiten des Atlantiks berücksichtigen.

Am 12. Februar 2025 schlug die Europäische Kommission vor, den Abwicklungszyklus für EU-Wertpapiere von zwei Tagen auf einen zu verkürzen. Dies soll durch eine gezielte Änderung der Zentralverwahrer-Verordnung (CSDR) erfolgen. Der vorgeschlagene Umstellungstermin ist der 11. Oktober 2027.

Ab diesem Datum sollen die meisten Wertpapiere einen Tag nach dem Handel statt nach zwei Tagen abgewickelt werden. Diese Änderung klingt einfach, erfordert jedoch ein grundlegendes Umdenken bei der Nachhandelsabwicklung über Grenzen, Zeitzonen und Institutionen hinweg.

Der Zeitplan verschafft Marktteilnehmern die Gelegenheit, Prozesse und Standards zu entwickeln, zu testen und abzustimmen. Ziel ist eine geordnete und erfolgreiche Einführung von T+1 an den EU-Kapitalmärkten.

Warum geht die EU zu T+1 über?

Der Vorschlag der Europäischen Kommission soll die EU-Finanzmärkte wettbewerbsfähiger, effizienter, widerstandsfähiger, schneller und sicherer machen. Die Abwicklung innerhalb eines Tages statt in zwei Tagen reduziert Risiken, setzt Kapital früher frei und kann die Marktaktivität erhöhen. Zudem fördert sie eine stärkere Automatisierung der Nachhandelsprozesse, wodurch Abläufe in der gesamten Region effizienter werden. Dies betrifft alles von internen Prozessen und System-Deadline-Zeiten bis hin zur Zusammenarbeit mit Kunden und Geschäftspartnern.

Die Umstellung bringt die EU ausserdem in Einklang mit globalen Märkten wie den USA, Kanada und Indien. Diese Angleichung trägt dazu bei, Kosten zu senken, Marktfragmentierung zu vermeiden und die Wettbewerbsfähigkeit der EU zu sichern.

High-Level-Roadmap für die Einführung von T+1 in der EU

Am 30. Juni 2025 veröffentlichte das EU T+1 Industry Committee einen High-Level-Roadmap-Bericht. Dieser wurde in Zusammenarbeit mit ESMA, der Europäischen Kommission und der Europäischen Zentralbank erstellt. Der Bericht enthält unverbindliche Empfehlungen zu wichtigen operativen Bereichen wie Prozessautomatisierung, Handelsabgleich, Harmonisierung von Cut-off-Zeiten und Governance-Strukturen.

Er betont die Notwendigkeit einer gesamteuropäischen Koordination, um technische, rechtliche und grenzüberschreitende Herausforderungen zu bewältigen. Obwohl er nicht rechtsverbindlich ist, soll der Bericht die Branchenvorbereitung unterstützen und künftige gesetzgeberische Massnahmen im Zusammenhang mit Änderungen der CSDR begleiten.

Die Veröffentlichung des Berichts wurde von einer Auftaktveranstaltung am 3. Juli 2025 in Brüssel begleitet, die vom EU T+1 Industry Committee zusammen mit wichtigen EU-Institutionen ausgerichtet wurde.