Nachhaltigkeitsberichterstattung: von der Kür zur Pflicht

Nachhaltigkeitsberichterstattung: von der Kür zur Pflicht

Der Nachhaltigkeitsbericht mausert sich von «nice to have» zum Obligatorium. Lesen Sie, wie weit sich die Berichterstattung schon entwickelt hat und wen die jüngsten regulatorischen Veränderungen in der EU betreffen. Spoiler Alert: Sie betreffen auch Unternehmen ausserhalb der EU.

Geht es um Nachhaltigkeit, so klopfen sich viele Unternehmen selbst auf die Schulter. Schon seit Jahrzehnten würden sie mit Rücksicht und im Dialog mit Arbeitnehmenden, ihrem gesellschaftlichen Umfeld und nach ökologischen Prinzipien wirtschaften. Tatsächlich ist das auch in vielen Fällen so. Auch weil Unternehmen gar nicht mehr anders können. Gerade im europäischen Kontext existieren für Unternehmen heute verschiedene Verpflichtungen gegenüber Gesellschaft und Umwelt. Aber blicken wir kurz auf die Zeit vor dem gesetzlichen und regulatorischen Wandel zurück.

Als Nachhaltigkeitsberichterstattung «nice to have» war

Viele Unternehmen publizieren seit längerem freiwillig Berichte zu Themen der Nachhaltigkeit. Jedoch haben in der Vergangenheit einige nicht die nötige Vorsicht angewendet, die in der Formulierung der Berichterstattung geboten ist. Hinzu kam, dass die internen Prozesse für die Berichterstattung zu Nachhaltigkeitsthemen sowie der gesetzliche Rahmen mit klaren Vorschriften noch nicht ausgereift war. So rapportierten Unternehmen teilweise hochgesteckte Ziele, ohne diese dann aber zu erreichen. In der Folge haben sie diese Ziele in der Berichterstattung teils einfach nicht mehr erwähnt oder ohne weiteren Hinweis angepasst.

Die Gefahr des Greenwashings

Wenn Unternehmen Aktivitäten oder Produkte als ökologisch nachhaltig verkaufen, die es bei genauerem Hinschauen gar nicht sind, bezeichnet man das als Greenwashing. Greenwashing oder «Social Washing» (sich sozial verantwortungsbewusster darstellen, als man ist), ist in viele Fällen aber nicht auf Absicht, sondern auf unbeabsichtigte und unentdeckte Fehler zurückzuführen. Medien, NGOs, Investierende und Konsumierende spielten eine wichtige Rolle dabei, solche Fehler aufzudecken. Mittlerweile hat sich dazu ein öffentliches Bewusstsein entwickelt. Parallel dazu wurden Gesetzgebung und Regularien ausgereift. Beide Faktoren tragen dazu bei, dass Unternehmen heutzutage immer präziser und umfangreicher berichten. 

EU Green Deal und die EU-Taxonomie

In den letzten rund zwanzig Jahren haben die Ansprüche an die Unternehmen weltweit und insbesondere in der EU stark zugenommen. Einer der Treiber ist der EU Green Deal, mit dem sich die EU das Ziel gesetzt hat, Europa als ersten Kontinenten der Welt klimaneutral zu machen. Die EU-Taxonomie ist das Hauptinstrument des EU Green Deal. Sie regelt, was als nachhaltig gilt und will ein einheitliches Verständnis von Nachhaltigkeit und somit auch Vergleichbarkeit schaffen. 

Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung

In der EU wird von Gesellschaften öffentlichen Interesses, also insbesondere der grossen, börsenkotierten Unternehmen schon seit 2014 eine Berichterstattung zu Nachhaltigkeitsthemen verlangt. In der Schweiz ist dies ab dem Geschäftsjahr 2023 Pflicht. Anders als bei der Finanzberichterstattung gab es aber in der EU und der Schweiz bisher keine obligatorischen regulatorischen Standards, die vorschreiben, wie das genau zu geschehen hat. Unter den freiwilligen Standards hat sich die Global Reporting Initiative (GRI) als führend herauskristallisiert. So stellen nach wie vor viele Unternehmen darauf ab. Richtig angewendet, decken die GRI-Standards die Vorschriften des rechtlichen Rahmens ab, den zum Beispiel die Schweiz neu vorgibt. Sie erlauben es, zu allen relevanten Themen gewisse Angaben zu machen. 

