Anleihen – auch als Obligationen oder international als Bonds bezeichnet – sind Schuldverschreibungen, mit denen sich Staaten, Unternehmen oder andere Institutionen Kapital von Anlegern leihen. Sie gehören zu den klassischen Anlageformen und spielen eine zentrale Rolle in der Finanzwelt. Wenn Sie eine Anleihe kaufen, werden Sie zum Anleihegläubiger und leihen dem Emittenten für einen bestimmten Zeitraum Geld. Im Gegenzug verpflichtet sich der Emittent, Ihnen regelmässig Zinsen zu zahlen, sogenannte Kuponzahlungen, und am Ende der Laufzeit den Nennwert der Anleihe zurückzuerstatten.
Funktion
Eine Anleihe funktioniert nach einem einfachen Prinzip: Der Emittent bringt die Anleihe auf den Markt, Anleger erwerben sie und stellen damit Kapital zur Verfügung. Während der Laufzeit erhalten die Anleger regelmässige Zinszahlungen. Am Ende der Laufzeit zahlt der Emittent den Nennwert der Anleihe zurück.
Anleihen können auch vor Fälligkeit am sogenannten Sekundärmarkt gehandelt werden. Der Preis einer Anleihe hängt dann von Angebot und Nachfrage, dem aktuellen Zinsniveau sowie der Bonität des Emittenten ab.
Im Zusammenhang mit Anleihen begegnet man häufig bestimmten Fachbegriffen. Der Nominalwert bezeichnet den Betrag, den der Emittent am Ende der Laufzeit zurückzahlt. Der Kupon ist der Zinssatz, den der Emittent regelmässig zahlt. Die Rendite beschreibt den Gesamtertrag einer Anleihe, der sich aus dem Kupon und dem Kaufpreis ergibt.
Was sind Ratings und warum sind sie wichtig?
Ratings sind Bewertungen der Kreditwürdigkeit von Unternehmen oder Staaten, die Anleihen herausgeben. Sie werden von unabhängigen Ratingagenturen wie Moody’s, Standard & Poor’s oder Fitch vergeben. Ein gutes Rating (zum Beispiel „AAA”) bedeutet, dass der Emittent sehr zuverlässig ist und seine Schulden mit hoher Wahrscheinlichkeit zurückzahlen kann. Ein schlechtes Rating (z. B. „B” oder „CCC”) weist dagegen auf ein höheres Risiko hin. Für Anleger ist das wichtig, denn: Je schlechter das Rating, desto höher ist das Risiko eines Zahlungsausfalls – und desto höher sind in der Regel die Zinsen, die der Emittent bieten muss, um Investoren zu gewinnen. Umgekehrt bedeutet ein gutes Rating in der Regel niedrigere Zinsen, da das Risiko geringer ist. Ratings helfen also dabei, das Risiko einer Geldanlage besser einzuschätzen.
Warum ist die Laufzeit einer Anleihe wichtig – und wie beeinflusst sie den Zins?
Die Laufzeit einer Anleihe beschreibt den Zeitraum, bis das investierte Geld vom Emittenten zurückgezahlt wird, also bis zum Fälligkeitstermin. Sie kann wenige Monate oder auch viele Jahre betragen. Grundsätzlich gilt: Je länger die Laufzeit, desto höher ist das Risiko für den Anleger, da sich über einen langen Zeitraum mehr Unsicherheiten ergeben können (z. B. wirtschaftliche Entwicklungen, Inflation, Zinsschwankungen). Um dieses zusätzliche Risiko auszugleichen, bieten Emittenten bei längeren Laufzeiten oft höhere Zinsen an. Kurzfristige Anleihen haben dagegen meist niedrigere Zinsen, gelten aber als sicherer, da weniger unvorhersehbare Ereignisse eintreten können. Die Laufzeit ist somit ein entscheidender Faktor bei der Frage, wie viel Risiko und Rendite Anleger eingehen möchten.
Beispiel
Angenommen Sie investieren heute 1'000 CHF in eine Anleihe mit 5% Kupon. Das bedeutet jährlich CHF 50 Zinsen. In den Jahren 1 bis 5 erhalten Sie jeweils CHF 50. Am Ende des 6. Jahres bekommen Sie den letzten Zins von CHF 50 und die Rückzahlung des Kapitals von CHF 1'000. Insgesamt fliessen damit über die Laufzeit CHF 300 an Zinsen, während Ihr eingesetztes Kapital am Schluss komplett zurückbezahlt wird.
