CO2 Kompensationen: Wie sie funktionieren, was sie bringen – und was sich ändern muss

CO2 Kompensationen: Wie sie funktionieren, was sie bringen – und was sich ändern muss

Um ihre CO2-Emissionen zu kompensieren, kaufen viele Unternehmen CO2-Zertifikate. Wie funktioniert das genau? Und wie gross ist der tatsächliche Nutzen davon?

Seit 1751 hat die Menschheit mehr als 1,5 Billionen Tonnen CO2 ausgestossen. Mehr als die Hälfte davon wurde in den letzten gut 30 Jahren verursacht. Um die Emissionen drastisch zu senken, die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen und die globale Erwärmung zu beschränken, sind Massnahmen notwendig.

2005 wurde in Europa der erste "Compliance Carbon Market" (Kohlenstoffmarkt für CO2-Kompensationen, die regulatorisch vorgeschrieben sind) der Welt geschaffen. Heute tragen die insgesamt 30 Compliance Carbon Markets gemeinsam zu einer Verringerung von rund 20 % der weltweiten Emissionen bei. Das reicht jedoch nicht, um ambitionierte Ziele wie Netto-Null im Jahr 2050 zu erreichen. Deshalb bieten die «Voluntary Carbon Markets» (freiwillige Kohlenstoffmärkte) zusätzliche Möglichkeiten.

Eine Studie von Accenture hat ergeben, dass 34 % der 2’000 weltgrössten Unternehmen (nach Umsatz) sich zu Netto-Null-Emissionen bis 2050 verpflichtet haben. Netto-Null beschreibt das Gleichgewicht zwischen der Menge an Treibhausgasen, die in die Atmosphäre emittiert werden, und der Menge, die entfernt wird. Dieselbe Studie besagt aber auch, dass 93 % davon dieses Ziel nicht erreichen werden, wenn sie die Geschwindigkeit ihrer Emissionsreduktionen bis 2030 nicht mindestens verdoppeln. Um die CO2-Ziele trotzdem zu erreichen, kompensieren Unternehmen, was sie nicht reduzieren können. Dafür kaufen sie CO2-Zertifikate auf dem freiwilligen Kohlenstoffmarkt. Aber wie funktioniert das überhaupt?

Was ist CO2-Kompensation?

Stellen Sie sich vor: Ein Industrieunternehmen emittiert für die Produktion von Fahrzeugteilen jeden Tag zwei Tonnen CO2. Diese Emissionen kann das Unternehmen nicht einfach von heute auf morgen reduzieren. Was aber sofort geht, ist das Kompensieren der Emissionen. Bedeutet: Die zwei Tonnen, die das Unternehmen an einem Ort emittiert, werden an einem anderen Ort eingespart – ergo kompensiert. Dafür kann das Unternehmen beispielsweise Bäume pflanzen (die CO2 absorbieren), Projekte für erneuerbare Energie unterstützen (die Emissionen reduzieren) oder in Technologien investieren, die CO2 auffangen und speichern können.

Wenn ein Unternehmen also seine Emissionen kompensieren will, sucht es sich ein passendes Projekt aus, in welches es investiert. Dafür kauft das Unternehmen sogenannte CO2-Zertifikate. In der Regel entspricht ein CO2-Zertifikat einer Tonne CO2. In unserem Beispiel müsste das Unternehmen täglich zwei Zertifikate kaufen, um seine Emissionen komplett zu kompensieren.

CO2-Kompensationen gehen übrigens über Unternehmen hinaus und können auch von Regierungen, Gesellschaften und Privatpersonen getätigt werden. 

5 Herausforderungen mit CO2-Kompensationen

In Anbetracht des noch jungen Entwicklungsstadiums der freiwilligen Kohlenstoffmärkte gibt es noch einige Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt. Hier sind die wichtigsten davon:

Qualitätssicherung

Eine der grössten Sorgen von Unternehmen, die CO2-Zertifikate kaufen, betrifft die Qualität der Zertifikate. Das Risiko im Falle eines qualitativ schlechten Zertifikats geht über finanzielle Verluste hinaus; es kann auch zu Reputationsschäden kommen. Und in der heutigen Zeit kann eine beschädigte Reputation heftige Konsequenzen mit sich ziehen.

Integrität in der Wertschöpfungskette

Um die Herausforderungen der Qualitätssicherung zu bewältigen, müssen Klimaschutzprojekte über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg kompromisslose Integrität wahren. Dazu gehört, dass sie belastbar sind, transparente Standards einhalten und sich strengen Überwachungs- und Verifizierungsprozessen unterziehen, die von unabhängigen Dritten durchgeführt werden. Durch diese strenge Prüfung wird sichergestellt, dass die Projekte nicht nur wirksam, sondern auch rechtmässig sind.

