Ist die Börse ein Casino?

Ist die Börse ein Casino?

«Wertschriftenhandel ist wie Glücksspiel» – eine Aussage, die man immer wieder hört. Steckt da ein Körnchen Wahrheit drin? In diesem Blog erfahren Sie, welche Parallelen es tatsächlich zwischen Investieren und Gambling gibt und wo die entscheidenden Unterschiede liegen.

Auf den ersten Blick haben Börsentransaktionen und Einsätze im Wettbüro oder Casino einiges gemeinsam: Beide bergen Risiken, erfordern Einschätzungen und können zu Gewinn oder Verlust führen. Doch es gibt wesentliche Unterschiede.

Was ist der Unterschied zwischen Trading und Wetten?

Ein wesentlicher Unterschied besteht in den zur Verfügung stehenden Informationen. Wer mit Wertschriften handelt, nutzt Wirtschaftsdaten, Unternehmenskennzahlen, Nachrichten und technische Analysen. Zudem ist der Zugang zu relevanten Informationen streng reguliert.

Beim Tippen auf den Ausgang unvorhersehbarer Ereignisse – etwa von Sportresultaten – bestimmen Glück und Zufall, je nach Spielart, den Verlauf deutlich stärker. Dennoch können bei Sportwetten Statistiken und Analysen einen Einfluss haben. Wer beispielsweise erfährt, dass der beste Spieler einer Fussballmannschaft verletzt ist, hat bessere Gewinnchancen, wenn er auf den Sieg des Gegners setzt.

Im Glückspiel kommen zwar auch mathematische Modelle zum Einsatz, doch deren Aussagekraft ist begrenzt. Bei Roulette beispielsweise beträgt die Gewinnwahrscheinlichkeit für Rot oder Schwarz selbst nach zehn Mal Rot in Folge immer noch rund 50 %.

Natürlich gibt es auch Investierende, die sich von ihrem Bauchgefühl leiten lassen oder sogar auf Methoden wie Astrologie setzen. Grundsätzlich ist Trading jedoch stärker auf systematische Recherche und strategisches Vorgehen ausgerichtet. Das hat stark damit zu tun, wie Preise und Quoten überhaupt entstehen.

Wie unterscheiden sich Marktpreise von Wettquoten?

Im Trading werden Preise durch Angebot und Nachfrage gebildet. Kaufende und verkaufende Parteien handeln an der Börse, und sobald beide Seiten übereinkommen, ergibt sich daraus ein neuer Kurs. Neben unterschiedlichen Preisvorstellungen spielen dabei auch persönliche Faktoren eine Rolle: Ein Investor wartet vielleicht auf den optimalen Preis, während eine andere unter Zeitdruck auch einen weniger günstigen akzeptiert.

So entsteht im Verlauf eines Handelstages eine Vielzahl neuer Daten, die wiederum als Grundlage für die weitere Preisbildung dienen. Die «Quoten» verändern sich also fortlaufend durch neue Informationen und Marktstimmungen.

Beim Wetten hingegen legen Buchmacher die Quoten fest, kalkulieren eine Gewinnspanne ein und passen diese in erster Linie an das Wettvolumen an. Und hier liegt denn auch der wesentliche Unterschied: Wettquoten sind strukturell darauf ausgerichtet, dem Anbieter einen Vorteil zu verschaffen. Die Börse dagegen fungiert als neutrale Plattform, auf der die Gleichbehandlung aller Marktteilnehmenden gesetzlich vorgeschrieben ist.

Bias: sowohl beim Wetten als auch auf dem Finanzmarkt

Eines haben Tradende und Wettende aber doch gemeinsam: Sie können beide Denkfehlern unterliegen, auch Bias genannt. Es handelt sich dabei um eine kognitive Verzerrung, der alle Menschen unterliegen und die durch verschiedene Faktoren beeinflusst wird. Schauen wir uns einige mögliche Formen an:

