Zitat des Monats

«We need to see open banking and open finance as the natural progression of where the digitalization of financial services is taking us.»

John Berrigan, Generaldirektor Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und Kapitalmarktunion (FISMA) der Europäischen Kommission über die Weiterentwicklung von PSD2 in Richtung Open Finance

Open Banking aktuell


Internationale Regulierungstrends: Von Open Banking zu Open Finance und mehr

Laut dem im August erschienenen Report «Open Banking/Open Finance Trends Q3 2022» von Platformable sind aktuell weltweit 80 Länder dabei, Open-Banking-, Open-Finance- oder sogar Open-Data-spezifische Richtlinien entweder zu definieren, zu implementieren oder weiterzuentwickeln (siehe zentrale Initiativen in Abbildung 1). 

Abbildung 1 (Quelle: Platformable, 2022)

In der UK wird die bisherige Open Banking Implementation Entity (OBIE) durch eine neue Institution abgelöst. Den entsprechenden Prozess steuert das Joint Regulatory Oversight Committee (JROC), dem unter anderem die britische Wettbewerbsbehörde Competition and Markets Authority (CMA) und die unabhängige Finanzmarktaufsichtsbehörde Financial Conduct Authority (FCA) angehören. Innerhalb des JROC hat die sogenannte Strategic Working Group (SWG) darüber hinaus diverse Strategiesprints angekündigt, in deren Rahmen die strategische Roadmap für die Weiterentwicklung von Open Banking in der UK mit Branchenvertretern, -experten und anderen Interessengruppen (wie Unternehmen und Konsumenten) gespiegelt und weiterentwickelt werden soll. Die Fokusthemen dabei: Die Freisetzung des vollen Potenzials von Open-Banking-Zahlungen, die Aufnahme neuer Datenformate (Open Finance/Open Data) in das regulatorische Rahmenwerk und die Sicherstellung eines nachhaltigen Ökosystems.

Im EU-Raum wird aktuell noch immer die PSD2 überarbeitet. Im Anschluss an einen «Call for Advice» an die Europäische Bankenaufsichtsbehörde im Oktober letzten Jahres hatte die EU-Kommission im Mai 2022 einen sogenannten «Call for Evicence» lanciert, in dessen Rahmen verschiedene Institutionen und Unternehmen bis Ende August zusätzlich ihre Expertise einbringen konnten. Insbesondere drei Themenschwerpunkte haben sich dabei herauskristallisiert: die Präzisierung von Use Cases im Zahlungsbereich, die Weiterentwicklung von Open Banking in Richtung Open Finance und Anpassungen bei den Anforderungen an die Kundenauthentifizierung (wir hatten bereits in der Mai-Ausgabe berichtet).

In Lateinamerika verfolgt insbesondere Brasilien einen progressiven Open-Finance-Kurs und auch der asiatisch-pazifische Raum schliesst im internationalen Vergleich mit einem Mix aus verpflichtenden und empfehlenden Massnahmen zügig auf. Die USA, aktuell ein stark wachsender Markt, verfolgt wie auch die Schweiz (noch) immer einen marktgetriebenen Ansatz. Bereits letztes Jahr hatte Präsident Biden aber per «Executive Order» mehr Regulierung im Bereich Open Banking angekündigt, ähnlich wie der Schweizer Bundesrat in diesem Jahr (vgl. Newsletter im Februar).

Der führende PSD2-Markt stockt im globalen Vergleich: kaum Wachstum und wenig Diversität bei den API-Produkten

Ende des zweiten Quartals 2022 identifizierte Platformable in ihrem Report (siehe Anfang des Newsletters) insgesamt 1'578 Anbieter von Open-Finance-APIs – bestehend aus Finanzinstituten und Drittplattformen – mit einem Total von 5'564 angebotenen API-Produkten. Einen Grossteil davon deckt erwartungsgemäss der EU-Raum ab: mehr als zwei Drittel der Anbieter und fast die Hälfte der Produktangebote sind hier angesiedelt. Korrelierend mit den erwähnten regulatorischen Entwicklungen weisen die asiatisch-pazifischen Länder und Lateinamerika im Vergleich zum Vorjahr das grösste Wachstum in Bezug auf die Anzahl der API-Anbieter auf, dicht gefolgt von den USA (siehe Abbildung 2).

