Was ist eigentlich ein ESG-Index?

Was ist eigentlich ein ESG-Index?

Nachhaltigkeit wird in der Finanzbranche zu einem immer wichtigeren Thema. Bei Anlagen geht es nicht mehr nur um Rentabilität, sondern auch um den sozialen und ökologischen Einfluss eines Investments. ESG-Indizes können als Basis für entsprechende Anlageprodukte dienen. Lesen Sie, was ein ESG-Index ist und wie er entsteht.

Wofür steht ESG?

ESG steht für «Environmental», «Social» und «Governance». Zu Deutsch: Umwelt, gesellschaftliche Belange und gute Unternehmensführung. Wichtige Aspekte sind beispielsweise der CO2-Fussabdruck, das Recycling-Management, der Umgang mit Menschenrechten oder die finanzielle Transparenz eines Unternehmens. ESG-Kriterien werden auch für die Bewertung nachhaltiger Anlageprodukte beigezogen.

Was ist ein Aktienindex?

Ein Aktienindex dient als Indikator für den Aktienmarkt. Er bildet einen Korb, der Unternehmen eines bestimmten Marktes oder Teile davon enthält. Für die Berechnung des Indexes können alle Unternehmen gleich oder unterschiedlich gewichtet werden – zum Beispiel nach ihrer Marktkapitalisierung. Der Index selbst ist kein Anlageprodukt, sondern dient als Indikator für die entsprechenden Märkte und ermöglicht einen Vergleich zwischen dem heutigen und dem vergangenen Kursniveau. Ein Index kann den Weltmarkt, den Markt eines Kontinents oder eines Landes, aber auch spezielle Sektoren wie bestimmte Branchen oder Themen abbilden.

Was ist ein ESG-Index?

Kombiniert man ESG mit dem Prinzip eines Indexes, erhält man einen ESG-Index. Aber inwiefern unterscheidet sich ein ESG-Index von einem gewöhnlichen Index? Der Unterschied liegt vor allem bei der Auswahl der Titel, die der Index enthält. So werden zusätzlich zu gängigen Kriterien wie der Marktkapitalisierung und allenfalls der Liquidität eines Unternehmens auch noch ESG-Kriterien miteinbezogen. Das bedeutet, dass Unternehmen, die zu wenig nachhaltig sind, nicht in den Index aufgenommen werden beziehungsweise anders gewichtet werden. Ein ESG-Index besteht also aus Unternehmen, die gewisse Nachhaltigkeitskriterien erfüllen, während weniger nachhaltige Unternehmen ausgeschlossen oder untergewichtet werden.

Wie entsteht ein ESG-Index?

Werfen wir nun einen genaueren Blick auf die Entstehung eines ESG-Indexes. Als Beispiel nehmen wir den SPI ESG Index, der auf dem Swiss Performance Index (SPI) basiert. Der SPI umfasst nahezu alle börsennotierten Schweizer Unternehmen. Im Standardindex sind 217 Unternehmen vertreten (Stand Januar 2023). Die Gewichtung der einzelnen Unternehmen im Index wird anhand der Marktkapitalisierung (Anzahl Aktien x Free-Float-Faktor x Aktienkurs) berechnet. Für den ESG-Index werden zusätzlich noch die ESG-Kriterien berücksichtigt. Dafür nutzt SIX die Daten der Schweizer Rating-Agentur Inrate, welche die Unternehmen auf deren Nachhaltigkeit hin untersucht. Das ist eine Herausforderung, weil nicht alle Informationen der Unternehmen im Detail zur Verfügung stehen. Für die Konstruktion des Indexes werden die Daten in vier Schritten angewendet.

1.       In einem ersten Schritt werden alle Unternehmen ausgeschlossen, die Umsatz in einem der folgenden Bereiche erzielen. Die Schwellenwerte liegen meistens bei 5%:

  • Erwachsenenunterhaltung
  • Alkohol
  • Rüstungsgüter
  • Glücksspiel
  • Gentechnik
  • Kernenergie
  • Kohle
  • Tabak
  • Ölsand

 

2.       Danach werden die Unternehmen hinsichtlich der Kriterien von UN Global Compact überprüft. Dabei handelt es sich um einen von der UNO erstellten freiwilligen Standard für Unternehmen. Er wurde festgelegt, um die Globalisierung sozialer und ökologischer zu gestalten. Der Standard enthält zehn Prinzipien, an die sich Unternehmen halten müssen. Die Prinzipien decken die Themen Menschenrechte, Arbeitsbedingungen, Umwelt und Korruption ab. Bei Verstössen gegen diese Prinzipien und fehlender Bereitschaft eines Unternehmens zur Nachhaltigkeit, wird es nicht in den ESG-Index aufgenommen.

 

3.       Der Schweizer Verein für verantwortungsbewusste Kapitalanlagen (SVVK) führt eine Ausschlussliste von Unternehmen, deren Aufnahme in ein nachhaltiges Finanzprodukt nicht empfohlen wird – also eine Art Blacklist. Taucht ein Unternehmen da auf, wird es nicht in den ESG-Index aufgenommen. Momentan ist jedoch kein einziges börsengehandeltes Schweizer Unternehmen auf dieser Liste vertreten.