  • Die Gambler’s Fallacy beschreibt den Irrglauben, dass vergangene Zufälle zukünftige beeinflussen. Etwa die Überzeugung, am Roulettetisch müsse nach fünf Mal Rot «zwangsläufig» Schwarz kommen.
  • Beim Base Rate Neglect wird die allgemeine statistische Wahrscheinlichkeit ignoriert und durch Einzelfälle überdeckt. Ein Anleger kauft zum Beispiel eine hochriskante Biotech-Aktie, nur weil eine Bekannte damit viel Geld verdient hat, und übersieht die niedrige Grundwahrscheinlichkeit eines Erfolgs.
  • Der Overconfidence Bias zeigt sich in übermässiger Selbstsicherheit. Wer glaubt, den Markt durch eigene Aktienauswahl dauerhaft schlagen zu können, überschätzt häufig die persönlichen Fähigkeiten und unterschätzt die Komplexität der Märkte. Ein ähnlicher Effekt tritt im Glücksspiel auf, wenn jemand überzeugt ist, «das Casino durchschaut» zu haben. Sowohl im Glückspiel als auch im Trading ist statisch bewiesen, dass Männer häufiger diesem Bias unterliegen als Frauen.
  • Der Confirmation Bias führt dazu, dass Anlegende gezielt nur Informationen suchen, die ihre bestehende Meinung stützen, und gegenteilige Hinweise ausblenden, etwa bei der Erwartung steigender Goldpreise.

Mit diesen psychologischen Fallstricken im Hinterkopf stellt sich die Frage: Ist Trading am Ende nicht doch einfach nur eine andere Form des Glücksspiels?

Ist der Börsenhandel nur eine andere Form des Glücksspiels?

Trotz gewisser Parallelen liegt der entscheidende Unterschied darin, dass Tradende durch Strategien, Disziplin und fundierte Analysen aktiv Einfluss auf ihre Erfolgschancen nehmen können. Das minimiert das Verlustrisiko, ohne es jedoch zu eliminieren.

Natürlich gibt es auch im Börsenhandel Situationen, in denen selbst die beste Analyse scheitert, etwa wenn Märkte irrational auf Trends oder Krisen reagieren. Beim Glücksspiel dagegen sind Wahrscheinlichkeiten oft klar und unveränderbar. 

Kann man im Trading im Gegensatz zum Wetten kontinuierlich Gewinne erzielen?

Theoretisch ja, praktisch jedoch nur beschränkt. Jeder Disclaimer zu Finanzprodukten weist darauf hin, dass vergangene Ergebnisse keine Garantie für zukünftige Erfolge sind. Verluste bleiben jederzeit möglich.

Mit einer disziplinierten, regelbasierten Strategie, kombiniert mit Risikostreuung, Risikokontrolle und ständiger Weiterbildung, lassen sich jedoch langfristig positive Ergebnisse erzielen. Im Wetten ist das deutlich schwieriger, da die Quoten, wie bereits erwähnt, strukturell gegen die Spielerinnen und Spieler gerichtet sind. Der Schlüsselfaktor ist das Risikomanagement.

Welche Rolle spielt das Risikomanagement beim Trading im Vergleich zum Wetten?

Im Trading ist Risikomanagement ein fester Bestandteil. Dazu gehören beispielsweise Stop-Loss-Orders, eine bewusste Positionsgrösse oder Absicherungsstrategien.

Beim Wetten fehlt diese Flexibilität meist. Verliert man eine Wette, ist der Einsatz vollständig verloren. Zwar kann auch beim Investieren ein Totalverlust eintreten, doch gibt es Anlageformen wie Fonds oder ETFs, die durch rechtliche Konstruktionen zusätzlichen Schutz bieten.

Dieser Schutz und die Regulierung sind auch ein Grund dafür, warum Trading rechtlich oft anders bewertet wird als Wetten.

Warum ist Trading legal, während Wetten in manchen Ländern eingeschränkt ist?

Die unterschiedliche Regulierung hängt stark mit der gesellschaftlichen Wahrnehmung zusammen. Trading gilt als wirtschaftlich nützlich, da es Unternehmen bei der Kapitalbeschaffung unterstützt und Märkte effizienter macht.

Wetten wird in der Regel als reine Freizeitbeschäftigung mit Suchtpotenzial angesehen, weshalb es in vielen Ländern streng reguliert ist. Dennoch gibt es auch beim Trading Beschränkungen des Marktzugangs.

Ob beim Trading oder beim Wetten: Entscheidend ist, den eigenen finanziellen Spielraum zu kennen und nicht mehr zu riskieren, als man kurzfristig verlieren kann. Sobald notwendige Ausgaben oder Rechnungen nicht mehr gedeckt werden können, ist es ratsam, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.