Was ist GRI?

GRI ist einer der am weitesten verbreiteten Standards zur Berichterstattung über Nachhaltigkeitsthemen und publizierte 2002 ihr erstes Set. Gleichzeitig hat GRI immer auch Ansätze mitgeliefert, wie Unternehmen Themen mit Bezug zur Nachhaltigkeit konkret entwickeln und managen können, denn auch hierzu mussten die meisten Unternehmen laufend neues Know-how aufbauen. Heute haben viele grössere Unternehmen Nachhaltigkeitsspezialistinnen und -spezialisten eingestellt, die beispielsweise die CO2-Bilanz aufbauen und professionalisieren und gezielt Co2-Reduktionsmassnahmen einführen.

Wen betrifft die Nachhaltigkeitsberichterstattung?

Nun hat die EU die Pflicht zur Berichterstattung überarbeitet. Sie wird unter dem Namen Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) ab 2024 in allen Mitgliedstaaten gültig sein. Die Einführung erfolgt gestaffelt und wird nach und nach auch kleinere Unternehmen und KMU betreffen. Das hat vielfältige Implikationen, auch für all jene Unternehmen ausserhalb der EU, die mit von der Berichterstattungspflicht betroffenen Unternehmen in der EU Geschäfte machen. Auch viele KMU in der Schweiz, die in die EU liefern oder aus der EU Waren beziehen, werden möglicherweise bald ihren Kunden und Lieferanten in der EU Nachhaltigkeitsdaten liefern müssen weil diese Daten über ihre gesamte Wertschöpfungskette sammeln. 

Was verbirgt sich im Annex der CSRD?

Mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) liefert die EU auch einen Annex von über 250 Seiten. Dieser hat es in sich, denn er enthält erstmals vollständig verbindliche Vorgaben und somit ganz konkrete Standards und Datensets, nach denen die Unternehmen in Zukunft berichten sollen. Diese Ausführungsbestimmungen zur CSRD tragen den Titel European Sustainability Reporting Standards (ESRS) und werden oft im gleichen Zug wie CSRD genannt. Durch diese Harmonisierung wird die oft und vielstimmig geforderte Standardisierung der Daten auf der Datenebene der Berichterstattung der einzelnen Unternehmen innerhalb der EU weiter vorangetrieben.

Insbesondere Finanzdienstleister haben darauf gewartet, denn diese standardisierten Datensets sind wiederum nötig, um nachhaltige Finanzprodukte innerhalb des EU-Rechtsrahmens anbieten zu können.

Das bringt uns zurück zur EU-Taxonomie. Zum Feld der EU-Taxonomie und zur EU Sustainability Finance Agenda gehört nämlich auch die Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR). Sie legt fest, welchen Bedingungen Finanzprodukte, also auch Anlageprodukte für private Investierende, in Zukunft genügen müssen, damit sie als nachhaltig vermarktet werden können. 

Auf dem Weg zur integrierten Berichterstattung

Für die Unternehmen hat mit der Einführung der CSRD auch der Countdown zur integrierten Berichterstattung begonnen. Viele setzen bereits alle ihre Berichtsthemen in einem Bericht um, aber ein grosser Teil der Unternehmen publiziert nach wie vor den Jahres- und Finanzbericht separat zum Nachhaltigkeitsbericht. Die CSRD fordert in Zukunft die sogenannte integrierte Berichterstattung. Das bedeutet, dass alle Aspekte der Unternehmensführung und der zu vermeldenden Resultate in einen gemeinsamen Bericht einfliessen müssen. So muss der Lagebericht unter CSRD in Zukunft Nachhaltigkeitsaspekte mitberücksichtigen. Finanzielle Risiken und Chancen, die aufgrund von Nachhaltigkeitsthemen entstehen, müssen in den Finanzbericht einfliessen und das Kapitel zu den spezifischen Nachhaltigkeitsthemen im integrierten Bericht unterliegt in Zukunft einer externen Prüfpflicht durch den Auditor.