Abbildung 2 (Quelle: Platformable, 2022)

Abbildung 3 (Quelle: Platformable, 2022)

Abbildung 4 (Quelle: Platformable, 2022)

Der EU-Markt zeigt sich derweil im internationalen Vergleich allmählich gesättigt. Auffällig ist dabei nicht das geringe Wachstum bei der Anzahl der API-Anbieter, sondern die Anzahl der angebotenen API-Produkte, die hier im Vergleich zum Vorjahr um lediglich 6 % angestiegen ist (vgl. Abbildung 3). Darin scheint sich der Nachteil einer zu eng definierten PSD2 zu offenbaren. Denn auch wenn der EU-Raum in absoluten Zahlen klar vorne liegt, kommen auf einen Anbieter im Schnitt nur etwa 2,2 API-Produkte (vgl. Abbildung 2). Dieser Umstand dürfte der Tatsache geschuldet sein, dass 82% der EU-Anbieter noch immer ausschliesslich PSD2-mandatierte APIs umsetzen (vgl. Abbildung 4) – also in den Bereichen Kontoinformationen (AIS) und Zahlungen (PSS). Im globalen Schnitt machen PSD2-mandatierte APIs lediglich 68 % des Angebots aus. Entsprechend ist in anderen Märkten die durchschnittliche Anzahl API-Produkte pro Anbieter mit 5,6 bis zu 9,4 deutlich höher. Mandatierte APIs weisen gegenüber neuen APIs zudem eine wesentlich geringere Wachstumsrate auf (5,3% vs. 15,5% alleine von Q1 auf Q2 2022). Neue APIs und Produkte entstehen dabei vor allem in den Bereichen Identitäts-Management/KYC, Kredite und im Wertpapierhandel. Die aufgeführten Umstände dürften – zumindest ansatzweise – ein beschränktes Wachstumspotenzial in der EU erklären. 

Interessant ist, dass die UK ebenfalls mit einem relativ hohen Anteil an PSD2-mandatierten APIs (74%) dennoch sowohl eine hohe Anzahl API-Produkte pro Anbieter (5,9) als auch eine starke Wachstumsrate (27%) aufweist. Eine mögliche Erklärung: PSD2 erfordert von Banken lediglich, dass sie Drittanbietern wie Fintechs Zugang zu Kontodaten geben – ohne genaue und einheitliche Vorgaben wie. In der UK sind die grossen neun Banken jedoch dazu verpflichtet, hoch-qualitative Schnittstellen gemäss einem einheitlichen Standard zu exponieren. Weitere Banken folgen dem Beispiel. Das macht es für Drittanbieter wesentlich einfacher, Daten zu beziehen und darauf aufbauend effizient neue Use Cases (siehe Abbildung 6 unten) zu entwickeln. Erfreulich ist, dass laut dem Report weltweit 85% aller API-Anbieter auf allgemein anerkannte API-Standards setzen, um somit die Akzeptanz und das Skalierungspotenzial der angebotenen Schnittstellen zu erhöhen. 

In einer kürzlichen Fachtagung mit dem Titel «Beyond PSD2: Open Banking – Open Finance – Open Data» betonte Dr. Felix Strassmair-Reinshagen von der deutschen Aufsichtsbehörde BaFin denn auch, dass im Hinblick auf ein zukünftiges Open-Finance-Rahmenwerk in der EU stärker über den Standardisierungsgrad und die Interoperabilität von APIs diskutiert werden müsse. Hinzu kommt neben der Standardisierung aber auch ein technologischer Aspekt: Dr. Ortwin Scheja, unter anderem bei der Standardisierungsinitiative Berlin Group tätig, erklärte am selben Event, dass viele Banken gar nicht bereit für die Integration von Schnittstellen jenseits von konventionellen PSD2-APIs seien, weil sie auf veraltete IT-Systeme beharrten. Und nicht zuletzt würden Banken noch immer das vermeintliche Risiko von Open Banking meiden und sich wenig experimentierfreudig zeigen. Hier fehle oft noch das richtige Mindset, insbesondere bei den kleineren Finanzinstituten. John Berrigan, Generaldirektor Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und Kapitalmarktunion (FISMA) der Europäischen Kommission appellierte deshalb kürzlich in einem Beitrag über die Weiterentwicklung von PSD2 in Richtung Open Finance an die Banken, dass für sie nichts zu fürchten sei, als die Angst vor Open Finance selbst und betonte die Chancen für alle involvierten Parteien.