 

4.       Der letzte, aber nicht unwichtigste Punkt im Prozess: Das ESG-Rating des Unternehmens. Inrate erstellt ein sogenanntes ESG Impact Rating für Unternehmen. Dieses misst, wie nachhaltig ein Unternehmen ist. Dabei wird jedem Unternehmen ein Score zugeschrieben. Die Scores reichen in zwölf Stufen von D- bis A+. Um in einen ESG-Index von SIX zu gelangen, müssen Unternehmen mindestens ein ESG Impact Rating von C+ haben. C+ bedeutet, dass das Unternehmen noch nicht nachhaltig ist, jedoch klare Ansätze zeigt, sich zu verbessern. Im Januar 2023 liegen 44 Unternehmen unterhalb der Grenze von C+ (siehe Grafik).

ESG Ratings im Swiss Performance Index (As of January 2023)

 

In unserem Beispiel sind nach diesen vier Schritten noch rund 160 Unternehmen im SPI ESG Index. Das heisst, dass momentan 51 Unternehmen aus dem SPI die Nachhaltigkeitskriterien für eine Aufnahme in einen ESG-Index von SIX nicht erfüllen.

Wie wird ein ESG-Rating gemacht?

Für die Berechnung des ESG-Ratings analysiert Inrate den ökologischen und sozialen Einfluss der Produkte und Praktiken eines Unternehmens auf die Umwelt und die Gesellschaft. Zudem fliessen auch die Bereitschaft und Fähigkeit, entsprechende Probleme anzugehen, ins Rating mit ein. Inrate stützt sich dabei auf Daten wie beispielsweise Geschäfts-, Nachhaltigkeits- oder Medienberichte. Zudem beinhaltet die Methodik auch den Impact der Produktion und der Produkte entlang gesamter Produktlebenszyklen (d.h. inklusive vorgelagerter Prozesse, Nutzungsphase und Entsorgung) auf Umwelt und Gesellschaft. Die Daten werden periodisch aktualisiert, die Methode für die ESG-Ratings wird regelmässig überprüft und an generelle oder regulatorische Entwicklungen im Markt angepasst.

Welche ESG-Indizes gibt es?

SIX bietet verschiedene ESG-Indizes an. Einerseits gibt es die breiten Marktindizes in ESG-Form wie beispielsweise den SPI ESG Index – er enthält alle Unternehmen aus dem klassischen SPI, welche die Nachhaltigkeitskriterien erfüllen. Eine Erweiterung sind sogenannte Weighted Indizes wie beispielsweise der SPI ESG Weighted Index. Bei diesem Index wird zusätzlich auch noch die Gewichtung der einzelnen Titel anders berechnet. So entscheidet nicht nur die reine Marktkapitalisierung über die Gewichtung, sondern es fliessen auch da noch ESG-Kriterien mit ein. Einfach gesagt: Nachhaltigere Unternehmen erhalten im Index mehr Gewicht.

Des Weiteren bietet SIX Subindizes (Large, Mid, Small Cap) und Customized Indizes für ESG an, die vom SPI und SPI ESG Index abgeleitet werden. Der SPI Gender Equality Index enthält nur Unternehmen, die zwischen 20 % und 80 % Frauen im Verwaltungsrat und zwischen 15 % und 85 % Frauen in der Geschäftsleitung aufweisen. Und zu guter Letzt gibt es neben den Aktienindizes auch eine Vielzahl von ESG-Anleihenindizes, zum Beispiel den SBI ESG Index mit vielen abgeleiteten Indizes.

Wofür braucht es ESG-Indizes?

Generell entsprechen die Anwendungsfälle eines ESG-Indexes denen der traditionellen Indizes. ESG-Indizes dienen als Indikator und als Basiswert. Finanzinstitute können einen Index in ihren Anlageprodukten abbilden, beispielsweise in Form eines Exchange Traded Fund (ETF) oder eines Indexfonds. In diese Produkte können Anlegerinnen und Anleger wiederum investieren. SIX stellt ihre Indexdaten also Banken und anderen Finanzinstituten zur Verfügung, damit diese entsprechende Finanzinstrumente darauf bauen können. Mit den ESG-Indizes für den Aktien- und den Anleihenmarkt bietet SIX eine konsistente ESG-Indexfamilie als Referenz und Marktstandard an. Zusammen mit den ESG-Rohdaten und den regulatorischen Daten von SIX bilden sie ein umfassendes Angebot für die Nutzer von ESG-Informationen.

Mit der Zunahme nachhaltiger Investmentstrategien steigt die Nachfrage nach Aktien und Anleihen nachhaltiger Unternehmen. Und für weniger nachhaltige Unternehmen entsteht ein Anreiz, sich in puncto Nachhaltigkeit zu verbessern, um in den Index – und damit auch in die darauf basierenden Anlageprodukte – aufgenommen zu werden.