Inhaltsverzeichnis
- Wo steht die Schweiz beim Investieren in Wertschriften?
- Ist nachhaltiges Anlegen ein Nischenthema?
- Mit steigendem Einkommen sinkt die Affinität für Nachhaltigkeit
- Sind Frauen beim Investieren umweltbewusster?
- Umwelt, Gesellschaftliches und Unternehmensführung vs. Schweizer Investierende
- Welche Rolle spielt Wissen für das Anlageverhalten?
- Viele Leute wissen gar nicht, dass sie bereits nachhaltig anlegen
- Weshalb sind Kundinnen und Kunden von Regionalbanken weniger ESG-orientiert?
- Werden ESG-Präferenzen zu mehr nachhaltigem Anlegen führen?
- Was sind ESG-Präferenzen?
- Was können Banken tun, um den Anteil nachhaltig Anlegender zu erhöhen?
- Wie wird sich nachhaltiges Anlegen in der Schweiz entwickeln?
Prof. Andreas Dietrich, PhD, and the IFZ Retail Banking Study
Andreas Dietrich ist Professor für Banking and Finance an der Hochschule Luzern und Leiter des Instituts für Finanzdienstleistungen Zug (IFZ). Seit 2012 untersucht das IFZ in einer jährlichen Studie die Entwicklung des Schweizerischen Retail-Banking-Marktes. Die Studie beleuchtet auch den Aspekt Nachhaltiges Anlegen. Die gesamte 240-seitige Retail-Banking-Studie von 2024 kann erworben werden.
Fast jede zweite Person in der Schweiz investiert in Wertschriften, wie Ihre Studie gezeigt hat. Wo stehen wir damit im internationalen Vergleich?
Wenn man Wertschriften breit definiert – also neben Aktien auch Bonds, Obligationen oder Gold berücksichtigt – liegt die Schweiz im oberen Mittelfeld der westlichen Länder. Betrachtet man nur Aktien, schneiden wir etwas schlechter ab. Ich sehe das Glas eher halb leer als halb voll.
Dass nur knapp die Hälfte ihr Geld investiert, und das in einer Niedrigzinsphase, ist nicht nur für das eigene Portemonnaie suboptimal. Auch volkswirtschaftlich wäre es wünschenswert, wenn mehr Leute am Finanzmarkt teilnähmen. Besonders deutlich zeigt sich die Lücke bei den Frauen: Nur 41 % halten Wertschriften – bei den Männern sind es 58 %.
Anteil der Personen mit Wertschriften (Quelle: IFZ)
Wie steht es um das nachhaltige Anlegen: Ist es noch ein Nischenthema?
Betrachtet man nur jene, die ihr gesamtes Portfolio nachhaltig anlegen, liegt der Anteil mit 4 % im Nischenbereich. Aber 33 % sind zumindest teilweise nachhaltig investiert, und 43 % interessieren sich grundsätzlich dafür. Nachhaltiges Anlegen ist also im Mainstream angekommen.
Der Markt hat sich in den letzten fünf Jahren sehr dynamisch entwickelt. Zwar hat das Wachstum in der Schweiz zuletzt an Tempo verloren, aber noch fliesst überproportional viel neues Geld in nachhaltige Produkte.
Anteil der Personen, die wissentlich nachhaltige Anlagen halten (Quelle: IFZ)
Mit steigendem Einkommen sinkt die Affinität für Nachhaltigkeit. Ist das nicht paradox?
Das hat weniger mit dem Vermögen als mit dem Alter zu tun. Ältere Generationen zeigen eine etwas geringere Affinität zu ESG – als die jüngeren Generationen. Die Jüngeren verfügen aber über weniger Einkommen und Vermögen.
Anteil Personen, die vollständig zustimmen, dass ihnen nachhaltiges Anlegen wichtig ist (Source: IFZ)
Sind Frauen beim Investieren – wie in der Politik – umweltbewusster?
Es gibt gewisse Unterschiede, diese sind aber gering. Von einem Geschlechtergraben würde ich hier nicht sprechen. Übrigens genauso wenig wie von einem Rösti- oder Polentagraben: die Unterschiede zwischen den Sprachregionen sind ebenfalls gering.
ESG umfasst Umwelt, Gesellschaftliches und Unternehmensführung. Welches Thema ist für Schweizer Anlegerinnen und Anleger am wichtigsten?
Wir erwarteten eine Dominanz des Umweltthemas. Tatsächlich werden aber alle drei ähnlich gewichtet – Gesellschaftliches sogar leicht höher: Menschenrechte, faire Arbeitsbedingungen, die Bekämpfung der Armut zum Beispiel.
Welche Rolle spielt Wissen für das Anlageverhalten?