Viele Anleihen haben zudem eine Mindeststückelung und feste Handelsschritte, etwa CHF 5’000, 10’000 oder 100'000; das erschwert die Streuung in kleinen Depots — mit 25’000 CHF lassen sich bei 10’000er Stücken oft nur zwei Titel kaufen, was das Klumpenrisiko erhöht. Wer kleiner investieren oder breiter streuen möchte, nimmt häufig einen Bond-ETF oder Fonds.
Rendite
Bei Anleihen unterscheidet man zwischen laufender Rendite und der Rendite bis Fälligkeit (Yield to Maturity, YTM). Die laufende Rendite ist schlicht Kupon durch aktuellen Preis und zeigt, wie viel Zins Sie gemessen am heutigen Kaufpreis erhalten. Sie ist jedoch nur eine Momentaufnahme, weil sie weder die Rückzahlung zu 100 % am Ende noch die Restlaufzeit berücksichtigt. Die Rendite bis Fälligkeit ist deshalb die sinnvollere Vergleichsgrösse: Sie bezieht alle Cashflows ein – sämtliche Kupons und die Rückzahlung – und den Kaufkurs. Liegt der Kurs unter 100 %, ist die YTM meist höher als der Kupon (zusätzlicher Kursgewinn bis zur Rückzahlung); liegt der Kurs über 100 %, ist sie meist tiefer (weil bis 100 % „abgeschmolzen“ wird). Beispiel: CHF 1'000 Nominal, 4 % Kupon, Kurs 95 % → laufende Rendite rund 4.21 %, über die Restlaufzeit ergibt sich grob überschlagen eine YTM von etwa 5.8 %. Bei 103 % Kurs läge die YTM nur noch um ca. 3 %.
Emittenten
Der Emittent ist die Organisation, die die Anleihe herausgibt – also der Schuldner. Das kann ein Staat sein, der Geld für Infrastrukturprojekte benötigt, ein Unternehmen, das Investitionen finanzieren möchte, oder eine supranationale Institution wie die Weltbank. Es gibt verschiedene Arten von Anleihen. Staatsanleihen, wie etwa Bundesanleihen oder US-Treasuries, gelten als besonders sicher. Unternehmensanleihen hingegen bieten oft höhere Zinsen, sind aber mit einem höheren Risiko verbunden. Eine besondere Form sind Wandelanleihen, die unter bestimmten Bedingungen in Aktien umgewandelt werden können.
Der Emittent legt die Bedingungen der Anleihe fest, darunter die Laufzeit, den Zinssatz, die Rückzahlungsmodalitäten sowie die Währung und das Volumen. Die Bonität des Emittenten beeinflusst massgeblich das Risiko und die Verzinsung der Anleihe.
Vorteile
Anleihen haben für Anleger einige Vorteile: Regelmässige Kupons bieten planbare Einnahmen und – bei Halt bis zur Fälligkeit und zahlungsfähigem Emittenten – die Rückzahlung des Nennwerts, was die Planung z. B. für grössere Ausgaben erleichtert. Ihre Kursschwankungen sind meist geringer als bei Aktien; Anleihen wirken damit als Stabilisator im Depot und helfen bei der Diversifikation, weil sie sich oft anders entwickeln als Aktien. Sie können Laufzeiten passend zum Ziel wählen (kurz für nähere Vorhaben, länger für längerfristige Ziele) und zwischen Kuponarten (fix, variabel, inflationsindexiert) wählen, um Zins- oder Kaufkraftrisiken besser zu steuern. Grosse Staats- und viele Unternehmensanleihen sind gut handelbar (oft mit engen Spreads), also in der Regel schnell kauf- und verkaufbar. Zudem sind Anleihegläubiger im Kapitalvorrang vor Aktionären, was im Ernstfall die Chance auf eine teilweise Rückzahlung erhöht. Zusammen ergibt das einen vernünftigen, gut planbaren Baustein für ein breit gestreutes Portfolio.