Grundsätzlich treibt in den meisten Regionen primär die richtige Regulierung das wachsende API-Angebot voran, speziell in den USA sorgen jedoch ein gesunder Wettbewerb und ausgeprägte Kollaborationsstrategien für den nötigen Fortschritt. Hier herrscht im globalen Vergleich auch die grösste Produktevielfalt und neue Geschäftsmodelle wie Banking-as-a-Service bzw. Embedded Finance finden zunehmend Anklang. Die USA ist deshalb interessant, weil die Marktsituation im Bereich Open Finance wie bereits erwähnt aktuell viel Ähnlichkeit zu derjenigen in der Schweiz aufweist und gemäss den Abbildungen 2 und 3 starkes Wachstum sowohl bei den Anbietern als auch den angebotenen API-Produkten verzeichnet – im Gegensatz dazu beobachten wir in der Schweiz leider eine noch immer eher langsame Entwicklung.

Open Banking erobert weiterhin die globale Zahlungsinfrastruktur

Den 1'578 API-Anbietern stehen laut dem Report von Platformable (siehe Anfang des Newsletters) rund 2'854 FinTechs als Konsumenten der APIs gegenüber. Rund ein Drittel der FinTechs bietet erwartungsgemäss Zahlungslösungen an – gefolgt von verschiedenen Kreditservices und Lösungen im Bereich Financial Management (vgl. Abbildung 5). Auf Ebene der Use Cases dominieren im klassischen Rahmen von Open Banking weiterhin alternative Zahlungsinfrastrukturen und die digitale Buchhaltung. Aber auch neue Anwendungensfälle im Bereich Karten- und Wallet-Management, Investment-Management für Privatkunden oder Datenanalyse gewinnen an Signifikanz.

Abbildung 5 (Quelle: Platformable, 2022)

Das starke Aufkommen API-basierter Zahlungslösungen färbt auch auf den traditionellen Zahlungsverkehr ab. Wir hatten bereits in der letzten Ausgabe am Beispiel von Mastercard aufgezeigt, dass Open Banking zunehmend etablierte Zahlungsnetzwerke konkurrenziert und wie sich der Markt dabei gleichzeitig durch sehenswerte Investitionen konsolidiert (sprich: Visa kaufte Tink, Mastercard kaufte Aiia, Apple kaufte Credit Kudos etc.). Die Thematik erhält laufend neue Dynamik und wird auch heiss in verschiedenen LinkedIn-Beiträgen und in namhaften Medien (wie z.B. hier im Economist, Abo-Artikel) diskutiert.

Entsprechend schiessen neue Beispiele, die auf die neue Zahlungsinfrastruktur «Open Banking» setzen oder diese expandieren, förmlich aus dem Boden. Ein kurzer Auszug:

  • JP Morgan Chase & Co und Yapily: JP Morgan Chase plant scheinbar in die britische Open-Banking-Plattform Yapily zu investieren, die ihrerseits wiederum gerade die deutsche finAPI akquiriert und auf Finanzierungssuche ist.

  • Pleo und Yapily: Das Unicorn Pleo, ein Spesenmanagement-Tool mit smarten Firmenkarten offenbarte ebenfalls eine Zusammenarbeit mit Yapily. Notabene: Innerhalb von sechs Monaten hat Pleo bereits Zahlungen im Gesamtvolumen von über 10 Millionen britischen Pfund über Yapily abgewickelt.

  • Tink und SlimPay: Die Zahlungsdienstleisterin SlimPay spannt mit der API-Plattform Tink zusammen, um EU-Händlern reibungslose Konto-zu-Konto-Zahlungen zu ermöglichen.

  • Plaid und der EU-Markt: Wohl eines der bekanntesten FinTechs aus den USA plant seine Open-Banking-Infrastruktur nach Europa zu bringen und macht damit Yapily, Tink und Co ordentlich Konkurrenz.

  • Mastercard und NORD.Investments: Dänemarks grösster unabhängiger digitaler Anlageberater wickelt zukünftig automatisiert Open-Banking-Zahlungen über Aiia, die Tochter-Plattform von Mastercard, ab.

  • Airbank und Klarna Kosma: Das Berliner Fintech Airbank, eine aufstrebende Finanzmanagement-Lösung für Unternehmenskunden nutzt künftig u.a. die PIS-API von Klarna Kosma als Zahlungsvariante.