Bewertung der Effektivität

Eine grosse Hürde auf den Kohlenstoffmärkten ist das Fehlen robuster Industriestandards. Ohne diese Standards wird es sowohl für Unternehmen als auch für Verbraucher schwierig, die Effektivität und Legitimität von Kompensationsprojekten zu beurteilen. Dieser Mangel an Klarheit kann potenzielle Investoren abschrecken und das Wachstum der Kohlenstoffmärkte behindern.

Initiativen zur Marktintegrität

Es sind Bemühungen im Gange, einen umfassenden Rahmen für die Marktintegrität zu schaffen. Führend sind dabei Initiativen wie der Integrity Council for the Voluntary Carbon Markets (ICVCM) und die Voluntary Carbon Market Initiative (VCMI). Diese Initiativen widmen sich der Verbesserung von Qualität, Transparenz, Glaubwürdigkeit und Verantwortlichkeit in der gesamten Wertschöpfungskette. Sie gehen auf die Bedürfnisse von Anbietern und Verbrauchern ein und sorgen für einen robusteren und vertrauenswürdigeren Markt.

Regulatorische Anerkennung

Zusätzlich zu den Initiativen der Industrie gibt es eine wachsende Forderung nach einer Weiterentwicklung der globalen Regulierungslandschaft. Ziel ist es, die Voluntary Carbon Markets auf dem gleichen Niveau anzuerkennen wie die Compliance Carbon Markets. Diese Anerkennung setzt die Umsetzung von Massnahmen voraus, die die Berichterstattung und die Einhaltung der Vorschriften vorschreiben. Dies würde grössere Investitionen in CO2-Zertifikate als handelbares und glaubwürdiges Instrument fördern.

Wie kann CO2 wirklich kompensiert werden?

Wirklich positive CO2-Ausgleichsinitiativen haben das Potenzial, über die blosse CO2-Neutralität hinauszugehen und sowohl für die Umwelt als auch für die lokalen Gemeinschaften dauerhafte und sinnvolle Vorteile zu schaffen. Bei Aufforstungsprojekten liegt der Schlüssel beispielsweise in der Anpflanzung einer Vielzahl einheimischer Baumarten in abgeholzten Gebieten. Dadurch wird nicht nur effektiv CO2 aus der Atmosphäre gebunden, sondern auch die Artenvielfalt bereichert, indem ein wichtiger Lebensraum für Wildtiere geschaffen wird. Die Zusammenarbeit mit den örtlichen Gemeinden ist ein wesentlicher Bestandteil dieser Projekte. Sie bietet Beschäftigungsmöglichkeiten und fördert die Einbindung der Gemeinden.

Ein weiteres Beispiel für ein CO2-Ausgleichsprojekt ist die Kohlenstoffabscheidung. Darunter versteht sich die Abscheidung und langfristige Speicherung von CO2 aus der Atmosphäre zur Bekämpfung des Klimawandels. Eine solche Methode ist die Direct Air Capture (DAC)-Technologie. Der grösste Akteur auf diesem Gebiet ist das Schweizer Start-up «Climeworks». Ihr «Orca Plant» in Island entzieht der Luft derzeit jährlich 4000 Tonnen CO2. Jedoch muss auch erwähnt sein, dass diese Technologien zwar vielversprechend sind, derzeit aber noch relativ hohe Kosten und einen hohen Energiebedarf haben. Dennoch bleiben sie unverzichtbare Instrumente im Kampf gegen den Klimawandel.

Welche Rolle spielt Blockchain bei CO2-Kompensationen?

Die Marktteilnehmer erkennen die Bedeutung von Transparenz bei der Bewertung der Qualität von CO2-Zertifikaten, sowohl bei der Ausgabe als auch bei der Leistungsüberwachung. Die Blockchain-Technologie hat das Potenzial, eine umfassende Lösung zu bieten, indem sie in jeder Phase des Lebenszyklus von Kohlenstoffprojekten und -gutschriften eine einzige Ansicht für alle Beteiligten bereitstellt. Dies kann zu mehr Transparenz, Verantwortlichkeit und Vertrauen führen.

Auch wenn Blockchain ein wertvolles Instrument für die Entwicklung freiwilliger Kohlenstoffmärkte ist, handelt es sich nicht um eine Einheitslösung. Es gibt verschiedene kurz- und langfristige Herausforderungen, die angegangen werden müssen. Vor allem besteht ein dringender Bedarf an mehr Regulierung und Standardisierung sowie an mehr Transparenz. Diese Massnahmen sind unabdingbar, um sicherzustellen, dass CO2-Kompensationen auch wirklich halten, was sie versprechen.