Risiko
Trotz ihrer Stabilität sind Anleihen nicht risikofrei. Zu den wichtigsten Risiken zählen das Zinsänderungsrisiko, bei dem steigende Marktzinsen den Wert bestehender Anleihen senken können, sowie das Bonitätsrisiko, das sich aus der Kreditwürdigkeit des Emittenten ergibt. Auch das Inflationsrisiko spielt eine Rolle, da die reale Rendite durch steigende Preise geschmälert werden kann. Bei Fremdwährungsanleihen kommt zusätzlich ein Währungsrisiko hinzu, das durch Wechselkursschwankungen entsteht.
Im Folgenden finden Sie jeweils ein Beispiel sowie einen Hinweis zur Begrenzung des Risikos:
- Zinsänderungsrisiko
Was ist es? Das Zinsänderungsrisiko beschreibt die Gefahr, dass sich der Marktzinssatz nach dem Kauf einer Anleihe verändert. Steigen die allgemeinen Zinsen, werden bestehende Anleihen mit einem niedrigeren festen Zinssatz (Kupon) weniger attraktiv – denn neue Anleihen bieten nun höhere Zinsen (siehe inverse Beziehung). Dadurch sinkt der Kurs der „alten“ Anleihe. Besonders betroffen sind Anleihen mit langer Laufzeit, da ihr fester Zinssatz über einen längeren Zeitraum weniger konkurrenzfähig bleibt. Je länger die Restlaufzeit, desto stärker kann der Kursverlust bei einem Zinsanstieg ausfallen.
Beispiel: Sie halten eine zehnjährige Staatsanleihe mit 1,5 % Kupon. Erhöhen sich die Zinsen für neue Anleihen auf 3 %, sinkt der Kurs Ihrer Anleihe – ein Verkauf vor Fälligkeit bringt dann weniger als den ursprünglichen Kaufpreis.
Begrenzung: Kürzere Laufzeiten (geringere Duration) wählen, - Bonitätsrisiko (Kreditausfallrisiko)
Was ist es? Der Emittent könnte Zinsen oder Rückzahlung nicht leisten. Eine Herabstufung der Bonität kann die Kurse drücken.
Beispiel: Ein Unternehmen wird von BBB auf BB herabgestuft; die Anleihe fällt im Kurs, weil Anleger höhere Renditen als Risikoausgleich fordern. Im Extremfall kommt es zum Ausfall (Zinsen werden ausgesetzt, Rückzahlung unsicher).
Begrenzung: Auf hohe Qualität achten (z. B. Staatsanleihen solider Länder, Investment-Grade), breit streuen, Emittentenrisiken prüfen. - Inflationsrisiko
Was ist es? Steigende Preise schmälern die Kaufkraft der Zinszahlungen und der Rückzahlung; die reale Rendite sinkt.
Beispiel: Ihr Kupon beträgt 2 %, die Inflation liegt bei 3 % – real verlieren Sie rund 1 % Kaufkraft pro Jahr, trotz positiver Nominalrendite.
Begrenzung: Inflationsindexierte Anleihen nutzen oder Laufzeiten/Kupons wählen, die realistischerweise über der erwarteten Inflation liegen. - Währungsrisiko (bei Fremdwährungsanleihen)
Was ist es? Wechselt der Wechselkurs ungünstig, kann er Erträge auffressen oder Verluste verstärken.
Beispiel: Als CHF-Anleger kaufen Sie eine US-Dollar-Anleihe mit 4 % Kupon. Wertet der USD gegenüber dem CHF um 6 % ab, kann Ihr Währungsverlust den Zins überschreiten – unterm Strich entsteht ein Verlust in CHF.
Begrenzung: Währungsabsicherung (Hedging) nutzen oder in Anleihen der eigenen Referenzwährung investieren.
Inverse Beziehung
Steigen die Marktzinsen, sinken die Kurse bereits ausgegebener Anleihen – und umgekehrt. Diese umgekehrte Beziehung ist ein Grundprinzip des Anleihemarkts: Wird am Markt ein höherer Zins geboten, verlieren ältere Anleihen mit niedrigerem Kupon an Attraktivität und damit an Wert. Fallen die Zinsen dagegen, steigen die Kurse dieser älteren, höher verzinsten Anleihen. Die Grafik zeigt diesen Zusammenhang deutlich – mit zunehmendem Marktzins fällt der Anleihekurs.