Finanzkenntnisse sind entscheidend dafür, ob jemand investiert – aber weniger dafür, ob jemand nachhaltig investiert. Für nachhaltiges Anlegen sind Werthaltungen und die Überzeugung wichtig, dass das eigene Handeln Wirkung haben kann.
Laut Ihrer Studie wissen viele Leute gar nicht, dass sie bereits nachhaltig anlegen. Weshalb?
37 % Wertschriftenbesitzenden legen nachhaltig an, aber nur gerade 30 % wissen, wie Nachhaltigkeit gemessen wird. Begriffe wie ESG oder SDGs, die 17 Sustainable Development Goals der UNO, sind noch wenig bekannt. Das zeigt: Die Finanzkompetenz ist tief, die Nachhaltigkeitskompetenz noch tiefer.
Was auffällt sind die Unterschiede zwischen den Banktypen: Weshalb sind Kundinnen und Kunden von Regionalbanken weniger ESG-orientiert?
Das ist nicht ganz einfach zu beantworten. Ich gehe davon aus, dass das vor allem mit den unterschiedlichen Kundenstrukturen zusammenhängt. Regionalbanken haben im Durchschnitt eine ältere Kundschaft. Und ältere Menschen sind wie bereits erwähnt gegenüber dem Thema Nachhaltigkeit kritischer. Zudem sind Personen in Städten ESG-affiner als Leute in eher ländlichen Gegenden – und Regionalbanken sind oftmals eher in ländlichen Gegenden.
Anteil der Personen, die wissentlich nachhaltige Anlagen halten (Quelle: IFZ)
Seit 2024 müssen Banken systematisch die ESG-Präferenzen von Kundinnen und Kunden erheben. Wird diese Regulierung zu mehr nachhaltigem Anlegen führen?
Das wird sich zeigen. Aber das Thema erhält im Anlageprozess mehr Aufmerksamkeit, die Kundschaft wird sensibilisiert – ein wichtiger erster Schritt. Ich erwarte einen Effekt, unklar bleibt die Grössenordnung.
Was sind ESG-Präferenzen?
2024 hat die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) eine Selbstregulierung eingeführt, die die Banken verpflichtet, das Nachhaltigkeitsinteresse ihrer neuen Kundinnen und Kunden abzufragen. Seit 2025 betrifft das auch bestehende Kundinnen und Kunden. Die SBVg verwendet dafür den Begriff ESG-Präferenzen, den sie wie folgt definiert: «Präferenzen der Kundinnen und Kunden darüber, ob und gegebenenfalls welche ESG-Eigenschaften in ihre Anlagelösungen integriert werden sollen.» In der EU ist der Begriff Nachhaltigkeitspräferenz verbreitet.
Wie können Banken diese Haltung positiv beeinflussen, ohne moralisierend zu wirken?
Es geht um Orientierung: Menschen mit positiver Haltung müssen sehen, dass ihre Investition tatsächlich Wirkung entfaltet. Mit konsistenter, verständlicher und differenzierter Kommunikation – gestützt durch klare Kennzahlen, Impact-Berichte und glaubwürdige Labels. Banken müssen zeigen, dass nachhaltige Anlagen nicht nur ein gutes Gefühl geben, sondern messbar etwas bewirken.
Die Beratung spielt eine wichtige Rolle. Wenn Banken standardmässig nachhaltige Anlegen empfehlen, mit der Möglichkeit darauf zu verzichten – sogenanntes Opt-Out –, steigt der Anteil der nachhaltigen Anlegerinnen und Anleger deutlich.
Das wirkt tatsächlich. Unser Opt-out-Szenario zeigt: 83 % der Befragten würden zumindest teilweise nachhaltig investieren. Viele möchten schlicht nichts falsch machen und folgen der Empfehlung ihrer Bank.
Wie wird sich nachhaltiges Anlegen in der Schweiz bis 2030 entwickeln?
Ich bin überzeugt, dass Nachhaltigkeit in vielen Portfolios an Relevanz gewinnen wird – auch wenn es derzeit etwas Gegenwind gibt. Der Anteil nachhaltiger Anlagen wird steigen. Offen ist nur in welchem Tempo.
SIX unterstützt ihre Kunden bei der Navigation durch die dynamische Nachhaltigkeitslandschaft. Sie stellt ESG-Daten sowie regulatorische Daten über ein spezifisches und integriertes Produktangebot bereit.
SIX bietet Produkte und Dienstleistungen an, die sich positiv auf die Nachhaltigkeitsziele der Kunden und ihrer Endkundinnen und -kunden auswirken. Das ist integraler Bestandteil der Nachhaltigkeitsstrategie von SIX.
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