  • Tuum und Saltedge: Das estländische Neo-Kernbankensystem Tuum schliesst sich an die Plattform von Saltedge an, um Anbietern von Finanzdienstleistungen eine Vielzahl von modularen Open-Banking-Backend-Lösungen anzubieten, darunter auch für PIS-Zahlungen.

Wie die aktuelle Entwicklung im Zahlungsbereich – auch in Bezug auf Konto-zu-Konto-Zahlungen – in der Schweiz aussieht, findet ihr übrigens im Beitrag zum diesjährigen Swiss Banking Services Forum von SIX unter «bLink Dich ein» heraus.

Ebenfalls in den News

Was ist der schnellste und sicherste Weg in Richtung Open Finance? Zumindest in der Schweiz lautet die Antwort gemäss ndgit: bLink. Artikel (DE)

Solarisbank und Klarna müssen Strategieschwenk vollziehen: Profitabilität vor Wachstum ist die neue Devise.
Artikel zu Solarisbank (DE) / Artikel zu Klarna (DE)

Open Finance’s Future Starts With Consumer Consent. Webinar/Interview (EN)

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Use Case des Monats


Kreditwürdigkeit in wenigen Minuten mit Echtzeitdaten bestimmen

Bereits Anfang Jahr hatte die schwedische Open-Banking-Plattform Tink ihren neuen API-basierten Service «Income Check» lanciert, mit dem Kreditgeber Einkommensprüfungen bei Antragstellenden basierend auf Echtzeitdaten direkt ab deren Bankkonten durchführen können. Neben dem Gehalt werden dabei auch andere Einkommensquellen wie z.B. Rentenauszahlungen oder Kinderzulagen berücksichtigt. Im September hat die Plattformanbieterin nun einen weiteren, komplementären Service vorgestellt – den «Expense Check», der analog die Überprüfung der Lebenshaltungskosten von Antragstellenden erlaubt. Auch hier können Kreditgeber direkt und in Echtzeit detaillierte Kontoinformationen beziehen (bis zu 12 Monate zurückreichend), die Tink vorher bereinigt und übergeordneten Kategorien wie Mobilität/Transport, Immobilien, Kinderbetreuung, Kredite oder Versicherungen zuordnet.

Was sind dabei die wesentlichen Vorteile? Heute wird die Kreditwürdigkeit gemäss Tink zu ungenau und ineffizient ermittelt, basierend auf einer Kombination von Eigenangaben der Antragstellenden, statistischen Schätzungen betreffend deren Ausgaben sowie Informationen zu aktuellen Verbindlichkeiten, die von verschiedenen Quellen stammen. Über den direkten Zugriff auf präzise Echtzeitdaten via API können Kreditgeber in erster Linie genauere Bewertungen vornehmen und damit im Idealfall die Bewilligungsrate von Krediten erhöhen. Gleichzeitig sollen sich so auch Betrugsrisiken minimieren lassen. Aus Kundensicht profitieren Antragsstellende von einer optimierten User Experience ohne unnötigen Papierkram und lange Wartezeiten. Denn der Antragsprozess verkürzt sich von mehreren Tagen oder gar Wochen auf wenige Minuten. Wie funktioniert das? Einerseits natürlich, weil die Daten ohne Umwege zur Verfügung stehen. Anderseits, weil Antragstellende ihre Bankkonten dank eines voll digitalisierten Onboardings in weniger als einer Minute mit der Softwarelösung des Kreditgebers verbinden können. Eine Geschwindigkeit und User Experience, die übrigens auch der Consent Flow auf der bLink-Plattform von SIX ermöglicht.

Das Beispiel von Tink ist nicht zuletzt deshalb passend, weil das Kreditgeschäft nach dem Zahlungsverkehr gemäss der Studie von Platformable (siehe Abbildung 5 im Themenblock Open Banking erobert weiter die globale Zahlungsinfrastruktur) aktuell einer der attraktivsten und aktivsten Bereiche für API-basierte Services zu sein scheint. Auch in der Weiterentwicklung von PSD2 in Richtung Open Finance dürfte das Kreditgeschäft eine zunehmend wichtige Rolle spielen, forderte im Rahmen des «Call-for-Evidence» durch die Europäische Kommission insbesondere die Deutsche Kreditwirtschaft in einer Stellungnahme besseren Zugang zu entsprechenden Kontodaten.

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Mit besten Grüssen,
euer bLink Team